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DBA-RECHT | Qualifikationskonflikte: Quellensteuer für Softwarelizenz?

Im Rahmen des „Express Antwort Service“ (EAS) nimmt das österreichische Finanzministerium (BMF) regelmäßig zu Auslegungsfragen des internationalen Steuerrechts Stellung. In der aktuellen EAS-Auskunft 3436 vom 1.6.2022 befasste sich das BMF mit den steuerlichen Implikationen diverser IT-Dienstleistungen auf Basis des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen Österreich und China und ging dabei von seiner bisherigen - jahrzehntelangen - Rechtsansicht ab. Die daraus resultierenden Probleme haben auch Auswirkungen auf DBA mit anderen Ländern.


​​​​​​​Ausgangslage und Problemstellung

 

Am 1.6.2022 hat das österreichische BMF eine neue EAS-Auskunft 3436 zum Thema „Bereitstellung von IT-Dienstleistungen im Verhältnis zu China“ veröffentlicht. In dieser EAS-Auskunft wird die Frage behandelt, inwieweit Art. 12 DBA des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen Österreich und China (idF DBA-China) dem Quellenstaat China ein Quellenbesteuerungsrecht auf Vergütungen für die Nutzbarmachung von Software (Software-as-a-Service - SaaS) sowie für die Bereitstellung und Wartung von IT-Infrastruktur (Infrastructure-as-a-Service - IaaS) einräumt.

Bzgl. der Definition des Lizenzgebührenbegriffs im OECD Musterabkommen (OECD-MA) sowie der Einstufung von Software folgt Österreich der folgenden OECD-Auffassung:

  1. Der Käufer erhält das Recht auf bestimmungsgemäße Verwendung der Software. Somit tritt die Situation ein, dass der Käufer die Software im Sinne eines Users verwenden kann. Jedoch werden keine über die bestimmungsgemäße Verwendung hinausgehenden urheberrechtlichen Verwertungsmöglichkeiten (zB Vervielfältigung oder Bearbeitung) eingeräumt. Die Verfügungs- und Verwertungsrechte bleiben nach wie vor vollständig beim Verkäufer.
     
  2. Es werden Teile der urheberrechtlich geschützten Rechte an den Käufer übertragen.
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  3. Es werden sämtliche urheberrechtlich geschützten Rechte auf den Käufer übertragen. Damit hat der Verkäufer keine weiteren Verfügung- oder Verwertungsrechte mehr.

Aus Sicht der OECD (deren Auffassung auch Österreich folgt) ist lediglich Fall 2 einer Lizenzgebühr iS Art. 12 OECD-MA (neue Fassung) zugänglich. Die Fälle 1 und 3 sind hingegen keine Lizenzgebührenfälle, sondern werden als Unternehmensgewinne gemäß Art. 7 OECD-MA bzw Gewinne aus der Veräußerung von Vermögen iS Art. 13 OECD-MA qualifiziert.

Werden die im Fall 1 beschriebenen Rechte (bestimmungsgemäße Verwendung) allerdings nur temporär eingeräumt, wurde die Transaktion bisher als Softwarevermietung eingestuft und somit wiederum als Lizenzgebührenfall iS Art. 12 OECD-MA vor 1992 qualifiziert.

 

Bisherige Behandlung von Software im Verhältnis zu China


Im DBA zwischen Österreich und China (sowie auch in DBAs mit einigen anderen Ländern) wird bei der Definition des Lizenzgebührenbegriffs (Art. 12) noch immer der Terminologie des OECD-MA vor 1992 gefolgt. Demgemäß sind Vergütungen für die Überlassung von gewerblichen und kaufmännischen Ausrüstungen von Art. 12 DBA umfasst.

Was jedoch unter „Ausrüstungen“ zu verstehen ist, wurde bisher weder im UN-MA noch im OECD-MA 1977 definiert. Bislang vertrat das österreichische BMF die Ansicht, dass der Begriff Ausrüstungen nicht notwendigerweise mit körperlichen Wirtschaftsgütern gleichzusetzen ist, sondern auch immaterielle Wirtschaftsgüter als Ausrüstung angesehen werden können. Demgemäß galt auch Software als Ausrüstung iSd. Art. 12 OECD-MA vor 1992. Die bestimmungsgemäße Verwendung von Software (siehe Fall 1 oben) wurde daher unter die Lizenzgebühren iSd OECD-MA vor 1992 subsumiert, wenn diese mit zeitlicher Befristung überlassen wurde, der Softwarenutzer kein wirtschaftliches Eigentum erwarb und die Zahlungen an den Softwareeigentümer Mietentgelte darstellten.

Wurden die obigen Voraussetzungen erfüllt, war ein Quellensteuerabzug auf Zahlungen für die Überlassung von Software aus österreichischer Sicht gerechtfertigt und Österreich ermöglichte die Anrechnung dieser ausländischen Steuern auf die österreichische Steuer gem. Art. 24 (2) lit. b DBA.

 

Folgen der neuen Interpretation des Begriffs „Ausrüstungen“


Im Zuge der Überarbeitung des UN-Musterkommentars (UN-MK) im Jahr 2017 wurde festgelegt, dass Immaterialgüter nun NICHT mehr vom Begriff „Ausrüstungen“ umfasst sein sollen.

Bezugnehmend auf die Ausführungen im UN-MK revidiert nunmehr auch das österreichische BMF seine bisherige Auffassung und vertritt ab sofort den Standpunkt, dass Software nicht alsAusrüstung“ iSd  Art. 12 DBA einzustufen ist. Daraus folgend ist nach neuer österreichischer Ansicht (ab Veröffentlichung der obigen EAS-Auskunft) kein Quellensteuerabzug auf Zahlungen für eine solche Softwareüberlassung mehr gerechtfertigt. Ähnliches gilt auch für Transaktionen im Bereich Software-as-a-Service (SaaS) und eingeschränkt auch für Infrastructure-as-a-Service (IaaS).

In der EAS-Auskunft 3436 wird zudem darauf hingewiesen, dass bei Mischverträgen (zB Lieferung von Equipment und Überlassung von Know-How) die einzelnen Teilkomponenten unterschiedliche steuerliche Auswirkungen nach sich ziehen können und somit jeweils gesondert zu beurteilen sind.

 „Software“ bzw „Software Licence“ ist im internationalen Steuerrecht, insbesondere im Verhältnis zu Staaten außerhalb Europas (vor allem Asien, aber auch Afrika und Südamerika), geradezu ein Reizwort. Vielfach löst bereits die Verwendung des Begriffs „Software“ in einem Vertragswerk steuerliche Implikationen (meist Quellensteuern) im Quellenstaat aus. Die oben angeführte Aufteilung der Softwaretransaktionen in die verschiedenen Einkünfte nach den Artikeln 7, 12 und 13 des OECD-MA wird nämlich von Nicht-OECD-Mitgliedsstaaten in der Regel negiert und Software „pauschal“ der Quellensteuer auf Lizenzgebühren unterworfen.   

Qualifikationskonflikte zwischen zwei Staaten sind jedoch für den Steuerpflichtigen in der Regel mit Doppelbesteuerungsrisiken verbunden. Eine solcherart bereits eingetretene oder drohende Doppelbesteuerung kann ohne Einleitung eines Verständigungsverfahrens nicht vermieden werden.

Die ursprüngliche Auffassung des BMF (Qualifizierung von Software als „Ausrüstung“) ermöglichte es den Steuerpflichtigen, durch entsprechende Adaptierung des Vertragswerks einem etwaigen Doppelbesteuerungsrisiko entgegenzuwirken, wenn der Lizenzgebührenbegriff im anzuwendenden DBA dem OECD-MA 1992 folgte. Durch die neue Auffassung werden die Steuerpflichtigen hingegen vermehrt mit Doppelbesteuerungskonflikten konfrontiert werden, und dementsprechend dürfte auch die Anzahl der eingeleiteten Verständigungsverfahren zunehmen.      

 

FAZIT

 

Die in der aktuellen EAS-Auskunft 3436 vertretene geänderte Rechtsansicht des österreichischen BMF hat nicht nur Auswirkungen auf das Doppelbesteuerungsabkommen mit China, sondern auf sämtliche von Österreich unterzeichneten DBAs, in denen der Lizenzgebührenbegriff dem OECD-MA vor 1992 folgt. Im Verhältnis zu diesen Staaten ist ab sofort verstärkt mit Qualifikationskonflikten und somit in Österreich nicht verwertbaren ausländischen Quellensteuern zu rechnen.

Diese neue EAS-Auskunft führt wieder einmal deutlich vor Augen, dass die korrekte steuerliche Behandlung von „Softwareim internationalen Steuerrecht nach wir vor ein erhebliches Problem darstellt. Internationale Softwaregeschäfte sollten daher jedenfalls vorab einer detaillierten steuerlichen Prüfung unterzogen werden, um etwaigen Fallen und Risiken aktiv und zeitgerecht entgegenwirken zu können. 

Gerne stehen Ihnen dafür die Verfasser:innen sowie auch die übrigen Ansprechpartner:innen unserer Service Line "International Tax​​​​​​​" zur Verfügung!