KÜNSTLER | Welche Vergütungsteile unterliegen der Abzugssteuer?
Einkünfte von ausländischen Künstlern und Mitwirkende an Unterhaltungsdarbietungen im Inland unterliegen in Österreich entweder als Einkünfte aus selbständiger Arbeit oder aus Gewerbebetrieb der beschränkten Steuerpflicht, wobei die Steuer gemäß § 99 Abs. 1 Z 1 EStG im Wege eines besonderen Steuerabzugs erhoben wird, wenn die Tätigkeit im Inland ausgeübt oder verwertet wird. Die abkommensrechtliche Verteilungsnorm für Künstler und Sportler (Art. 17 OECD-Musterabkommen) setzt jedoch voraus, dass die Tätigkeit "im Inland ausgeübt" wird. Art. 17 OECD-MA kennt keinen Verwertungstatbestand. Das BFG hatte kürzlich die Frage zu beurteilen, welcher Teil eines in Form einer Pauschale vereinbarten Künstlerhonorars auf Grundlage des DBA mit Deutschland dem besonderen Steuerabzug unterliegt. Konkret ging es um die Frage, ob auch von jenem Honoraranteil, der auf Leistungen (Trainings, Proben) entfällt, die in Vorbereitung eines Inlandsauftritts im Ausland erfolgen, österreichische Abzugssteuer einbehalten werden muss.
Einkünfte von Künstlern und Sportlern im internationalen Steuerrecht
Künstler und Sportler zeichnen sich aus ertragsteuerlicher Sicht dadurch aus, dass sie in kürzester Zeit hohe Einkünfte erzielen. Sie bereisen Staaten häufig nur für einen Auftritt, eine Show, einen Wettbewerb oder ein Konzert. Ihr Aufenthalt im Quellenstaat ist zeitlich begrenzt und kann - trotz beachtlicher öffentlicher Wahrnehmung - manchmal nur Stunden dauern. Es ist somit nicht verwunderlich, dass sich historisch für Personen mit “erhöhter Mobilität” eigene Besteuerungsregeln entwickelt haben. Einerseits ist es den Staaten ein Bedürfnis, internationale Stars ins eigene Land zu holen, andererseits soll der hochbezahlte Künstler oder Sportler nach gesellschaftspolitischen Wertvorstellungen, dort besteuert werden, wo Menschen für die Tickets bezahlen und der Star bejubelt wird. Nicht ohne Grund enthält das OECD-Musterabkommen (OECD-MA) bereits seit seiner Urfassung aus dem Jahr 1963 in Art 17 OECD-MA eine eigene Verteilungsnorm für Künstler und Sportler, die diesen gesellschaftspolitischen Wertvorstellungen Rechnung tragen soll.
Beschränkte Steuerpflicht nicht-ansässiger Künstler für die “Mitwirkung an Unterhaltungsdarbietungen”
Aus der Sicht des innerstaatlichen Steuerrechts können Einkünfte von Künstlern und Sportlern sowohl als Einkünfte aus selbständiger Arbeit oder aus Gewerbebetrieb der beschränkten Steuerpflicht unterliegen. Nach § 98 Abs 1 Z 2 EStG unterliegen Einkünfte aus selbständiger Arbeit der beschränkten Steuerpflicht, wenn die selbständige Arbeit “im Inland ausgeübt oder verwertet wird oder worden ist”, wobei die Arbeit als im Inland ausgeübt gilt, wenn der Steuerpflichtige persönlich tätig geworden ist. Verwertet wird eine Tätigkeit dann in Österreich, wenn sie zwar nicht im Inland ausgeübt wird, aber ihr wirtschaftlicher Erfolg der inländischen Volkswirtschaft unmittelbar zu dienen bestimmt ist (§ 98 Abs. 1 Z 2 letzter Satz EStG). Gemäß § 98 Abs 1 Z 3 EStG unterliegen auch Einkünfte aus Gewerbebetrieb, unabhängig vom Bestehen einer inländischen Betriebsstätte iSd § 29 BAO der beschränkten Steuerpflicht, wenn diese “aus der gewerblichen Tätigkeit als Sportler, Artist oder als Mitwirkender an Unterhaltungsdarbietungen im Inland erzielt werden”. In BFG 26.6.2024, RV/7100138/2014 hat das Gericht überzeugend dargelegt, dass es im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht unbeachtlich ist, ob ein Künstler Einkünfte aus selbständiger Arbeit oder aus Gewerbebetrieb erzielt.
Während selbständige und gewerbliche Einkünfte beschränkt steuerpflichtiger Personen grundsätzlich gemäß § 102 EStG zu veranlagen sind, ist in § 99 Abs 1 Z 1 EStG für Künstler und Sportler iSd § 98 Abs. 1 Z 3 letzter Satz EStG ein spezifischer Quellensteuerabzug mit Endbesteuerungswirkung vorgesehen. Die Abzugsteuer betrifft Einkünften "…aus im Inland ausgeübter oder verwerteter Tätigkeit als Schriftsteller, Vortragender, Künstler, Architekt, Sportler, Artist oder Mitwirkender an Unterhaltungsdarbietungen, wobei es gleichgültig ist, an wen die Vergütungen für die genannten Tätigkeiten geleistet werden” (Künstlerdurchgriff). Die Abzugssteuer beträgt gemäß § 100 Abs 1 EStG 20 % vom Bruttoentgelt und ist vom Vergütungsschuldner (im Übrigen unabhängig davon, ob dieser in Österreich ansässig ist oder nicht) einzubehalten und abzuführen. Wird die Steuer vom Vergütungsschuldner übernommen, beträgt die Abzugsteuer 25 %.
Abseits des Künstlerbegriffs stellt sich regelmäßig die Rechtsfrage, wann eine Tätigkeit als “Unterhaltung” zu qualifizieren ist. Die Rechtsprechung dazu geht von einem weiten Begriffsverständnis aus. Der VwGH hat in einer Entscheidung vom 28.05.1998, 96/15/0122 dazu wie folgt Stellung bezogen: "Unterhaltung" ist ein “als singulär oder gemeinsam betriebener angenehmer Zeitvertreib oder Art der Geselligkeit zur physisch-psychischen Entspannung bzw Erholung, der unvermittelt verschafft werden kann durch Eigenaktion oder vermittelt wird durch die Rezeption von organisierten Darbietungen”.
Unbeschränktes Quellenbesteuerungsrecht für Künstler und Sportler - Art 17 OECD MA
In Art 17 OECD MA heißt es: “Ungeachtet des Artikels 15 können Einkünfte, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person als Künstler, wie Bühnen-, Film-, Rundfunk- und Fernsehkünstler sowie Musiker oder Sportler aus ihrer im anderen Vertragsstaat persönlich ausgeübten Tätigkeit bezieht, im anderen Staat besteuert werden”. Wenn also eine in Österreich nicht-ansässige Person aus ihrer im Quellenstaat Österreich persönlich ausgeübten Tätigkeit Einkünfte bezieht, dürfen diese in Österreich besteuert werden, unabhängig davon, wer die Vergütungen schuldet. Verwertung im Inland ist für ein abkommensrechtliches Besteuerungsrecht nicht ausreichend. Der Verweis auf Art 15 OECD MA bedeutet, dass Art 17 OECD MA im Verhältnis zu Art. 15 OECD-MA, der die Aufteilung des Besteuerungsrechts von Einkünften aus unselbständiger Arbeit regelt, Vorrang hat. Art 15 OECD MA würde dem Quellenstaat nur dann eine Besteuerungsrecht überlassen, wenn sich die Person zumindest 183 Tage im Tätigkeitsstaat aufhält bzw von einem in Österreich ansässigen Arbeitgeber oder einer österreichischen Betriebsstätte eines ausländischen Arbeitgebers bezahlt wird. Ist ein Künstler oder Sportler gewerblich bzw selbständig tätig, wäre ein Besteuerungsrecht des Quellenstaates nur bei Bestand einer Betriebsstätte (Art. 5 OECD-MA) des Künstlers oder Sportlers denkbar, was bei einem mehrstündigen Auftritt schon alleine aufgrund der fehlenden Dauerhaftigkeit ausgeschlossen ist. Die Quintessenz von Art 17 OECD MA ist also, dass die Einkünfte eines Künstlers oder Sportlers auch dann im Quellenstaat besteuert werden sollen, wenn es an sonstigen (physischen) steuerlichen Anknüpfungspunkten (zB dauerhafte Präsenz bis hin zu einer Betriebsstätte) fehlt.
Die Kernfrage von Art 17 OECD MA, die sich in der Praxis stellt, ist aber, wer als “Künstler” oder “Sportler” iSe DBA zu qualifizieren ist. Die Begriffe sind abkommensautonom zu interpretieren, ungeachtet der Beurteilung nach österreichischem Steuerrecht. Das OECD MA selbst enthält keine Definition. Das ist nicht überraschend, zumal die Definition des Begriffes “Kunst” äußerst subjektiv ist und einer philosophischen Mammutaufgabe gleichkommt. Der Kommentar zum OECD-MA (OECD-MK) enthält zwar einige Beispiele, zieht aber letztlich den Schluss: “It is not possible to give a precise definition of ”entertainer" (Tz 3, zweiter Satz OECD-MK idF 2017 zu Art 17). Es bedarf allerdings einer bestimmten Öffentlichkeitswirksamkeit der Tätigkeit des Künstlers oder Sportlers, zB in Form eines öffentlichen Auftritts , um dem Quellenstaat ein Besteuerungsrecht einzuräumen. Insofern gelten Bühnenbildner, Regisseure, Choreographen oder Licht- und Tontechniker nicht als “Künstler” iSd Art. 17 OECD-MA.
Die nicht zweifelsfreie Definition des Sportler- und Künstlerbegriffs und die sich daraus ergebenden Möglichkeiten der Steuergestaltung beschäftigen regelmäßig die österreichischen Gerichte. Steuerpflichtige versuchen fallweise, in den Anwendungsbereich des Art. 17 OECD-MA zu kommen, um bei Anwendung der Befreiungsmethode ein im Quellenstaat niedrigeres Steuerniveau nutzen zu können. In einer Entscheidung des VwGH kam dieser beispielsweise zum Ergebnis, dass Einkünfte aus ausländischen Vortragstätigkeiten eines in Österreich ansässigen blinden Extrembergsteigers, der eine Steuerpflicht seiner Einkünfte in Österreich vermeiden wollte, nicht von Art 17 OECD MA erfasst sind (VwGH 22.03.2018, Ro 2017/15/0045) . Wäre das Steuerniveau in Österreich niedriger gewesen, hätte der Steuerpflichtige möglicherweise anders argumentiert.
Welche Vergütungsteile einer Pauschalvergütung unterliegen der Abzugssteuer?
In BFG 26.06.2024, RV/7100138/72014 hatte sich das Gericht mit der Frage auseinanderzusetzen, wie der gemäß § 99 Abs. 1 Z 1 EStG einen Abzugssteuertatbestand auslösende Begriff, der “im Inland ausgeübten Tätigkeit” tatsächlich auszulegen ist. Beschwerdeführer war ein österreichischer Verein, der mit deutschen Künstlern Pauschalverträge schloss. Bei den Künstlern handelte es sich vorwiegend um Schauspieler, aber auch Musiker, die jeweils Gastauftritte in diversen Produktionen hatten. Das Finanzamt schrieb dem Verein die in § 99 Abs. 1 Z 1 EStG vorgesehene Abzugsteuer im Haftungswege vor. Der Beschwerdeführer führte aus, die haftungsmäßige Vorschreibung sei insoweit rechtswidrig, als Pauschalen notwendigerweise Vergütungen für Trainings und Proben beinhalte, diese zum Teil nicht in Österreich erfolgten und deshalb auch nicht als “Mitwirkung an Unterhaltungsdarbietungen im Inland ” der österreichischen Abzugssteuer unterworfen werden dürften. Strittig war also nicht das grundsätzliche Bestehen einer Abzugsverpflichtung, sondern vielmehr die Bemessungsgrundlage der Abzugssteuer.
Das BFG hielt zunächst fest, dass es der allgemeinen Lebenserfahrung entspricht, dass Künstler quantitativ mehr Zeit mit Probenarbeit und Vorbereitung verwenden müssen, als für ihre Auftritte. Der Hauptzweck der Tätigkeit der deutschen Künstler - so das BFG - lag in den Auftritten in Österreich, wobei als Nebenleistungen dazu die teilweise im Ausland (aber auch in Österreich) durchgeführte Vorbereitungs- und Probentätigkeit notwendig waren, die bei Künstlern einen integrierender Bestandteil ihrer Tätigkeit darstellen. Allerdings, wie das BFG weiter festhält, lässt sich daraus noch kein Aufteilungserfordernis der ausbezahlten Honorare auf einen In- und einen Auslandsteil ableiten. Das BFG widmet sich sodann einer Analyse des Art 17 des deutsch-österreichischen DBA und kommt zu dem Schluss, dass diese Verteilungsnorm auch Tätigkeiten wie Recherche, Proben und Training erfasst, sofern eine bestimmte Nahebeziehung zum Auftritt im Quellenstaat besteht. Schlussfolgernd hält das BFG fest, dass “bei Überwiegen der Einkünftezurechnung zur darstellerischen Tätigkeit in Österreich eine Besteuerung in Österreich zur Gänze vorzunehmen ist", sich aber auch “das Erfordernis einer Aufteilung der Einkünfte ergeben” kann. Im Ergebnis prüfte das BFG die Aufteilung sodann für jeden einzelnen vom Beschwerdeführer beauftragten Künstler anhand der besonderen Umstände des Einzelfalles (zB nach Art der Tätigkeit und aktiver Teilnahme an Auftritten).
FAZIT
Das Erkenntnis des BFG vom 26.06.2024, RV/7100138/72014 bestätigt einmal mehr, dass die Abzugsverpflichtung für Mitwirkung an Unterhaltungsdarbietungen im Inland nach § 99 Abs 1 Z 1 EStG äußerst komplexe Rechtsfragen mit sich bringen kann. Aus der Entscheidung lässt sich aber letztlich die Erkenntnis gewinnen, dass es hinsichtlich der Aufteilung von Pauschalhonoraren für Zwecke der Abzugssteuer auf eine Einzelfallbetrachtung ankommt. Ergibt sich aus faktischen Umständen, dass Teile der Vergütung für Tätigkeiten geleistet wurden, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit einer Unterhaltungsdarbietung im Inland stehen, unterliegt dieser Teil nicht der Abzugssteuer. Bei einem besonderen Naheverhältnis der Tätigkeiten, die mittelbar der Unterhaltungsdarbietung dienen (Proben, Training, Recherche und Sonstiges), schließt das BFG nicht aus, dass der gesamte Betrag der Abzugssteuer nach § 99 Abs 1 Z 1 EStG zu unterwerfen ist. Dennoch ist fraglich, ob dieses Ergebnis tatsächlich mit dem Wortlaut des Art 17 OECD MA oder im konkreten Fall Art 17 DBA Deutschland vereinbar ist, der eine persönliche Tätigkeitsausübung im Quellenstaat fordert.
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