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SOZIALVERSICHERUNG | Neues zur grenzüberschreitenden Telearbeit

Die zunehmende Globalisierung, insbesondere aber die COVID-19-Pandemie, führten zu raschen und gravierenden Veränderungen in der Arbeitswelt. Vor allem das Arbeiten im „Homeoffice“ wurde zusehends forciert. Diese Entwicklungen haben insbesondere im grenzüberschreitenden Bereich auch umfassende sozialversicherungsrechtliche Maßnahmen nach sich gezogen. Die Verwaltungskommission für die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit hatte daher bereits im Jahr 2020 Vereinfachungsregelungen für die Sozialversicherungszuordnung bei pandemiebedingter grenzüberschreitender Telearbeit erlassen, die nunmehr bis zum 30.6.2023 verlängert wurden. Zudem haben Österreich und Deutschland eine bilaterale Rahmenvereinbarung für gewöhnliche Telearbeit vereinbart.
 

Verlängerung der bestehenden Vereinfachungsregelung


Im Zuge der COVID-19-Pandemie hat Homeoffice bzw Telearbeit deutlich zugenommen. Um dieser besonderen Situation auch im Bereich der Sozialversicherung Rechnung zu tragen, wurde im Jahr 2020 für die EU/EWR-Staaten sowie die Schweiz eine Vereinfachungsregelung für grenzüberschreitende Telearbeit festgelegt. Diese Vereinfachungsregelung, wonach eine coronabedingt im Wohnsitzstaat des Arbeitnehmers ausgeübte Telearbeit zu keiner Änderung der bisherigen SV-Zuständigkeit führt, wurde nun erneut bis 30.6.2023 verlängert. Der Nachweis, dass es sich bei dieser Tätigkeit um eine „coronabedingte Leistung“ handelt, ist aber seit 1.7.2022 faktisch NICHT mehr erforderlich.

​​​​​​​Ab 1.7.2023 sollen sodann wieder die allgemeinen Regelungen gemäß EWG VO 883/2004 Anwendung finden (sofern zwischenzeitlich keine anderweitigen bilateralen Regelungen getroffen werden). Das bedeutet insbesondere die Verlagerung der SV-Zuständigkeit bei grenzüberschreitender Telearbeit in den Wohnsitzstaat des Arbeitnehmers, wenn ein wesentlicher Teil der beruflichen Tätigkeit in diesem Staat ausgeübt wird. Als "wesentlicher Teil" gelten 25% der Gesamttätigkeit, gemessen an der Arbeitszeit und/oder am Einkommen.
 

Bilaterale Rahmenvereinbarung bei gewöhnlicher Telearbeit zwischen Österreich und Deutschland


Im Falle von "gewöhnlich wiederkehrender grenzüberschreitender Telearbeit ist im Verhältnis zwischen diesen beiden Ländern seit 1.1.2023 der Sitzstaat des Arbeitgebers für die Sozialversicherung zuständig, wenn die Telearbeit im Wohnsitzstaat des Arbeitnehmers maximal 40 % der Arbeitszeit beträgt. Diese Sonderregelung erfordert allerdings einen gesonderten Antrag und kann grundsätzlich für zwei Jahre beantragt, danach allerdings auch verlängert werden. Zu beachten ist, dass die Antragstellung in jenem Land zu erfolgen hat, dessen Rechtsvorschriften gelten sollen. Bei Beantragung der Weiteranwendung der österreichischen Vorschriften ist der Antrag beim „Dachverband der Sozialversicherungsträger“ einzubringen. Anschließend findet eine Vorprüfung in Österreich statt und wird der Antrag dann an die zuständigen deutschen Behörden weitergeleitet. Bei positiver Antwort durch Deutschland informiert der Dachverband das betreffende Unternehmen sowie den zuständigen österreichischen Krankenversicherungsträger, der in weiterer Folge ein A1-Formular ausstellt.

In Fällen von über 40 % Telearbeit in Deutschland kann über das Sozialministerium ein regulärer Ausnahmeantrag zum Verbleib in der österreichischen Sozialversicherung (Art 16 VO 883/2004) gestellt werden, ein Rechtsanspruch auf Ausstellung besteht allerdings nicht.

In der Zeit von 1.1.2023 bis 30.6.2023 geht jedoch auch im Verhältnis zu Deutschland die allgemeine Vereinfachungsregelung vor (siehe oben). Damit würde selbst eine 100%-ige Telearbeit in Deutschland oder Österreich keine Änderung der SV-Zuständigkeit bewirken.

Verhandlungen sind offenbar auch mit den anderen Nachbarstaaten Österreichs geplant, um ähnliche Rahmenvereinbarungen zu erzielen. Dazu liegen jedoch bis dato noch keine Ergebnisse vor.
 

Temporäres Homeoffice entspricht einer Entsendung


In Fällen von nur vorübergehender, aber 100%iger Telearbeit in einem anderen EU/EWR-Staat hat die Verwaltungskommission nunmehr klargestellt, dass es sich hierbei ebenfalls um eine Entsendung im Sinne des Art 12 EWG VO 883/2004 handelt und es damit zu keiner Änderung der bisherigen Sozialversicherungszuständigkeit kommt. Dass dabei die Initiative für die Telearbeit vom Arbeitnehmer ausgeht, ist unschädlich für das Vorliegen einer solchen „Entsendung“.
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FAZIT

 

  • Bis 30.6.2023 sieht die Vereinfachungsregelung für grenzüberschreitende Telearbeit in EU/EWR-Staaten noch wesentliche Erleichterungen bei der Sozialversicherungszuordnung der betroffenen Arbeitnehmer vor.
     
  • Die Zeit bis dahin sollte genutzt werden, um die derzeit bestehenden bzw zukünftig geplanten grenzüberschreitenden Telearbeitsmodelle im Unternehmen zu evaluieren und zu kategorisieren. In diesem Zusammenhang ist davon auszugehen, dass bis 30.6.2023 eine Reihe von (weiteren) bilateralen Rahmenbedingungen geschaffen werden, die einen Weiterverbleib im bisherigen Sozialversicherungssystem des Arbeitgeberstaates auch dann ermöglichen, wenn die Telearbeit im Wohnsitzstaat des Arbeitnehmers die grundsätzlich maßgebliche 25%-Grenze übersteigt.
     
  • Diese Erleichterungen sind zweifellos zu begrüßen, allerdings wird mit den kommenden bilateralen Abkommen das bisher einheitliche Sozialversicherungskoordinationsrecht im EU/EWR-Raum in dieser Hinsicht auch erheblich komplexer werden.  


​​​​​​​Für Rückfragen zu diesem Themenbereich stehen Ihnen die Verfasser sowie auch die übrigen MitarbeiterInnen der Service Line "Global Employment Services​​​​​​​" jederzeit gerne zur Verfügung!