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VERFAHRENSRECHT | BMF konkretisiert Anspruch auf Beschwerdezinsen

Werden strittige Abgabenbeträge zunächst ausgesetzt und erweist sich deren Nachforderung letztlich als rechtmäßig, so sieht die Bundesabgabenordnung dafür zwingend die Festsetzung von Aussetzungszinsen vor. Umgekehrt erfolgen Abgabengutschriften im Zuge eines Rechtsmittelverfahrens in der Regel unverzinst. Abgabepflichtige tragen daher insoferne ein einseitiges Zinsrisiko. Jedoch sieht § 205a BAO die Möglichkeit vor, auf Antrag Zinsen für derartige Gutschriften festsetzen zu lassen (Beantragung von „Beschwerdezinsen“). Mit dem Beschwerdezinsenerlass vom 20.12.2022 regelt das BMF nunmehr die diesbezüglichen Anspruchsvoraussetzungen im Detail. Erfahren Sie im nachfolgenden Beitrag, unter welchen Voraussetzungen Ihnen Beschwerdezinsen zustehen und wie lange (uU auch für längst abgeschlossene Rechtsmittelverfahren) eine Antragstellung möglich ist.
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Gesetzliche Grundlagen


​​​​​​​Beschwerdezinsen gemäß § 205a BAO

​​​​​​​​​​​​​​Insoweit bereits entrichtete Abgabenschuldigkeiten, deren Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Bescheidbeschwerde abhängen, herabgesetzt werden, sind gem. § 205a BAO auf Antrag für den Zeitraum ab Entrichtung bis zur Bekanntgabe des die Abgabe herabsetzenden Bescheides bzw Erkenntnisses Zinsen festzusetzen („Beschwerdezinsen“).

Die Verzinsung erfolgt mit 2% pa über dem Basiszinssatz (derzeit 4,38% pa laut BMF-Erlass vom 03.02.2023), wobei Zinsen bis zu einem Betrag von 50 EUR nicht festgesetzt werden (Bagatellgrenze).

Der Gesetzgeber hat die Beschwerdezinsenregelung nunmehr - gem. § 205a Abs 3 letzter Satz BAO mit Wirkung ab 20.07.2022 – ausdrücklich als subsidiär gegenüber einer Anspruchs- oder Umsatzsteuerverzinsung erklärt: Beschwerdezinsen werden somit insoweit nicht festgesetzt, als für denselben Zeitraum Anspruchszinsen für Einkommen- oder Körperschaftsteuerbeträge (Gutschriftzinsen gem. § 205 BAO)  oder Umsatzsteuerzinsen gem. § 205c BAO anfallen (vgl zur neuen Umsatzsteuerverzinsung bereits unseren NL-Beitrag UMSATZSTEUER | Neue Verzinsung nach dem AbgÄG 2022!“ vom 25.07.2022). Bereits vor Inkrafttreten der nunmehr gesetzlich normierten Subsidiaritätsregelung ging die Rechtsprechung davon aus, dass es nicht die Intention des Gesetzgebers war, sowohl Gutschriftzinsen gem. § 205 BAO als auch Beschwerdezinsen gem. § 205a BAO zu gewähren (vgl. beispielsweise Erkenntnis des BFG vom 10.05.2021, RV/7100911/2021).

Auf Landes- und Gemeindeabgaben findet die Beschwerdezinsenregelung gem. § 205a BAO generell keine Anwendung (§ 205b BAO).
 

Detailregelungen


​​​​​​​Die Gewährung von Beschwerdezinsen erfolgt jedenfalls nicht von Amts wegen sondern nur auf Antrag. Die Festsetzung von Beschwerdezinsen ist also antragsgebunden und liegt nicht im Ermessen der Behörde.

Die wesentlichen Voraussetzungen für einen derartigen Antrag sind im Gesetz geregelt. Gemäß § 205a Abs 2 BAO hat ein Antrag auf Festsetzung von Beschwerdezinsen Folgendes zu enthalten:

  • die Bezeichnung der Bescheidbeschwerde, von deren Erledigung die Abgabenhöhe unmittelbar oder mittelbar abhängt,
  • die Bezeichnung des Bescheides bzw des Erkenntnisses, mit dem die entrichtete Abgabenschuldigkeit herabgesetzt wurde sowie
  • die für die Höhe der Bemessungsgrundlage der Zinsen maßgebenden Angaben.

Klarstellend und unter Berücksichtigung der Rechtsprechung ist dazu mit Geltung ab 20.12.2022 ein ausführlicher Beschwerdezinsenerlass ergangen (Erlass des BMF vom 20.12.2022, 2022-0.891.470, BMF-AV Nr. 2/2023). Nachfolgend möchten wir auf einige wichtige und interessante Aussagen in diesem neuen BMF-Erlass hinweisen:
 

Angaben zur Bemessung und Höhe der Beschwerdezinsen

Zu den maßgeblichen Angaben für die Höhe der Bemessungsgrundlage zählen lt. Beschwerdezinsenerlass insbesondere Angaben über den Tag der Entrichtung (zB Überweisungstag), Angaben über den Tag der Bekanntgabe (Zustellung) des die Abgabe herabsetzenden Bescheides oder Erkenntnisses bzw Angaben darüber, ob die Beschwerde gegen einen amtswegigen Bescheid oder gegen eine Abweichung von einem zu Grunde liegenden Anbringen gerichtet war (zB nicht erklärungsgemäße Veranlagung).

Beschwerdezinsen dürfen aufgrund der Antragsgebundenheit zudem nicht über den beantragten Betrag hinaus festgesetzt werden, selbst wenn dem Grunde nach ein höherer Betrag zustehen würde.

Die Berechnung der Zinsen hat mit einem Tageszinssatz zu erfolgen (gem. § 204 Abs 4 BAO).
 

Entrichtung einer Abgabenschuldigkeit

Der Beschwerdeverzinsung zugängliche Abgabenschuldigkeiten sind Beträge, die aufgrund von Abgaben- oder Haftungsbescheiden zu entrichten sind. Auch die Aufhebung eines Bescheides, aus dem sich eine Gutschrift ergeben hat, kann zu einer Nachforderung (und somit zu einer Abgabenschuldigkeit) führen.

Keine Beschwerdeverzinsung steht somit etwa für die verspätete Auszahlung einer Beihilfe (mangels „bereits entrichteter Abgabe“) zu. Gleiches gilt für Steuergutschriften, die erst im Rechtsmittelweg zuerkannt werden.

Abgabenansprüche herabsetzende Erledigungen

Der Beschwerdezinsenerlass stellt außerdem klar, dass mit einem eine „Abgabe herabsetzenden Bescheid bzw Erkenntnis“ iS § 205a Abs 1 BAO nicht bloß Beschwerdevorentscheidungen des Finanzamtes sowie über Beschwerden absprechende Erkenntnisse der Verwaltungsgerichte gemeint sind. Die Regelung kommt vielmehr auch bei einer Aufhebung durch das Verwaltungsgericht und Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde zur Anwendung. Auch bei Aufhebungen durch den VwGH oder VfGH können Beschwerdezinsen beantragt werden. Dies gilt ebenso, wenn sich die stattgebende Beschwerdeerledigung infolge einer Gesetzes- oder Verordnungsaufhebung des VfGH oder aufgrund einer Sachentscheidung des VwGH ergibt.

Daneben kommen auch noch andere innerhalb eines Beschwerdeverfahrens ergehende und die Abgabenschuld herabsetzende Bescheide für die Anwendung des § 205a BAO in Betracht, wenn sie dem Beschwerdebegehren im Ergebnis Rechnung tragen (zB Erlassung eines neuen Sachbescheides in Verbindung mit einer vorhergehenden Aufhebung binnen Jahresfrist gem. § 299 BAO).
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Antragsfrist

Eine Befristung des Antragsrechts auf Geltendmachung von Beschwerdezinsen ist in § 205a BAO nicht ausdrücklich vorgesehen. Laut Beschwerdezinsenerlass ergibt sich eine solche jedoch mittelbar aus der zu beachtenden Bemessungsverjährung, die gem. § 207 Abs 2 BAO für „übrige Abgaben“ fünf Jahre beträgt. Die Frist beginnt mit Ablauf des Jahres zu laufen, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist, somit mit Ablauf jenes Jahres, in dem die eine Abgabe herabsetzende Erledigung bekannt gegeben wurde. Wird ein entsprechender Antrag vor Eintritt der Bemessungsverjährung gestellt, so ist ihm auch noch nach zwischenzeitigem Eintritt der Verjährung zu entsprechen.

Beispiel: Erhält man etwa im Jahr 2027 ein stattgebendes Erkenntnis des BFG über eine Bescheidbeschwerde zum Körperschaftsteuerbescheid 2021 (Regelwirtschaftsjahr), so beginnt die Antragsfrist mit Ablauf des 31.12.2027 zu laufen und endet daher am 31.12.2032 (wegen fünfjähriger Bemessungsverjährungsfrist). - Ungeachtet der grundsätzlichen Möglichkeit, Beschwerdezinsen zu beantragen, gilt es in diesem Beispielfall zu beachten, dass für Körperschaftsteuergutschriften ab Oktober des Folgejahres (für 2021 sohin ab 01.10.2022) für einen Zeitraum von längstens 48 Monaten (sohin bis zum 30.09.2026) Anspruchszinsen gem. § 205 BAO gewährt werden und für diesen Zeitraum daher keine Beschwerdezinsen gebühren.


FAZIT


​​​​​​​Der Beschwerdezinsenerlass des BMF vom 20.12.2022 stellt nunmehr klar, unter welchen Voraussetzungen Beschwerdezinsen gebühren und was es für einen diesbezüglichen Antrag zu beachten gilt.

Haben oder hatten Sie ein Rechtsmittelverfahren zu führen und resultiert daraus (voraussichtlich) eine Abgabengutschrift, so steht Ihnen womöglich eine Verzinsung derselben zu (derzeit iHv 4,38% pa). Auch wenn eine Rechtsmittelentscheidung schon eine Weile zurück liegt, lohnt es sich aufgrund der Verjährungsfrist von fünf Jahren, über einen derartigen Antrag nachzudenken.

Weiters ist zu beachten, dass Beschwerdezinsen auf Abgabengutschriften infolge eines erfolgreich geführten Rechtsmittels nicht von Amts wegen zuerkannt werden, sondern stets eines fristgerechten Antrages bedürfen, wobei wir Ihnen natürlich gerne behilflich sind.

Für weitere Fragen zu diesen oder ähnlichen verfahrensrechtlichen Themen stehen Ihnen die Verfasser mit den Team der Service Line "Tax Controversy" gerne zur Verfügung!
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