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UMSATZSTEUER | Neue Verzinsung nach dem AbgÄG 2022!

Die Verzinsung von verspätet ausbezahlten Umsatzsteuerguthaben war in Österreich bisher nur im Rahmen von Vorsteuererstattungsverfahren vorgesehen oder im Zuge von Rechtsmittelverfahren durch sog. Beschwerdezinsen möglich. Gesetzlich geregelte Anspruchszinsen im Bereich der Umsatzsteuer gab es hingegen bisher nicht. Deshalb hatte der EuGH den österreichischen VwGH bereits im letzten Jahr aufgefordert, das beste-hende innerstaatliche Recht unionsrechtskonform dahingehend auszulegen, dass trotz Fehlens expliziter Rechtsnormen ein etwaiger finanzieller Verlust durch verspätete Auszahlung von Vorsteuerguthaben vermieden und sohin die Neutralität der Mehrwertsteuer im Unternehmensbereich gewahrt wird. Im Rahmen des Abgabenänderungsgesetzes 2022 wird die bisherige Regelungslücke durch die Einführung von eigenen „Umsatzsteuerzinsen“ gemäß § 205c BAO geschlossen, wodurch allerdings künftig nicht nur überfällige Gutschriften sondern auch Nachforderungen zu verzinsen sind. Im nachfolgenden Beitrag stellen wir die Wirkungsweise der Umsatzsteuerzinsen dar und zeigen auf, dass die neuen Regelungen nicht nur positive Effekte für betroffene Unternehmen zeitigen.

 

Rechtsentwicklung zur Verzinsung überfälliger Umsatzsteuerguthaben


​​​​​​​Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat die im Lichte der grundsätzlichen Neutralität der Mehrwertsteuer im Unternehmensbereich gebotene Verzinsung von verspätet ausbezahlten Umsatzsteuerguthaben (Vorsteuerüberhang) bereits mehrfach thematisiert, worüber wir auch im Rahmen unseres Newsletters schon mehrmals berichtet hatten. Dabei ging es zunächst um die Frage, ob ein steuerpflichtiger Unternehmer im Falle einer Umsatzsteuerprüfung ein Anrecht darauf hat, dass der vorübergehend nicht ausbezahlte Vorsteuerbetrag verzinst wird (EuGH-Urteil vom 14.5.2020, C-446/18, Rs Agrobet; siehe dazu bereits unseren NL-Beitrag „UMSATZSTEUER I Auszahlung von Vorsteuerguthaben in Prüfungsfällen? vom 15.9.2020). Weiters wurde das - zwei österreichische Vorlagefälle betreffende - EuGH-Urteil vom 12.5.2021, C-844/19, „CS und technoRent International GmbH“, dahingehend beleuchtet, ob für einen Unternehmer die Möglichkeit der Verzinsung von zu spät ausbezahlten Vorsteuerguthaben gegeben ist (siehe dazu unseren NL-Beitrag „UMSATZSTEUER I Verzinsung für verspätete Steuergutschriften?“ vom 16.6.2021). Das grundsätzliche Recht auf Verzugszinsen für verspätet ausgezahlte Umsatzsteuerguthaben wurde demgemäß auch bereits durch den österreichischen Verwaltungsgerichtshof bejaht (VwGH vom 30.6.2021, Ro 2017/15/0035; siehe dazu unseren NL-Beitrag „UMSATZSTEUER | VwGH bestätigt Verzinsung überfälliger USt-Guthaben!“ vom 21.9.2021).

Das österreichische Abgaben(verfahrens)recht sah bisher aber lediglich die Verzinsung von Nachzahlungen und Guthaben bei den Ertragsteuern vor (sog. „Anspruchszinsen“ für ESt und KöSt gemäß § 205 BAO). Im Bereich der Umsatzsteuer bestand bis dato nur die Möglichkeit, im Rahmen eines Rechtsmittelverfahrens sog. „Beschwerdezinsen“ gemäß § 205a BAO geltend zu machen. Weiters gibt es für nicht registrierte ausländische Unternehmer - basierend auf der Verordnung BGBl 1995/279 - auch den rechtlichen Anspruch auf Säumnisabgeltung für verspätet ausbezahlte Vorsteuerguthaben resultierend aus einem Rückerstattungsantrag. Was bisher jedoch fehlte, war eine Verzinsungsregelung für Umsatzsteuerguthaben bzw -zahllasten im Rahmen des normalen Veranlagungsverfahrens eines zur Umsatzsteuer registrierten Unternehmers.

Im Rahmen des kürzlich veröffentlichten Abgabenänderungsgesetz 2022 (AbgÄG 2022 – BGBl I Nr. 108/2022, kundgemacht am 19.7.2022) erfolgte ua auch eine umfangreiche Novellierung der Bundesabgabenordnung, wobei in einem eigenen § 205c BAO nunmehr neue Regelungen für „Umsatzsteuerzinsen“ kodifiziert wurden, die einerseits eine Verzinsung von Umsatzsteuer-Guthaben (Gutschriften) sowie andererseits auch für -Zahllasten (Nachforderungen) vorsehen. Durch diese neuen Verzinsungsregelungen sollen insbesondere auch die Vorgaben des EuGH aus dem oa Urteil „CS und technoRent International GmbH“ im nationalen Recht berücksichtigt und damit die bisherige Regelungslücke für Zinsenansprüche im umsatzsteuerlichen Veranlagungsverfahren geschlossen werden:
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NEU: Umsatzsteuerzinsen gemäß § 205c BAO

In § 205c Abs. 1 Z 1 BAO ist vorgesehen, dass Gutschriften

  • ab dem 91. Tag nach Einlangen einer Voranmeldung (UVA) bis zur Verbuchung des Überschusses auf dem Abgabenkonto
  • bzw aufgrund einer Abgabenfestsetzung (Überschuss wurde geltend gemacht) zwischen dem 91. Tag nach Einlangen der UVA bis zur Bekanntgabe des Bescheides bzw Erkenntnisses zu verzinsen sind.
  • Gutschriften aufgrund einer Abgabenfestsetzung infolge einer Umsatzsteuerjahreserklärung (Überschuss wurde geltend gemacht) sind ab dem 91. Tag nach Einlangen der Jahreserklärung bis zur Bekanntgabe des Bescheides bzw. Erkenntnisses zu verzinsen.

Im Falle von Nachforderungen sieht § 205c Abs. 1 Z 2 BAO vor, dass

  • eine Vorauszahlung, die sich aus einer verspätet eingereichten Voranmeldung ergibt, ab dem 91. Tag nach Fälligkeit der Vorauszahlung bis zum Einlangen der Voranmeldung
  • bzw eine Nachforderung aufgrund einer Abgabenfestsetzung ab dem 91. Tag nach Fälligkeit der Vorauszahlung bis zur Bekanntgabe des Bescheides bzw Erkenntnisses zu verzinsen ist.
  • Nachforderungen aufgrund einer Abgabenfestsetzung infolge einer Umsatzsteuerjahreserklärung sind hingegen ab dem 1. Oktober des Folgejahres bis zur Bekanntgabe des Bescheides bzw Erkenntnisses zu verzinsen.​​​​​​​

Darüber hinaus sind gemäß § 205c Abs. 2 BAO auch Unterschiedsbeträge an Umsatzsteuer, die sich aus der Differenz eines Festsetzungsbescheides oder Umsatzsteuerjahresbescheides und einem nachträglichen Bescheid oder Erkenntnis ergeben, nach einer gesonderten Logik für Gutschriften (insoweit als der Überschuss geltend gemacht wurde) und Nachforderungen zu verzinsen.

Die Umsatzsteuerzinsen müssen mindestens 50 EUR betragen. Wird dieser Betrag unterschritten, unterbleibt eine Festsetzung von Umsatzsteuerzinsen. Der Zinssatz beträgt 2% pa über dem aktuellen Basiszinssatz (Hinweis: ab 27.7.2022 somit Erhöhung auf 1,88 % pa). Die Verzinsung von Gutschriften kann gemäß § 205c Abs. 4 BAO versagt werden, sofern der Abgabenpflichtige seiner Mitwirkungspflicht (Vorlage von Unterlagen, Erteilung von Auskünften) nicht innerhalb der gesetzten Frist nachkommt.

Die Umsatzsteuerzinsen werden mittels gesondertem Zinsenbescheid festgesetzt. Nachforderungszinsen sind einen Monat ab Bescheidzustellung fällig (vgl § 210 Abs 1 BAO). Gutschriften werden am Tag der Zustellung des Zinsbescheides wirksam. Sollte eine Beschwerde gegen einen Umsatzsteuerbescheid eingebracht werden, kommt auch eine Aussetzung der Einhebung von Umsatzsteuerzinsen in Betracht.

Inkrafttretensbestimmungen: Für Nachforderungen, die sich aus der Veranlagung ergeben, ist die Neuregelung ab dem Veranlagungsjahr 2022 anzuwenden. Ergeben sich Nachforderungen hingegen aus der laufenden Einreichung von UVA, ist die neue Regelung auf jene Zeiträume anwendbar, bei denen der Fälligkeitstag nach dem 20.7.2022 liegt (Inkrafttreten nach Kundmachung). Im Falle von Gutschriften sind die Neuregelungen des § 205c BAO hingegen auf alle am Tag nach der Kundmachung noch offenen Verfahren anzuwenden.

Zum besseren Verständnis sollen die rechtlichen Konsequenzen des neuen § 205c BAO anhand der nachfolgenden Beispiele dargestellt werden:
 

Verzinsung von Gutschriften/Nachforderungen aus Einreichung von UVA


Unternehmer reicht UVA mit Guthaben ein

Ein Unternehmer reicht am 15.05.2023 die UVA 03/2023 mit einem Überschuss iHv 15.000 EUR ein. Seitens des Finanzamtes wird die Gutschrift für die Periode 03/2023 erst am 22.11.2023 verbucht. -->

Das VSt-Guthaben ist ab 14.08.2023 (91. Tag nach Einreichung UVA) bis einschließlich 22.11.2023 zu verzinsen.
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Variante: Abweichende Festsetzung durch Finanzamt

​​​​​​​Wenn das Finanzamt nur einen Teil des beantragten Vorsteuerguthabens anerkennt, ist auch nur dieser Teil Bemessungsgrundlage für die Zinsen. -->

Wird daher die Gutschrift der UVA 03/2023 seitens dem FA nur in Höhe von 10.000 EUR festgesetzt, ist nur der Betrag von 10.000 EUR ab 14.08.2023 zu verzinsen.
 

Nachforderungen aus verspätet eingereichter UVA

Wird vom Unternehmer eine UVA mit daraus resultierender Umsatzsteuerzahllast verspätet eingereicht, sind ab dem 91. Tag nach Fälligkeit bis zur Einreichung der UVA Umsatzsteuerzinsen zugunsten der Finanzbehörde zu erheben:

  • Der Unternehmer reicht am 28.02.2023 die UVA für 08/2022 mit einer Zahllast iHv 8.000 EUR verspätet ein. --> Umsatzsteuerzinsen sind ab 16.01.2023 (91. Tag nach Fälligkeit UVA 08/2022) bis 28.02.2023 vorzuschreiben.


Abgabenfestsetzung durch Finanzamt

Wird vom Unternehmer ein Überschuss gemeldet, seitens der Behörde jedoch stattdessen eine Zahllast festgesetzt, sind ab dem 91. Tag nach Fälligkeit der Zahllast Umsatzsteuerzinsen zu bezahlen:

  • Der Unternehmer reicht am 15.05.2023 die UVA 03/2023 mit einem Überschuss von 14.000 EUR ein, seitens dem FA wird am 08.09.2023 jedoch eine Zahllast iHv 2.000 EUR für die Periode 03/2023 festgesetzt. --> Es erfolgt die Festsetzung von Umsatzsteuerzinsen (Bemessungsgrundlage: 2.000 EUR) für den Zeitraum 14.08.2023 bis 08.09.2023.
     

Verzinsung von Gutschriften/Nachforderungen aus USt-Jahreserklärungen


Ergibt sich für den Unternehmer eine Gutschrift aufgrund der Umsatzsteuerjahreserklärung, erfolgt die Verzinsung ab dem 91. Tag nach Einlagen der Erklärung bis zur Bekanntgabe des Bescheides durch das Finanzamt:

  • Der Unternehmer reicht am 15.05.2023 die USt-Jahreserklärung für 2022 mit einem Überschuss iHv 30.000 EUR ein. Der Bescheid des FA ergeht erst am 12.10.2023. --> Für den Zeitraum von 14.08.2023 bis 12.10.2023 sind Umsatzsteuerzinsen (Bemessungsgrundlage 30.000 EUR) zu leisten.

Kommt es im Zuge der USt-Erklärung hingegen zu einer Nachforderung, sind ab dem 1. Oktober des Folgejahres bis zur Bekanntgabe der Nachforderung durch die Behörde Umsatzsteuerzinsen zulasten des Unternehmers zu verhängen:

  • Der Unternehmer reicht am 26.06.2023 die USt-Jahreserklärung für 2022 ein (Zahllast 8.000 EUR). Der Bescheid des Finanzamtes ergeht am 21.10.2023. --> Für den Zeitraum von 1.10.2023 bis 21.10.2023 sind Umsatzsteuerzinsen zu verhängen.
     

Verzinsung von Differenzbeträgen aufgrund nachträglicher Bescheide


Zu beachten ist, dass die Erlassung eines USt-Jahresbescheides einen bereits zuvor ergangenen Festsetzungsbescheid außer Kraft setzt. Mit anderen Worten entfalten Festsetzungsbescheide ab dem Zeitpunkt der Erlassung des Veranlagungsbescheides (Änderungsbescheides) keine Rechtswirkungen mehr.

Ergibt sich eine Gutschrift aufgrund eines Änderungsbescheides, ist diese Gutschrift ab dem 91. Tag nach Einreichung der UVA zu verzinsen, sofern noch kein Bescheid über die USt-Jahreserklärung ergangen war. Wenn hingegen bereits der Bescheid über die USt-Jahreserklärung erlassen wurde, beginnt die Verzinsung ab dem 91. Tag nach Einreichung der USt-Jahreserklärung. In beiden Fällen endet die Verzinsung durch Bekanntgabe des Änderungsbescheides bzw des Erkenntnisses.

Vice Verca beginnt die Zinsenberechnung im Falle von Nachforderungen ab dem 91. Tag nach der Fälligkeit der Vorauszahlung bzw ab dem 1. Oktober des Folgejahres, wenn bereits ein Bescheid über die USt-Jahreserklärung ergangen ist. Die Bekanntgabe des Bescheides bzw des Erkenntnisses markiert wiederum das Ende des Zinsenlaufs:

  • Der Unternehmer reicht am 20.02.2023 die USt-Jahreserklärung für 2021 ein (Überschuss iHv 12.000 EUR). Gemäß Veranlagungsbescheid vom 10.03.2023 wird jedoch nur eine Gutschrift iHv 7.000 EUR zuerkannt. Dagegen wird ein Rechtsmittel erhoben, der Beschwerde wird durch Beschwerdevorentscheidung am 09.10.2023 vollinhaltlich stattgegeben. --> Ab 22.05.2023 (91. Tag nach Einreichung der USt-Jahreserklärung) bis 09.10.2023 (Bescheidbekanntgabe) sind für den Unterschiedsbetrag iHv 5.000 EUR Umsatzsteuerzinsen zu leisten.

Variante (Nichtstattgabe der Beschwerde, stattdessen Verböserung, Höchstgericht stellt Nachforderung fest):

  • Der Beschwerde des Unternehmers wird NICHT stattgegeben, stattdessen bestätigt das BFG eine Nachforderung, die auch im Rahmen einer Revision vor dem VwGH nicht mehr abgeändert wird. Die Nachforderung beträgt 10.000 EUR. --> Ab dem 22.05.2023  (91. Tag nach Einreichung der USt-Jahreserklärung) bis zum Erkenntnis des VwGH fallen zulasten des Unternehmers Umsatzsteuerzinsen für die im Rechtsmittelverfahren unveränderte Nachforderung an.
     

FAZIT


​​​​​​​Aufgrund der vorausgegangenen Rechtsprechung war es absehbar und ist grundsätzlich zu begrüßen, dass nunmehr auch eine eigene Regelung fürUmsatzsteuerzinsen“ durch den neuen § 205c BAO idF AbgÄG 2022 gesetzlich verankert wurde.

Der österreichische Gesetzgeber musste aufgrund des Europäischen Gerichtshofes (EuGH-Urteil „CS und technoRent International GmbH“ vom 12.5.2021) gesetzliche Rahmenbedingungen für die Verzinsung von Vorsteuerguthaben bei verspäteter Auszahlung schaffen. Ohne eine explizite gesetzliche Regelung wäre in naher Zukunft mit einer Vielzahl höchstgerichtlicher Einzelfallentscheidungen zu rechnen gewesen, da letzten Endes der VwGH für eine unionsrechtskonforme Interpretation der nationalen Gesetze in die Verantwortung genommen worden wäre.

Das Regime des neuen § 205c BAO kann sich allerdings auch zulasten des Unternehmers auswirken, da nunmehr auch eine Verzinsung von Umsatzsteuernachzahlungen zugunsten der Finanzverwaltung vorgesehen ist.

Aufgrund der unterschiedlichen Fallkonstellationen und Verzinsungsregeln sowohl für Gutschriften wie auch für Nachforderungen sind die neuen Vorschriften insgesamt doch relativ komplex (wie den obigen Beispielen zu entnehmen ist). Auch die unterschiedlichen Inkrafttretensbestimmungen sind im Detail zu beachten. Bereits zuvor bestehende Regelungen über sonstige Rechtsfolgen (zB Säumnis- und Verspätungszuschläge) bleiben durch den neuen § 205c BAO unberührt.

Für weitergehende Fragen zu diesem Themenkomplex stehen Ihnen die Verfasser sowie auch die übrigen ExpertInnen der Service Line "Indirect Tax & Customs​​​​​​​" gerne zur Verfügung!