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VERFAHRENSRECHT | Erleichterungen bei der Verfahrenswiederaufnahme

Grubmüller Michael  |  Presslmayer Elisabeth

Sie haben Betriebsausgaben oder Vorsteuern in der Steuererklärung vergessen und die Veranlagung ist bereits rechtskräftig? Kein Grund zur Sorge! Das Bundesfinanzgericht hat seine bisherige Rechtsprechung geändert: Künftig kommt es für eine Wiederaufnahme des Verfahrens lediglich darauf an, ob eine Tatsache aus Sicht der Abgabenbehörde neu ist!

Ein bereits abgeschlossenes Verfahren kann unter gewissen Voraussetzungen wiederaufgenommen werden. Auf diese Weise können etwa unrichtige Steuererklärungen auch noch nach Rechtskraft des Bescheides korrigiert werden. Gemäß § 303 Abs 1 lit b BAO  kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren „neu hervorgekommen“ sind. Seit Novellierung der Tatbestände für die Wiederaufnahme auf Antrag durch das Verwaltungsgerichtsbarkeitsgesetz 2012 herrschte allerdings Unklarheit darüber, aus wessen Sicht zu beurteilen ist, ob eine Tatsache als neugilt.

Das Bundesfinanzgericht (BFG) hatte bereits in zwei Erkenntnissen entschieden, dass das Hervorkommen neuer Tatsachen aus Sicht des Abgabenpflichtigen zu beurteilen sei. Diese Rechtsansicht würde aber eine  vom Steuerpflichtigen beantragte Wiederaufnahme zu seinen Gunsten erheblich erschweren, da beispielsweise ein bloß versehentlich unterlassener Vorsteuer- oder Betriebsausgabenabzug aus Sicht des für den Fehler selbst verantwortlichen Steuerpflichtigen keine Neuheit darstellen würde. Abgabenpflichtige wären diesfalls nämlich stets mit dem Einwand konfrontiert, dass sie ja von den selbst verwirklichten Sachverhalten (zB getätigten Ausgaben) sehr wohl Kenntnis hatten.

In einer Senatsentscheidung hat das BFG nunmehr eine Kehrtwende zu seiner bisherigen Rechtsprechung hingelegt und entschieden, dass vielmehr auf den Kenntnisstand der Abgabenbehörde abzustellen sei: Der Umstand, dass der Abgabenpflichtige selbst von einer in seinem Wiederaufnahmeantrag „neu“ hervorgebrachten Tatsache bereits zuvor Kenntnis hatte, ist hingegen für eine Wiederaufnahme unschädlich, solange sie für die Finanzverwaltung eine Neuheit darstellt.

Waren bestimmte Tatsachen auf Grund der Aktenlage der Behörde (zB fehlerhafte Erklärungen) nicht bekannt, so gelten diese folglich als neu hervorgekommen und stellen demgemäß einen tauglichen Wiederaufnahmegrund dar.

Eine Wiederaufnahme nach § 303 BAO darf daher nicht grundsätzlich verwehrt werden. In besonders groben Fällen kann jedoch die Behörde, im Rahmen ihrer Ermessensübung, eine Verfahrenswiederaufnahme dennoch verwehren, etwa wenn den Abgabepflichtigen an der ursprünglichen Nichtvorbringung der neuen Tatsache ein entsprechendes Verschulden trifft  oder eine wiederholte vorsätzliche (!) Verletzung von abgabenrechtlichen Pflichten vorliegt.

Conclusio

Künftig kommt es für eine Wiederaufnahme des Verfahrens also darauf an, ob eine neu vorgebrachte Tatsache aus Sicht bzw nach der Aktenlage der Finanzverwaltung eine Neuheit darstellt. Die allfällige Kenntnis seitens des Steuerpflichtigen ist für eine Verfahrenswiederaufnahme hingegen grundsätzlich unschädlich und darf selbige aus diesem Grund daher nicht verwehrt werden. Eine nachträgliche Geltendmachung etwa vergessener Vorsteuer- oder Betriebsausgabenabzüge nach Eintritt der Rechtskraft der betreffenden Abgabenbescheide bzw nach Ablauf der einjährigen Aufhebungsfrist gemäß § 299 BAO wird dadurch in Hinkunft erheblich erleichtert.

Für weitere Fragen im Einzelfall oder für die Hilfestellung bei Wiederaufnahmeanträgen stehen Ihnen die Verfasser natürlich gerne zur Verfügung!