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CORONAVIRUS | Kurzarbeit auch für Grenzgänger?

Viele österreichische Unternehmen im Grenzgebiet beschäftigen ausländische Mitarbeiter, die täglich zur Arbeit nach Österreich pendeln (sog. „Grenzgänger“). Österreich hat zwar im Zuge der Corona-Krise gegenüber den meisten Nachbarländern Grenzkontrollen eingeführt, der Pendlerverkehr ist aber grundsätzlich auch weiterhin möglich. Demgegenüber führen manche Nachbarländer ihrerseits Ausreisebeschränkungen für Pendler nach Österreich ein (so etwa Tschechien seit 26.3.2020). Es ist aber davon auszugehen, dass der Pendlerverkehr – wenngleich eingeschränkt  - auch während der Corona-Krise aufrecht bleiben wird. Dies führt zu der grundsätzlichen Frage, ob das in Österreich neu eingeführte Corona-Kurzarbeitsmodell auch für Grenzgänger zur Anwendung kommen kann? Und wenn ja, welche Besonderheiten sind in diesem Zusammenhang zu beachten? Mit diesen Fragen setzt sich der nachfolgende Beitrag auseinander.

Im Rahmen unserer CORONA-Newsletter-Sonderserie haben wir ua auch bereits wesentliche Fragen im internationalen Steuerrecht, insbesondere auch die sog. „Grenzgänger“ betreffend, angesprochen (vgl unseren NL-Beitrag „CORONAVIRUS | Steuerliche Auswirkungen im internationalen Geschäft“ vom 23.3.2020). Schon mehrfach und daher relativ umfassend haben wir Sie aber über das für sehr viele Unternehmen wichtige Thema der neuen CORONA-Kurzarbeit informiert (vgl dazu zuletzt unseren NL-Beitrag „CORONAVIRUS | KURZARBEIT – Neue Sozialpartnervereinbarung!“ vom 28.3.2020). 

Der nachfolgende Beitrag soll nun die neue CORONA-Kurzarbeit im Kontext mit Grenzgängerregelungen vertiefen:

Kann Corona-Kurzarbeit auch für Grenzgänger aus Nachbarstaaten beantragt werden?

Ja, auch für Grenzgänger kann Corona-Kurzarbeit beantragt werden! Denn nach Art 65 Abs 1 der EWG VO 883/2004 sind Kurzarbeitsleistungen von jenem EU-Mitgliedstaat zu leisten, der für die Sozialversicherung des Mitarbeiters zuständig ist. Da Grenzgänger im Regelfall der österreichischen Sozialversicherung unterliegen, ist diesfalls Österreich - und nicht der Wohnsitzstaat des Grenzgängers – zur Leistung verpflichtet.

Ist die AMS-Pauschalsatztabelle auch für die Berechnung von Kurzarbeitsbeihilfen für Grenzgänger anwendbar?

Bei Grenzgängern aus Deutschland, Liechtenstein oder Italien ist zu beachten, dass bei Erfüllung der jeweiligen abkommensrechtlichen Grenzgängerkriterien das Besteuerungsrecht an den Arbeitnehmereinkünften im Wohnsitzstaat des Grenzgängers verbleibt. Pendelt daher zum Beispiel ein in Freilassing (deutscher Grenzort) lebender Grenzgänger täglich zum österreichischen Arbeitgeber nach Salzburg (österreichischer Grenzort), so darf ausschließlich Deutschland die Einkünfte aus dem österreichischen Dienstverhältnis besteuern. In der österreichischen Lohnverrechnung darf der Arbeitnehmer daher lohnsteuerfrei gestellt werden. In Zusammenhang mit der Corona-Kurzarbeit ist zu beachten, dass die vom AMS veröffentlichten „COVID-19-Kurzarbeit Pauschalsatztabellen“ zur Berechnung der Kurzarbeitsbeihilfe (siehe dazu unseren NL-Beitrag „CORONAVIRUS | KURZARBEIT – Neue Richtlinie und Formulare!“ vom 26.3.2020 bzw unter diesem LINK) davon ausgehen, dass Lohnsteuerpflicht in Österreich besteht. Dies ist bei den obigen Grenzgängern aber eben NICHT der Fall. Unseres Erachtens lassen es aber praktische Überlegungen als vertretbar erscheinen, für Zwecke der Berechnung von Kurzarbeitsbeihilfen für die oa Grenzgänger von einer fiktiven Lohnsteuerpflicht in Österreich auszugehen. Dies würde es ermöglichen, auch für Grenzgänger die tabellarischen Pauschalwertsätze für die Berechnung der Kurzarbeitsbeihilfe heranzuziehen. Eine ehestmögliche diesbezügliche Klarstellung durch das AMS - etwa in den Erläuterungen zur Pauschalsatztabelle - wäre begrüßenswert.

Welches Land hat das Besteuerungsrecht für die Kurzarbeitsunterstützung von Grenzgängern?

§ 37b AMS-Gesetz sieht als Voraussetzung zur Erlangung der Kurzarbeitsbeihilfe vor, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Kurzarbeitsunterstützung für die entfallenden Arbeitsstunden zu leisten hat. Die Besonderheit liegt darin, dass der Arbeitgeber damit also letztlich Arbeitslohn für Nichtleistungszeiten zu zahlen hat. Im Rahmen der monatlichen Lohnverrechnung stellt sich damit bei Grenzgängern die praktische Frage, ob die ausbezahlte Kurzarbeitsunterstützung der österreichischen Steuerpflicht (=Lohnsteuerabzug notwendig) oder der Steuerpflicht im Wohnsitzstaat des Grenzgängers unterliegt (=Freistellung vom Lohnsteuerabzug möglich, der Arbeitnehmer hat diesfalls die Einkünfte aus der Kurzarbeitsunterstützung in seinem Wohnsitzstaat zu erklären). Leider gibt es auch zu dieser Frage bis dato noch keine expliziten Aussagen der Finanzverwaltung. Jedoch:

Unseres Erachtens ist zumindest bei deutschen Grenzgängern davon auszugehen, dass das Besteuerungsrecht an der Kurzarbeitsunterstützung Österreich zukommt. Dies ergibt sich aus einem Verständigungsverfahren, das die österreichische und die deutsche Finanzverwaltung 2012 zur steuerrechtlichen Behandlung von Kurzarbeitergeld nach dem deutschen Sozialgesetzbuch geschlossen haben.[1] Nach dieser Verständigungsvereinbarung sind Zahlungen, die einem in Österreich ansässigen Grenzgänger von seinem deutschen Arbeitgeber unter dem Titel "Kurzarbeitergeld", welches dem Arbeitgeber von der deutschen Agentur für Arbeit erstattet wird, zufließen, als Bezüge aus der gesetzlichen Sozialversicherung im Sinne von Art 18 Abs 2 DBA Österreich-Deutschland zu qualifizieren. Da auch die Kurzarbeitsunterstützung nach dem Corona-Kurzarbeitsmodell - in den meisten Fällen zumindest weitgehend - dem Arbeitgeber vom AMS in Form der Kurzarbeitsbeihilfe erstattet wird, ist uE davon auszugehen, dass die Aussagen der Verständigungsvereinbarung auch für den hier vorliegenden Umkehrfall einer österreichischen Kurzarbeitsunterstützung gelten. Zur allgemeinen Grenzgängerthematik zwischen Österreich und Deutschland dürfen wir auch auf unseren NL-Beitrag „DEUTSCHLAND | Konsultationsvereinbarung zur DBA-Grenzgängerregelung“ vom 8.5.2019 verweisen.

Bei Grenzgängern aus anderen Nachbarstaaten ist die Frage des Besteuerungsrechts an der Kurzarbeitsunterstützung bislang noch ungeklärt. Die entsprechenden Doppelbesteuerungsabkommen (DBA mit Italien, Liechtenstein, Schweiz, Ungarn, Slowakei, Tschechien und Ungarn) sehen für Zahlungen aus der gesetzlichen Sozialversicherung keine sog. „Kassenstaatsregel“ wie mit Deutschland vor. Entscheidend für die Zuteilung des Besteuerungsrechts wird daher sein, ob man im Sinne des Kausalitätsprinzips von einem Besteuerungsrecht des Tätigkeitsstaats Österreich im Rahmen der Einkünfte aus unselbständiger Arbeit oder vom Vorliegen "anderer Einkünfte" (Besteuerungsrecht des Wohnsitzstaates) ausgeht. Auch hier wäre eine möglichst rasche Klarstellung durch das BMF begrüßenswert, damit die Abrechnung von Kurzarbeitsmodellen auch für Grenzgänger rechtssicher durchgeführt werden kann.

FAZIT

Auch Grenzgänger aus den Nachbarstaaten Österreichs können grundsätzlich in das Corona-Kurzarbeitsmodell einbezogen werden. Unseres Erachtens sollte für die Ermittlung der Höhe der Kurzarbeitsbeihilfe auch in diesem Fall – aus Vereinfachungsgründen, unabhängig vom tatsächlichen Bestehen einer Steuerpflicht in Österreich - auf die bereits veröffentlichte AMS-Pauschalsatztabelle abgestellt werden können. Spätestens im Rahmen der Lohnverrechnung ist dann aber zu entscheiden, ob für die Kurzarbeitsunterstützung tatsächlich ein Lohnsteuerabzug zu erfolgen hat. Dies wird für deutsche Grenzgänger aufgrund der Kassenstaatsregel der Fall sein, für Grenzgänger aus anderen Ländern ist auf eine rasche Klarstellung durch die Finanzverwaltung zu hoffen. Im Zweifelsfall wird aufgrund des Lohnsteuerhaftungsrisikos für den Arbeitgeber ein Lohnsteuereinbehalt die sichere Variante sein. 

Gerne unterstützen Sie die MitarbeiterInnen der Service Line "Global Employment Services​​​​​​​" bei allen Lohnverrechnungsfragen rund um die neue „Abrechnungsherausforderung“ Corona-Kurzarbeit.

Wir möchten Sie auch auf unser aktuelles WEBINAR zu den wesentlichen arbeits- und lohnsteuerrechtlichen Themen bzw zur Lohnverrechnung in derCORONA-Krise“ hinweisen, wofür es bereits am 31.3.2020 den nächsten ZUSATZTERMIN gibt und Sie sich gerne HIER anmelden können. 

ICON hat eine eigene CoV-Taskforce mit ExpertInnen aus den verschiedenen Service Lines zusammengestellt, die für dringende Fragen und Anliegen jederzeit gerne - telefonisch oder per E-Mail – bereitstehen und unter den üblichen Kontaktdaten erreichbar sind. 

Alle bisherigen Newsletter-Beiträge zum Themenschwerpunkt „CORONAVIRUS“ finden Sie HIER​​​​​​​.


[1] Erlass des BMF vom 8.6.2012, BMf-010221/0376-IV/4/2012.