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WIRTSCHAFTSPRÜFUNG | Durchführung von Erstprüfungen

Im Rahmen der bei Abschlussprüfungen zwingend zu beachtenden „International Standards on Auditing“ (ISA) regelt ISA 510 die Pflichten des Abschlussprüfers bei Erstprüfungen. In welchen Fällen dieser Standard anzuwenden ist und was seine Kerninhalte sind, erfahren Sie im nachfolgenden Beitrag.

Bei Abschlussprüfungen müssen insbesondere auch die „International Standards on Auditing“ (ISA) zwingend angewendet werden. Dabei regelt der Standard ISA 510 die Pflichten des Abschlussprüfers bei Erstprüfungen (und ist für Geschäftsjahre beginnend ab 15.12.2009 anzuwenden). 

Ein Erstprüfungsauftrag kann vorliegen, wenn der Vorjahresabschluss überhaupt nicht geprüft wurde (weder freiwillig noch gemäß § 268 UGB gesetzlich vorgeschrieben 1), zB weil eine GmbH bisher noch „klein“ iS § 221 UGB war und auch keinen gesetzlichen Aufsichtsrat hatte) oder die Abschlussprüfung bislang von einem anderen Prüfungsunternehmen durchgeführt wurde (Prüferwechsel). 

Ziel von ISA 510 ist es, diesfalls sicherzustellen, dass 

  • die Eröffnungsbilanzwerte frei von wesentlichen falschen Darstellungen sind und
  • die Rechnungslegungsmethoden stetig angewendet wurden bzw Änderungen der Rechnungslegungsmethoden sachgerecht berücksichtigt wurden. 

Zu den Eröffnungsbilanzwerten zählen neben den Abschlussposten auch andere rechnungslegungsrelevanten Sachverhalte, die bereits zu Beginn des zu prüfenden Geschäftsjahres vorlagen, wie beispielsweise auch Eventualverbindlichkeiten oder -forderungen. 

Aus diesem Grund ist im Zuge einer Erstprüfung ein höherer Ressourceneinsatz als bei einer Folgeprüfung im Bereich der strategischen Prüfungsplanung bzw bei der Risikoanalyse notwendig. Während die Planung bei einer Folgeprüfung etwa 10 % der Prüfungszeit beträgt, kann diese bei einer Erstprüfung bis zu 25 % erfordern. Dies ist dem bestehenden Risiko geschuldet, dass in den Eröffnungsbilanzwerten falsche Darstellungen enthalten sein könnten, die wesentliche Auswirkungen auf den laufenden Abschluss haben. Daher ist es notwendig, zusätzliche Prüfungshandlungen iSd ISA 510 in Bezug auf Eröffnungssalden zu tätigen.

Prüfungshandlungen

Wird eine Jahresabschlussprüfung bei einem Unternehmen überhaupt erstmals durchgeführt, muss sich der Abschlussprüfer auf seine Erfahrungen mit vergleichbaren Unternehmen, beispielsweise aus der gleichen Branche, stützen. Handelt es sich hingegen um eine „Erstprüfung“ aus Sicht eines neuen Prüfers, also aufgrund eines Wechsels des Abschlussprüfers, muss der aktuelle Abschlussprüfer den letzten vorhandenen Abschluss und den entsprechenden Vermerk des vorherigen Prüfers in seine Prüfungshandlungen miteinbeziehen. Der Fokus bei der Durchsicht liegt dabei auf den Eröffnungsbilanzwerten, welche insofern frei von Fehldarstellungen sein müssen, als dass es zu keinen wesentlichen Auswirkungen auf den vom (neuen) Abschlussprüfer zu prüfenden aktuellen Jahresabschluss kommt. Dazu gehört laut ISA 510.6 die sachgerechte Anwendung der Rechnungslegungsmethoden sowie der richtige Ausweis der Schlussbilanzwerte des vergangenen Geschäftsjahres. 

Um dies feststellen zu können, sind geeignete Prüfungsnachweise einzuholen, die je nach Sachverhalt unterschiedlich ausfallen können. Nicht immer ist dabei die Durchsicht der Vorjahresunterlagen ausreichend. Insbesondere bei langfristigen Vermögenswerten oder Schulden kann die Einholung externer Bestätigungen hilfreich sein. Die Eröffnungsbilanzwerte für kurzfristige Vermögenswerte oder Schulden können hingegen teilweise im Rahmen der aktuellen Abschlussprüfung mitgeprüft werden, das kann beispielsweise bei kurzfristigen Forderungen der Fall sein. Bei Vorräten kann ggfs auch eine Inventurbeobachtung mit Rückrechnung auf die Eröffnungsbilanzwerte des zu prüfenden Geschäftsjahres oder andere Prüfungshandlungen notwendig werden. 

Gelangt der Abschlussprüfer auf Basis seiner Prüfungshandlungen zu der Erkenntnis, dass die Eröffnungsbilanzwerte nicht frei von wesentlichen Fehldarstellungen sind, sind gemäß ISA 510.7 die Governance-Verantwortlichen sowie die zuständige Führungsebene darüber zu informieren. Zudem sind weitere Prüfungshandlungen zu setzen, um die Auswirkungen auf den aktuell zu prüfenden Jahresabschluss nachzuvollziehen. 

Besondere Vorschriften gelten für den öffentlichen Sektor: Hier sind auch dann weitere Prüfungshandlungen einzuholen, wenn aufgrund gesetzlicher Maßnahmen bzw. anderer Rechtsvorschriften oder Gründe der Zugang zu Informationen beschränkt ist. 

War der Bestätigungsvermerk für das vergangene Geschäftsjahr modifiziert, muss der (neue) Abschlussprüfer zusätzlich den Sachverhalt einschätzen, welcher zur Modifizierung führte. Besteht dieser Sachverhalt weiterhin, ist auch der Vermerk des aktuell zu prüfenden Geschäftsjahres entsprechend zu modifizieren. 

Prüfungsfeststellungen und Bestätigungsvermerk 

In unserem NL-Beitrag „WIRTSCHAFTSPRÜFUNG | Neuer Bestätigungsvermerk ab 2016!“ vom 12.08.2016 haben wir Sie bereits informiert, dass ISA 510 auch zu einer Anpassung des Bestätigungsvermerks führen kann, dies in Übereinstimmung mit ISA 705. Wann das der Fall ist, zeigt die nachfolgende Tabelle:

 

 

Wann genau welche Modifizierung anzuwenden ist, haben wir bereits in unserem NL-Beitrag „WIRTSCHAFTSPRÜFUNG | Modifizierungen beim Bestätigungsvermerk“ vom 14.07.2017 berichtet. Demnach ist ein eingeschränktes Prüfungsurteil dann abzugeben, wenn eine Gesamtaussage über den Jahresabschluss zulässig ist, es aber Prüfungshemmnisse gibt, die nicht umfassend sind. Ein Beispiel dafür ist ein Mangel an ausreichend geeigneten Prüfungsnachweisen oder Fehldarstellungen, die zwar nicht umfassend, aber wesentlich sind. Im Gegensatz dazu ist ein negatives Prüfungsurteil dann auszustellen, wenn aufgrund des Ausmaßes an Beanstandungen ein eingeschränkter Bestätigungsvermerk nicht mehr möglich ist. Die Auswirkung fehlender oder falscher Darstellungen ist diesfalls wesentlich und umfassend. Zu einer Nichtabgabe eines Prüfungsurteils kommt es gemäß § 274 Abs 2 UGB dann, wenn es für den Abschlussprüfer unmöglich ist, ein Urteil abzugeben. 

FAZIT

Der „International Standard on Auditing“ für Erstprüfungen (ISA 510) betrifft nicht nur den Abschlussprüfer, sondern ist aufgrund möglicher zusätzlich zu ergreifender Prüfungshandlungen sowie potenzieller Auswirkungen auf den Bestätigungsvermerk auch für verschiedene Stakeholder von Bedeutung. Eine Erstprüfung ist im Regelfall mit einem entsprechend erhöhten Planungsaufwand verbunden. 

Für Rückfragen dazu sowie für weitere Fragen der Rechnungslegung stehen Ihnen die Verfasserinnen sowie auch die übrigen MitarbeiterInnen des Bilanzierungs- und WP-Teams unserer Service Line "Audit​​​​​​​" gerne zur Verfügung! 


1) Hingegen wäre ein prüfungspflichtiger, tatsächlich jedoch nicht geprüfter Jahresabschluss nichtig!