BILANZIERUNG | Aktuelles zur verlustfreien Vorrätebewertung nach UGB
Im Rahmen der Bewertung des Umlaufvermögens im unternehmensrechtlichen Jahresabschluss, wofür das sog. "strenge Niederstwertprinzip" iS § 207 UGB zu beachten ist, kommt den Bilanzposten des Vorratsvermögens aufgrund der mit ihrer Beschaffenheit oftmals verbundenen Unsicherheiten besondere Bedeutung zu. Wohl insbesondere auch deshalb hat das für die Rechnungslegungsstandards in Österreich zuständige "Austrian Financial Reporting and Auditing Committee" (AFRAC) im Dezember 2024 eine eigene Arbeitsgruppe zum Thema „Verlustfreie Bewertung von Vorräten (UGB)“ eingerichtet, die sich schwerpunktmäßig mit der Bewertung von Vorräten befassen soll, deren Einstandspreise bzw Anschaffungs- oder Herstellungskosten höher als die zu erwartenden Verkaufspreise sind, wobei im Zuge dessen insbesondere auch die Frage geklärt werden soll, inwieweit das sog. "dreifache Niederstwertprinzip" heute noch relevant ist. Wenngleich bis dato noch keine Detailergebnisse dieser Arbeitsgruppe bzw noch kein konkreter Termin für eine diesbezügliche AFRAC-Stellungnahme bekannt ist, möchten wir dies zum Anlass nehmen, im nachfolgenden Beitrag die wesentlichen Grundsätze zu dieser für die Praxis der Rechnungslegung wichtigen Thematik in Erinnerung zu rufen.
Dem Vorratsvermögen, worunter man Vermögensgegenstände versteht, die idR im betrieblichen Leistungsprozess aufgehen oder veräußert werden und die daher im Jahresabschluss als Umlaufvermögen iS § 198 Abs 4 UGB auszuweisen sind, kommt bei vielen Unternehmen aufgrund ihrer Beschaffenheit und ihres mengen- und wertmäßigen Umfangs erhebliche Bedeutung zu. Nach dem Bilanzschema gemäß § 224 UGB sind die Vorräte zu untergliedern in Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, unfertige Erzeugnisse, fertige Erzeugnisse und Waren, noch nicht abrechenbare Leistungen sowie das Vorratsvermögen betreffende geleistete Anzahlungen (§ 224 Abs 2 B.I. UGB).
Von besonderer Bedeutung sind zunächst körperliche Bestandsaufnahmen der Vorräte (nach GoB-konformen Inventurverfahren), um auf Basis eines zuverläßigen Mengengerüsts in weiterer Folge eine korrekte Bewertung durchführen zu können. Es kommen auch für Vorräte die allgemeinen Bewertungsgrundsätze für das Umlaufvermögen zur Anwendung (§§ 206 ff UGB), wobei die Anschaffungs- und Herstellungskosten iS § 203 Abs 2 bis 4 UGB die bilanzielle Wertobergrenze darstellen und ggfs außerplanmäßige Abschreibungen auf den niedrigeren Börsenkurs oder Marktpreis oder “beizulegenden Wert” am Bilanzstichtag vorzunehmen sind (sog. “strenges Niederstwertprinzip” iS § 207 UGB). Es gilt der Grundsatz der Einzelbewertung (§ 201 Abs 2 Z 3 UGB), wobei jedoch unter bestimmten Voraussetzungen bzw für bestimmte Vorratsarten auch Bewertungsvereinfachungsverfahren zulässig sind (§ 209 UGB).
Nähere Hinweise zur Bilanzierungspraxis im Vorrätebereich finden sich auch im unseres NEWS-Beitrag “BILANZIERUNG | Praxistipps zum Jahresende” vom 18.12.2024 (siehe dort insb. das Kapitel Umlaufvermögen - Vorräte).
Nachfolgend möchten wir auf einige wesentliche Aspekte zu der aus dem strengen Niederstwertprinzip resultierenden verlustfreien Bewertung des Vorratsvermögens hinweisen:
Was ist für die verlustfreie Vorrätebewertung generell zu beachten?
Wie bereits eingangs erwähnt, ist für die Bewertung der Vorräte - als Teil des bilanziellen Umlaufvermögens - grundsätzlich das sog. „strenge Niederstwertprinzip“ zu beachten. Sinkt der am Bilanzstichtag maßgebliche Vergleichswert für die jeweiligen Vorratsposten (Börsenkurs, Marktpreis, “beizulegender Wert”) unter die Anschaffungs- oder Herstellungskosten bzw unter den Buchwert des vorangegangenen Jahresabschlusses, so ist zwingend der niedrigere Vergleichswert anzusetzen, und zwar ungeachtet der Dauer der Wertminderung (im Unterschied zum „gemilderten Niederstwertprinzip“ etwa beim Anlagevermögen). Dadurch sollen Verluste im Jahresabschluss bereits berücksichtigt bzw vorweggenommen werden, die entweder schon eingetreten sind oder im weiteren Leistungserstellungsprozess nach dem Bilanzstichtag bis zur Veräußerung noch drohen.
Welche Marktseite ist für die Vergleichswerte relevant?
Steht der Beschaffungsmarkt im Vordergrund, ist als Vergleichswert der Wiederbeschaffungs- bzw Reproduktionswert heranzuziehen. Vor allem Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe (RHB) sind grundsätzlich beschaffungsmarktorientiert zu bewerten. Überbestände an RHB sind allerdings absatzmarktorientiert zu bewerten.
Ist hingegen der Absatzmarkt relevant, vor allem also für unfertige und fertige Erzeugnisse, wird der Vergleichswert idR retrograd, ausgehend vom geschätzten Verkaufserlös, ermittelt („retrograder Vergleichswert“). Dabei werden - je nach Fertigstellungsgrad - alle in weiterer Folge noch anfallenden Aufwendungen bestmöglich (ggfs im Schätzungswege) ermittelt und vom voraussichtlichen Verkaufserlös abgezogen. Die Ermittlung des retrograden Vergleichswertes erfolgt somit nach folgender Vorgangsweise:
- Ausgangspunkt ist der voraussichtlich erzielbare Verkaufserlös (ohne Umsatzsteuer);
- davon sind die erst nach dem Bilanzstichtag noch anfallenden Material- und Fertigungskosten (Einzel- und Gemeinkosten) abzuziehen;
- ebenso werden voraussichtliche Erlösschmälerungen und noch anfallende Vertriebskosten berücksichtigt;
- zudem sind die nach dem Bilanzstichtag noch entstehenden Verwaltungskosten in Abzug zu bringen.
Die Zielsetzung dieser sog. “verlustfreien Bewertung” besteht darin, am Abschlussstichtag erkennbare Verluste bereits in diesem Jahresabschluss zu berücksichtigen bzw vorwegzunehmen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass ein beim Verkauf in der Folgeperiode voraussichtlich entstehender Verlust bereits in der Periode der Anschaffung bzw Herstellung berücksichtigt wird und nach dem Bilanzstichtag daraus tunlichst kein weiterer Verlust mehr resultiert (vgl auch das der österreichischen Rechnungslegung inhärente sog. “imparitätische Realisationsprinzip”, wonach - im Sinne der kaufmännischen Vorsicht - Verluste sofort bei Erkennen zu berücksichtigen sind, während Gewinne erst bei tatsächlicher Realisierung bilanziert werden dürfen).
Unfertige und fertige Erzeugnisse sowie noch nicht abrechenbare Leistungen sind grundsätzlich absatzmarktorientiert zu bewerten. Sofern jedoch auch ein Fremdbezug dieser Erzeugnisse möglich ist oder auch im Falle von bestehenden Überbeständen, hat zusätzlich auch eine beschaffungsmarktorientierte Bewertung zu erfolgen und ist jeweils der niedrigere Vergleichswert anzusetzen.
Für Fertigerzeugnisse und Handelswaren sind hingegen Absatz- und Beschaffungsmarkt gleichermaßen zu beachten („doppelte Maßgeblichkeit“), sodass insgesamt folgende drei Vergleichswerte zu ermitteln bzw einander gegenüberzustellen sind:
- Anschaffungs- oder Herstellungskosten (Bewertungsobergrenze)
- retrograder Verkaufserlös (Absatzmarkt)
- Wiederbeschaffungswert (Beschaffungsmarkt)
Die Bewertung hat jeweils mit dem niedrigsten Wert dieser drei Vergleichswerte zu erfolgen, was mitunter auch als „dreifaches Niederstwertprinzip“ bezeichnet wird.
FAZIT
Auch wenn eine konkrete AFRAC-Stellungnahme als Handlungsanleitung für die gebotene verlustfreie Bewertung von Vorräten (nach den einschlägigen Vorschriften des UGB) noch aussteht, sollten Unternehmen die Bewertung ihrer Vorratsbestände im Jahresabschluss stets kritisch überprüfen und die jeweils relevanten Vergleichswerte ermitteln, um allenfalls gebotene Abwertungen ordnungsgemäß und periodenrichtig zu erfassen.
Sobald diesbezügliche AFRAC-Empfehlungen veröffentlicht werden, werden wir Sie im Rahmen unseres Newsletters selbstverständlich darüber informieren.
Für weitere Fragen zu diesen oder anderen Bilanzierungsthemen stehen Ihnen die Autoren dieses Beitrages sowie auch die übrigen MitarbeiterInnen unserer Service Line “Audit” natürlich gerne zur Verfügung!