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BFH-URTEIL | Rückstellung für Aufbewahrungspflichten von Geschäftsunterlagen zulässig

Handl Renate  |  Mitterlehner Karl

Für jeden Unternehmer ist sie selbstverständlich - die Aufbewahrungspflicht von Geschäftsunterlagen für sieben oder oftmals noch mehr Jahre. Oft wurde sie auch schon im Zuge der Bilanzierungsarbeiten diskutiert - gerade im Hinblick auf ihr Rückstellungspotential. Ein kürzlich ergangenes BFH-Urteil widerlegt erneut die Meinung des öBMF, das  eine Rückstellung für Aufbewahrungspflichten für unzulässig hält.

Sowohl das Unternehmensgesetzbuch als auch die Bundesabgabenordnung verpflichten Unternehmer zur Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und den zugehörigen Belegen von zumindest sieben Jahren (§ 212 UGB, § 132 BAO), wodurch eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung im Vordergrund steht.


Die Meinung des BMF

Das BMF vertritt zur Thematik der Rückstellungen für Aufbewahrungspflichten von Geschäftsunterlagen die Meinung1) , dass die Aufbewahrungsverpflichtung eine Dauerverpflichtung darstellt, wodurch die daraus resultierenden Kosten jeweils als Aufwand des jeweiligen Wirtschaftsjahres anzusehen sind. Ein Vorziehen des Aufwands der folgenden sieben Jahre kommt daher mangels wirtschaftlicher Verursachung im Jahr der Auslösung der Aufbewahrungspflicht laut BMF nicht in Betracht.
 

Die Entscheidung des BFH

Das BFH Urteil vom 18. 1. 2011, X R 14/09  widerlegt die vom BMF vertretene Auffassung. Das Urteil selbst behandelt nicht die Bildung einer Rückstellung für Aufbewahrungsverpflichtungen dem Grunde nach, sondern bereits der Höhe nach.

Im konkreten Fall wird vom Kläger eine Apotheke betrieben aus der er Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt. Für die Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen hat er im Veranlagungsjahr 2003 eine Rückstellung iHv 10.700 gebildet (er hatte dafür den jährlichen Aufwand für die Aufbewahrung von 1.070 mit zehn multipliziert da in Deutschland diese Unterlagen zehn Jahre (gem § 257 HGB (D) lang aufbewahrt werden müssen).

Der BFH widersprach dieser Auffassung im Hinblick auf die Berechnung der Rückstellung: Bei der Bewertung der Rückstellung sei die verbleibende Dauer der Aufbewahrungspflicht in Abhängigkeit vom Entstehungszeitpunkt der jeweiligen Unterlagen und der gesetzlich angeordneten Dauer der Aufbewahrungsfristen zu berücksichtigen. Außerdem dürfen nur für jene Unterlagen Rückstellungen gebildet werden, deren Existenz bis zum jeweiligen Bilanzstichtag auch wirtschaftlich verursacht ist. Im Falle des Apothekers wurde eine durchschnittliche Restaufbewahrungsdauer von 5,5 Jahre festgesetzt, da zum Bilanzstichtag die jeweiligen Unterlagen zwischen einem und zehn Jahren (in Deutschland) aufbewahrt werden müssen [(10+1)/2 = 5,5 Jahre].

Die Mindestaufbewahrungsdauer nach der österreichischen BAO beträgt 7 Jahre (§ 132 BAO). Geht man von dieser Frist aus, würde das für Österreich eine durchschnittliche Restaufbewahrungsdauer von 4 Jahren bedeuten [(7+1)/2 = 4 Jahre).
 

Für und Wider einer Rückstellung für Aufbewahrungsverpflichtungen

Sowohl für als auch gegen eine Verpflichtung zur Rückstellungsbildung lassen sich Argumente finden. Neben dem Argument der Dauerleistungsverpflichtung (siehe oben BMF) wird auch das Argument der Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen im Eigeninteresse gegen die Rückstellungsverpflichtung vorgebracht. Die BFH-Rechtsprechung (so bereits BFH 19. 8. 2002 VIII R 30/01) sieht jedoch die öffentlich-rechtliche Verpflichtung im Vordergrund und als ausreichende rechtliche bzw. wirtschaftliche Verursachung zur Rückstellungsbildung. 

 
Welche Kosten können in eine Rückstellung miteinbezogen werden?

Folgende Kosten können üblicherweise für eine Rückstellungsbildung herangezogen werden:

  • Kosten der Lagerhaltung (inkl Energiekosten)
  • Schulung der Mitarbeiter
  • EDV-Kosten für die elektronische Archivierung, Organisation oder Lesbarmachung archivierter Unterlagen
  • Personalkosten der Archivierung
  • Kosten für die Vernichtung der Unterlagen nach Ablauf der Frist

Nicht zu berücksichtigen sind hingegen Kosten für zB:

  • Lagerhaltungskosten für Unterlagen die nach Ablauf der Frist noch aufbehalten werden
  • erwartete Kostensteigerungen


Die Kosten sind dann anteilig für die Rückstellungsbildung zu erfassen, wenn das Lager zB auch für andere Zwecke als der Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen dient.

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1) vgl SWK 18/2006, S 539