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RECHNUNGSLEGUNG | IFRS im Einzelabschluss? - aktuelle Entwicklungen

Die Anwendung von IFRS im Einzelabschluss gewinnt zunehmend an Bedeutung, da Unternehmen ihre Finanzberichterstattung auf internationale Standards ausrichten. In diesem Kontext beleuchtet der Newsbeitrag die aktuellen Entwicklungen in Österreich und Deutschland, einschließlich des Regierungsprogramms 2025–2029, der neuen Wahlrechte und der Diskussionspapiere von KSW und DRSC. Während IFRS eine höhere Transparenz und bessere Kapitalbeschaffung ermöglichen, werfen sie auch Fragen zur Balance zwischen internationaler Rechnungslegung und nationalem Gläubigerschutz auf. Welche Chancen und Herausforderungen die Einführung eines Wahlrechts zur IFRS-Anwendung mit sich bringt, erfahren Sie hier.

IFRS im Einzelabschluss: Einblick in aktuelle Entwicklungen 

Die Diskussion der Anwendung der International Financial Reporting Standards (IFRS) im Einzelabschluss gewinnt zunehmend an Bedeutung, da Unternehmen weltweit bestrebt sind, ihre Finanzberichterstattung an den internationalen Markt anzupassen. Besonders im deutschen und österreichischen Raum wird intensiv über die Auswirkungen der Anwendung der IFRS im Einzelabschluss diskutiert, da diese zu signifikanten Veränderungen in der Darstellung von Unternehmenszahlen führen können. Im November 2025 veröffentlichte das Institut für Facharbeit der Kammer der Steuerberater:innen und Wirtschaftsprüfer:innen den Entwurf des Diskussionspapiers “Die Anwendung der International Financial Reporting Standards für den Jahresabschluss in Österreich” und das Deutsche Rechnungslegungs Standards Committee (DRSC) ein Thesenpapier zur “Anwendung internationaler Rechnungslegung im Jahresabschluss”. Die beiden Papiere wurden, wie auch weitere Aspekte im Bezug auf die Anwendung der IFRS im Einzelabschluss, auch im Rahmen einer Veranstaltung zu “IFRS im Jahresabschluss” der Forschungsinitiative Business Valuation Accounting & Auditing diskutiert. 

Spannungsfeld zwischen Transparenz und Vorsicht

Ein zentraler Punkt bei der Anwendung der IFRS im Einzelabschluss ist die Balance zwischen der internationalen Ausrichtung der Rechnungslegung und der Berücksichtigung nationaler Besonderheiten, die vor allem im Hinblick auf den Gläubigerschutz und die Kapitalerhaltung eine wichtige Rolle spielen. Während die IFRS eine marktnähere und transparentere Darstellung von Unternehmenswerten ermöglichen, verfolgen sowohl die Rechnungslegung nach UGB als auch nach dHGB eine eher vorsichtige, risikovermeidende Ausrichtung, um dem Gläubigerschutz gerecht zu werden.  

Die IFRS setzen auf eine wirtschaftliche Bewertung und beinhalten häufig auch die Erfassung unrealisierter Gewinne und Verluste, die nach nationalem Recht oftmals aus Vorsichtsgründen nicht berücksichtigt werden. So kann etwa die Neubewertung von Vermögenswerten zu einer deutlichen Erhöhung des Eigenkapitals führen, was unter IFRS als Teil des Erfolges erfasst wird. Diese unrealisierten Gewinne könnten nach nationalem Recht jedoch nicht zur Ausschüttung herangezogen werden, da diese noch nicht realisiert sind.

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie Unternehmen sowohl den internationalen Standards gerecht werden als auch die gesetzlichen Vorgaben zum Gläubigerschutz wahren können.

Das österreichische Regierungsprogramm 2025–2029: Neue Wahlrechte 

Das österreichische Regierungsprogramm für die Jahre 2025-2029 beinhaltet Bestrebungen zur Integration von internationalen Standards, um den österreichischen Markt besser an die globalen Rechnungslegungsvorgaben anzupassen. Das Regierungsprogramm sieht ein Aufwertungswahlrecht für Grund und Boden vor, welches zu einer Neubewertung, die über den Anschaffungskosten liegt, führen kann und erfolgsneutral über die Neubewertungsrücklage zu erfassen wäre. Dabei orientiert sich die Vorgehensweise an den Bestimmungen des IAS 16 “Sachanlagen”. Auch ein Aktivierungswahlrecht für immaterielle Vermögenswerte wird diskutiert. Die Vorgehensweise folgt jener des IAS 38 “Immaterielle Vermögenswerte” bzw. des BilMoG in Deutschland und soll zu einer realistischeren Darstellung immaterieller Werte führen. Die Wahrung des Vorsichtsprinzips wird dabei durch eine Rücklagenpflicht sichergestellt werden. Der Gläubigerschutz soll bei beiden Wahlrechten durch Ausschüttungssperren gewahrt werden.  

Das Wahlrecht zur Aufwertung von Grund und Boden sowie zur Aktivierung immaterieller Vermögenswerte sind Schritte, die Unternehmen größere Flexibilität und Anpassungsfähigkeit bieten sollen. Die politische Zielsetzung hinter diesen Maßnahmen ist eine bessere Marktanpassung und eine internationale Wettbewerbsfähigkeit, ohne dabei den notwendigen Gläubigerschutz zu gefährden.

Entwurf des Diskussionspapiers der KSW

Die KSW hat im November 2025 den Entwurf eines Diskussionspapiers „International Financial Reporting Standards für den Jahresabschluss in Österreich“ veröffentlicht. Zielsetzung des Papiers ist die Identifikation der Gründe, die für bzw. gegen die Anwendung der IFRS für den Jahresabschuss sprechen. Zudem sollen Auswirkungen auf die Steuer- und Ausschüttungsbemessungsfunktion sowie auf andere gesetzliche Bestimmungen identifiziert und erforderliche Maßnahmen dargelegt werden. 

Das Papier beleuchtet welche Vor- bzw. Nachteile mit der Einführung eines Wahlrechts zur Anwendung der IFRS im Einzelabschluss einhergehen würden. Für die Einführung des Wahlrechts spricht, dass dies zu einem einheitlichen Zahlenwerk führen sollte, wodurch die Kommunikation insbesondere mit internationalen Kapitalgebern vereinfacht werden könnte. Zudem würde dies auch zu besseren Ergebnissen bei Ratings oder zu günstigeren Finanzierungskonditionen führen. Aufgrund der in den vergangenen Jahrzehnten erlangten Erfahrung im Rahmen der IFRS-Berichterstattung und Prüfung von Konzernabschlüssen, wäre die Einführung des Wahlrechts für den Einzelabschluss nicht mehr mit demselben Fortbildungsbedarf verbunden wie bei der IFRS-Einführung 2005. 

Ergänzend zu den Auswirkungen auf die Funktion des Jahresabschlusses nach UGB als Basis für die Steuer- und Ausschüttungsbemessung sprechen weitere Argumente gegen die Einführung des Wahlrechts. Im Vergleich zum UGB bringt die Erstellung eines IFRS-Jahresabschlusses einen erhöhten Bedarf an erforderlichen Angaben. Dem könnte der Standard IFRS 19 “Tochterunternehmen ohne öffentliche Rechenschaftspflicht: Angaben” entgegen wirken. EFRAG hat die finale Übernahmeempfehlung im September 2025 an die Europäische Kommission übermittelt, der Beschluss zur Übernahme in EU-Recht steht noch aus. Weiters könnte die Einführung des Wahlrechts auch zu einem faktischen Zwang für einzelne Unternehmen bzw. für Unternehmen aus bestimmten Branchen mit sich bringen. 

DRSC-Thesenpapier

Das DRSC hat zur Anwendung der IFRS im Einzelabschluss ein Thesenpapier veröffentlicht, in dem 10 Thesen dargelegt werden, die den potenziellen Nutzen der IFRS im Einzelabschluss sowie die notwendigen Voraussetzungen zur Einführung eines solchen Wahlrechts enthalten. Zudem erörtert das DRSC den vorgeschlagenen Anwendungsbereich und diskutiert den möglichen Einsatz des IFRS-Einzelabschlusses als Grundlage für die unterschiedlichen Funktionen des Jahresabschlusses.

Die Thesen zur IFRS-Anwendung im Einzelabschluss in Deutschland diskutieren die nachfolgenden zentralen Aspekte:

  • Die IFRS können die Qualität und Vergleichbarkeit der Rechnungslegung erhöhen und könnten gerade durch internationale Kapitalgeber von Einzelunternehmen oder Mittelständlern genutzt werden. Auch die interne Kommunikation, insbesondere bei ausländischen Tochtergesellschaften, würde durch die Einführung des Wahlrechts deutlich vereinfacht. 
  • Die Pflicht zur Anwendung des nationalen Rechts zur Aufstellung des Jahresabschlusses führt innerhalb Unternehmensgruppen zu einem Dualismus der Rechnungslegungskonzepte, bei welchem es zu einem Effizienzmanko kommen kann. Insbesondere Tochter-, Gemeinschafts-, sowie assoziierte Unternehmen, die in einen IFRS-Konzernabschluss einbezogen werden, können von der mit dem Wahlrecht einhergehenden Effizienzsteigerung profitieren. Daher empfiehlt das DSRC den Anwendungskreis des Wahlrechts auf diese Unternehmen zu beschränken. 
  • Banken und Versicherungen unterliegen strengen regulatorischen Berichtspflichten. Durch die Nutzung von IFRS für die Erstellung des Einzelabschlusses könnte es zu Effizienzgewinnen kommen, sofern diese Rechnungslegungsnormen von der regulatorischen Seite akzeptiert werden.
  • Der nach IFRS ermittelte Gewinn oder Verlust könnte als Grundlage für die ertragsteuerliche Bemessungsgrundlage dienen. Dies ist wesentlich, um die Anwendung von IFRS im Einzelabschluss mit der steuerlichen Gewinnermittlung zu vereinbaren. Die IFRS können auch als Ausgangspunkt für die Vorschriften zur Kapitalerhaltung und Ausschüttung dienen. Hierbei sind jedoch Anpassungen notwendig, um den gesellschaftsrechtlichen Anforderungen gerecht zu werden. 
  • Auch privatwirtschaftliche Vereinbarungen basieren teilweise auf Rechnungslegungsdaten. Hierbei wären gesetzliche Übergangsvorschriften erforderlich, die Unternehmen den Übergang auf ein anderes Rechnungslegungsregime und gleichzeitig die Wahrung der Interessen der Vertragsparteien ermöglichen.

IFRS im Einzelabschluss: mögliche Nachteile

Die Einführung des Wahlrechts zur Anwendung der IFRS im Einzelabschluss könnte für Unternehmen, die das Wahlrecht in Anspruch nehmen, zu Nachteilen führen, die sich möglicherweise auf die langfristige Finanzplanung und die rechtlichen Rahmenbedingungen auswirken:

  1. Erhöhtes Risiko der Überbewertung: Besonders das Wahlrecht zur Aufwertung von Grund und Boden könnte zu einer Verzerrung der Unternehmenswerte führen. Eine solche Aufwertung kann dazu führen, dass Unternehmen ihre Bilanz stärker belasten, als es der tatsächlichen wirtschaftlichen Realität entspricht. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten oder bei fallenden Grundstückspreisen führt dies möglicherweise zu erheblichen Verlusten und einer Verzerrung des tatsächlichen Wertes des Unternehmens.
  2. Erhöhte Komplexität in der Bilanzierung: Die Aktivierung immaterieller Vermögenswerte könnte Unternehmen dazu zwingen, komplexe Bewertungsprozesse durchzuführen, die erhebliche Ressourcen binden und gleichzeitig zu einer erhöhten Unsicherheit führen. Besonders die Bestimmung des Fair-Values immaterieller Vermögenswerte ist nicht nur aufwendig sondern auch mit erheblichen Bewertungsunsicherheiten behaftet.
  3. Intransparenz für externe Stakeholder: Durch die Wahlmöglichkeiten könnten die Jahresabschlüsse von Unternehmen intransparenter werden, da unterschiedliche Unternehmen unterschiedlich hohe Bewertungsansätze wählen dürften. Dies könnte für Investoren und andere Stakeholder, die die Finanzlage eines Unternehmens bewerten müssen, eine Herausforderung darstellen, da die Vergleichbarkeit der Einzelabschlüsse erschwert wird.
  4. Veränderte Ausschüttungspolitik: Eine potenziell höhere Bewertung des Unternehmensvermögens könnte die Ausschüttungspolitik beeinflussen. Wenn Unternehmen sich auf die Bewertungsgewinne stützen, die unter IFRS als realisierte Gewinne erscheinen, könnte dies zu einer erhöhten Ausschüttung an die Aktionäre führen, die jedoch nicht immer mit den tatsächlichen finanziellen Möglichkeiten des Unternehmens übereinstimmt. Dies würde zu einer unzureichenden Kapitalausstattung und einer Schwächung der Liquidität führen, was wiederum das Unternehmensrisiko erhöht.

FAZIT

Die Diskussion zur verstärkten Anwendung der IFRS im Einzelabschluss ist ein wichtiger Schritt in Richtung einer international harmonisierten Rechnungslegung. Es ist jedoch entscheidend, die potenziellen Risiken und Nachteile dieser Wahlrechte sorgfältig abzuwägen. Ein ausgewogenes Vorgehen wird notwendig sein, um sowohl die Vorteile der internationalen Transparenz als auch den Schutz der Gläubiger und die langfristige Stabilität des Unternehmens zu gewährleisten.

Für weitergehende Fragen stehen Ihnen die Autorinnen sowie auch die übrigen MitarbeiterInnen des Bilanzierungs- und WP-Teams der Service Line Audit und Corporate Tax gerne zur Verfügung!