BILANZIERUNG | Behandlung Künstlicher Intelligenz im Jahresabschluss
"Künstliche Intelligenz" (KI) ist längst keine Zukunftsvision mehr, sondern hat bereits Einzug in die Geschäftsprozesse vieler Unternehmen gehalten und sich vielfach auch schon zu einem entscheidenden Erfolgsfaktor entwickelt. Die Automatisierung von Prozessen und personalisierte Kundenerfahrungen erhöhen die Effizienz und verschaffen den Unternehmen entsprechende Wettbewerbsvorteile. Gleichzeitig ermöglicht KI auch Kosteneinsparungen, datenbasierte Entscheidungsfindung und Innovationsförderung. Angesichts der zunehmenden Bedeutung stellt sich immer häufiger auch die Frage, wie (zugekaufte und/oder selbst entwickelte) KI-Investitionen in Buchführung und Bilanzierung zu behandeln sind, um auch für diese neuartigen Anschaffungs- und Herstellungsvorgänge den zu beachtenden Rechnungslegungs- und Gewinnermittlungsvorschriften zu entsprechen. Im nachfolgenden Beitrag geben wir Ihnen einen Überblick über die hiefür wesentlichen bilanz(steuer)rechtlichen Bestimmungen.
Nachfolgend fassen wir die wesentlichen Regelungen zusammen, die für eine korrekte Behandlung von “Künstlicher Intelligenz” (kurz “KI” bzw “AI” für “artificial intelligence”) im unternehmensrechtlichen Jahresabschluss (UGB) sowie auch für die steuerliche Gewinnermittlung (EStG) zu beachten sind:
KI in der Rechnungslegung
Die primäre Frage, die sich bei der bilanziellen Behandlung von KI-Investitionen bzw -aufwendungen stellt, betrifft ihre Qualifizierung als “Vermögensgegenstand” (UGB) bzw als “Wirtschaftsgut” im ertragsteuerlichen Sinne (EStG). Das Unternehmensgesetzbuch enthält keine explizite Vermögensgegenstandsdefinition sondern ist hiefür auf die allgemeinen “Grundsätze ordnungsgemäßer Bilanzierung” (GoB) abzustellen (insb. nach der Verkehrsauffassung selbständige Be- und Verwertbarkeit, wirtschaftlichen Nutzen stiftend). Nach der Definition des VwGH ist ein Wirtschaftsgut ein im wirtschaftlichen Verkehr befindliches, nach der Verkehrsauffassung selbstständig bewertbares Gut jeder Art. Entscheidend ist dabei, dass diese Güter wirtschaftlich (ab)genutzt werden können.
Neben der selbstständigen Bewertbarkeit sind auch weitere Merkmale von Bedeutung, wie etwa die Greifbarkeit, die wirtschaftliche Abnutzbarkeit, die Verursachung eines Aufwands und die Übertragbarkeit. Diese Kriterien sind entscheidend für die Klärung, inwieweit KI als Vermögensgegenstand im bilanziellen Sinne zu behandeln ist.
Die bilanzielle Berücksichtigung der Abnutzung von Vermögensgegenständen erfolgt insb. durch entsprechende Abschreibungen der getätigten Anschaffungs- bzw Herstellungskosten für zeitlich begrenzt nutzbares Anlagevermögen, und zwar grundsätzlich planmäßig über den voraussichtlichen wirtschaftlichen Nutzungszeitraum, soferne nicht eine außerplanmäßige Abschreibung auf einen niedrigeren beizulegenden Wert zum Bilanzstichtag geboten ist (§ 204 UGB). Ertragsteuerlich wird hingegen auf die AfA nach der “betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer” bzw ggfs auf eine “Teilwertabschreibung” abgestellt (§§ 6 und 7 EStG). “Geringwertige Wirtschaftsgüter” bis zu 1.000 EUR dürfen hingegen sofort in voller Höhe abgeschrieben werden (§ 204 Abs 1a UGB bzw § 13 EStG).
KI als Anlage- oder Umlaufvermögen
Die Zuordnung von KI zum Anlage- oder Umlaufvermögen erfordert eine präzise Abgrenzung, da diese wesentliche Auswirkungen auf die Bilanzierung sowie auch auf die steuerliche Behandlung im Unternehmen hat. Das Unternehmensrecht definiert das Anlagevermögen als Gegenstände, die dazu bestimmt sind, “dauernd” dem Geschäftsbetrieb zu dienen (§ 198 Abs 2 UGB). Wird KI nur im eigenen Betrieb eingesetzt, dann ist die Zuordnung eines solchen Vermögensgegenstandes als Anlagevermögen grundsätzlich zu bejahen.
Als Umlaufvermögen sind demgegenüber jene Gegenstände auszuweisen, die NICHT bestimmt sind, dauernd dem Geschäftsbetrieb zu dienen (§ 198 Abs 4 UGB), die also für keine dauerhafte Nutzung im Geschäftsbetrieb selbst vorgesehen sind.
Zur Abgrenzung von Anlage- und Umlaufvermögen folgende Beispiele:
- Software: Wenn das für die allgemeine Vermarktung erstellte “Original” beim Hersteller verbleibt und der Käufer somit nur eine “Kopie” davon erwirbt, wird als dauerhafte Eigennutzung eingestuft, da unendlich viele Kopien der Software erstellt werden können. In diesen Fällen wird der Vermögensgegenstand folglich als Anlagevermögen eingeordnet.
- Demgegenüber erfolgt die Zuordnung der Software (bis zur Fertigstellung und Übergabe) zum Umlaufvermögen, wenn diese im Auftrag eines Kunden erstellt bzw auf dessen individuellen Bedürfnisse zugeschnitten und anschließend (mit sämtlichen Rechten) übergeben wird. Diesfalls verbleibt sie nicht dauerhaft im Unternehmen bzw ist von Anfang an für den Verkauf bestimmt.
Eine weitere wichtige Differenzierung innerhalb des Anlagevermögens betrifft die Unterscheidung von Sachanlagen und “immateriellen Vermögensgegenständen” (vgl Bilanzgliederungsschema § 224 (2) A.I. UGB, wonach - ua bzw exemplarisch angeführt - “Konzessionen, gewerbliche Schutzrechte und ähnliche Rechte und Vorteile sowie daraus abgeleitete Lizenzen” einen eigenen Bilanzposten darstellen). Bei KI-Software handelt es sich grundsätzlich um einen immateriellen Vermögensgegenstand (damit zusammenhängende physische Datenträger sind lediglich von untergeordneter Bedeutung). Zu dem in diesem Zusammenhang zu beachtenden Aktivierungsverbot für selbst hergestelltes Immaterialgütervermögen siehe später.
Die vorstehenden Grundsätze und Klassifizierungen sind daher insbesondere auch für KI-Lösungen heranzuziehen.
Anschaffung versus Herstellung von KI
Die Unterscheidung zwischen entgeltlich erworbenen Vermögensgegenständen (Anschaffung eines bereits bestehenden bzw zuvor von Dritten hergestellten Gegenstandes) und selbst erstellten Gegenständen (Herstellung mit entsprechendem Risiko; uU auch interne Weiterentwicklung bzw Verbesserung von zuvor extern angeschafften Gegenständen, die zu einer Änderung von Wesensart bzw Funktion führt) ist insbesondere deshalb von großer Bedeutung, da für immaterielle Gegenstände des Anlagevermögens, die nicht entgeltlich erworben wurden, kein Aktivposten angesetzt werden darf (Aktivierungsverbot gemäß § 197 Abs 2 UGB).
Das ertragsteuerliche Pendant findet sich in § 4 Abs 1 letzter Satz EStG, wonach für "unkörperliche Wirtschaftsgüter" des Anlagevermögens ein Aktivposten nur dann angesetzt werden darf, wenn diese entgeltlich erworben wurden (gilt sowohl für die Steuerbilanz als auch für Einnahmen-Ausgaben-Rechner).
Diese gesetzlichen Aktivierungsverbote gelten ausdrücklich nur für das Anlagevermögen, hingegen nicht für das Umlaufvermögen (zur Definition bzw Abgrenzung siehe oben), sodass hier grundsätzlich auch selbst hergestellte immaterielle Vermögensgegenstände zu aktivieren und mit den Herstellungskosten zu bewerten sind bzw bei Langfristfertigung únter bestimmten Voraussetzungen auch anteilige Verwaltungs- und Vertriebskosten angesetzt werden dürfen (§ 206 UGB; steuerlich ist hingegen keine VVK-Aktivierung vorgesehen!). Als Obergrenze ist jedoch ein allenfalls niedrigerer beizulegender Wert zu beachten (strenges Niederstwertprinzip iS § 207 UGB).
Einordnung von KI im Bereich des Anlagevermögens
Mangels einer physischen Substanz sind KI-Tools grundsätzlich als immaterielle Vermögensgegenstände iS des UGB bzw als unkörperliche Wirtschaftsgüter iS des EStG einzuordnen.
Unklar ist dies hingegen, wenn KI in einen materiellen Vermögensgegenstand integriert ist. Weist eine KI nicht nur eine immaterielle sondern auch eine materielle Komponente auf, dann ist es zunächst nicht eindeutig, welchem Bilanzposten derartige Gegenstände zuzuordnen sind, nämlich dem materiellen oder immateriellen Anlagevermögen.
Sofern eine eindeutige Unterscheidung zwischen materiellen und immateriellen Komponenten - mit jeweils eigenständiger Vermögensgegenstandeigenschaft - möglich ist, hat eine entsprechend getrennte Zuordnung zu erfolgen. Ist eine solche Abgrenzung hingegen nicht möglich, so ist das Überwiegen entscheidend, wobei hiefür idR die jeweiligen Wertverhältnisse (Kostenrelationen) maßgeblich sind (zB ist ein Mobiltelefon mit integrierter Sprachassistenz als materieller Vermögensgegenstand anzusehen). Zudem ist auch das wirtschaftliche Interesse aus Erwerbersicht von Belang (zB ist ein selbstfahrendes Auto samt immateriellen KI-Komponenten als materieller Vermögensgegenstand anzusehen).
KI im Rahmen von Lizenzvereinbarungen
Häufig werden technische KI-Programme jedoch nicht zugekauft, sondern im Rahmen von Lizenzlösungen erworben bzw werden hierbei für Nutzungszugänge laufende Lizenzgebühren vereinbart. Solche Lizenzgebühren sind in der Regel - sofern sie nicht direkt den Herstellungskosten von Produkten oder Dienstleistungen zurechenbar sind - als sonstige betriebliche Aufwendungen in der Gewinn- und Verlustrechnung auszuweisen (und ggfs periodenrichtig abzugrenzen).
FAZIT
“Künstliche Intelligenz” (KI) ist in vielen Unternehmen heute bereits wichtiger Bestandteil von verschiedensten Geschäftsabläufen (Organisation und Leistungserstellungsprozess), ihre Behandlung in der Rechnungslegung (Jahresabschluss) wirft aber dennoch häufig Fragen auf. Entscheidend für den Bilanzausweis ist die korrekte Beurteilung als (materieller oder immaterieller) Vermögensgegenstand sowie die Abgrenzung zwischen Anlage- und Umlaufvermögen, zumal dies erhebliche Auswirkungen auf die Bilanzierung hat (Ausweis und Bewertung). Während entgeltlich erworbene KI-Tools des Anlagevermögens zu aktivieren sind, gilt für selbst erstellte immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens ein Aktivierungsverbot. Auch materielle und immaterielle Komponenten, die in einen gesamthaften Vermögensgegenstand eingehen, und schließlich auch allfällige Lizenzen (idR aufwandswirksam) sind korrekt zu verbuchen und auszuweisen. Eine präzise Bilanzierung schafft Transparenz und unterstützt zudem auch fundierte Managemententscheidungen.
Die für KI-Investitionen maßgeblichen unternehmensrechtlichen Grundsätze sind weitgehend auch für die steuerliche Gewinnermittlung relevant (Anschaffungs- bzw Herstellungskosten, Abschreibungen etc). Aufgrund der Schnelllebigkeit bzw des raschen technologischen Fortschritts bei KI-Anwendungen sind insbesondere auch allenfalls gebotene Abwertungen zum Bilanzstichtag genau zu beachten (wirtschaftliche Nutzungsdauer, niedrigerer “beizulegender Wert” bzw steuerlicher “Teilwert”). Die konkrete Beschaffenheit von KI-Investitionen hat weiters auch Auswirkungen auf die Inanspruchnahme von steuerlichen Investitionsbegünstigungen (zB Investitionsfreibetrag gem. § 11 EStG).
Im Hinblick auf das nicht mehr allzuweit entfernte Jahresende dürfen wir an dieser Stelle auch auf unser Leistungsportfolio rund um die Jahresabschlussarbeiten hinweisen (Bilanzierung - ICON Wirtschaftstreuhand GmbH): Im Rahmen der ICON Tax Academy bieten wir praxisnahe Webinare zu aktuellen Bilanzierungsthemen an (ICON LOUNGE | Praxistipps Bilanzierung ; Bilanzierung kompakt: Sonderfragen im Fokus). Nutzen Sie die Gelegenheit und machen Sie Ihr Accounting-Team fit für die bevorstehende Bilanzierungssaison. Auf Wunsch kommen wir aber auch gerne mit maßgeschneiderten Inhouse-Seminaren, die auf ihre individuellen Bedürfnisse abgestimmt sind, zu Ihnen.
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