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DBA-RECHT | Wegzugsbesteuerung bei Immobiliengesellschaften

Verliert Österreich das Besteuerungsrecht für Gesellschaftsanteile, so kann dies zu einer sog. Wegzugsbesteuerung führen. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn eine sog. Immogesellschaft mit ausländischen Gesellschaftern diesen speziellen steuerlichen Status verliert und dadurch das Besteuerungsrecht an den Gesellschaftsanteilen wechselt. Im EAS 3442 des österreichischen BMF war die Frage zu klären, in welchem Zeitpunkt es im Verhältnis zu Deutschland zu einer Wegzugsbesteuerung iVm einer Immogesellschaft kommt.
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Die „Wegzugsbesteuerung“ im Hinblick auf Kapitalanteile, die im Privatvermögen natürlicher Personen gehalten werden, ist in § 27 Abs 6 EStG geregelt. Demnach führen Umstände, die zu einer Einschränkung des österreichischen Besteuerungsrechts führen, zur Besteuerung eines fiktiven Veräußerungsgewinns. Dh der „gemeine Wert“ des Kapitalvermögens ist den ursprünglichen Anschaffungskosten gegenüberzustellen. Ein daraus resultierender „Gewinn“ unterliegt dem festen ESt-Satz von 27,5 %.
 

EAS 3442 vom 14.12.2022


Im fraglichen Fall hielt ein in Deutschland ansässiger Steuerpflichtiger 100% der Anteile an einer österreichischen Kapitalgesellschaft (GmbH), deren Gesellschaftsvermögen lediglich aus einer einzigen in Österreich belegenen Immobilie bestand. Diese Immobilie wurde unterjährig veräußert, dh das Vermögen der Gesellschaft bestand ab diesem Zeitpunkt nur noch aus Kapitalvermögen. Ein etwaiger Veräußerungsgewinn aus der Immobilientransaktion unterlag der Körperschaftsteuer auf Ebene der GmbH. Fraglich war, ob und in welchem Zeitpunkt die Änderung der Vermögenszusammensetzung der GmbH eine zusätzliche Besteuerung auf Ebene des Gesellschafters auslösen kann.  

Gemäß Art 13 Abs 2 DBA-Deutschland hätte Österreich im gegenständlichen Fall zunächst eine allfällige Veräußerung der GmbH-Beteiligung besteuern dürfen, da es sich - zumindest bis zur Veräußerung der Immobilie - unstrittig um Anteile an einer Gesellschaft gehandelt hat, deren Aktivvermögen überwiegend aus unbeweglichem Vermögen in Österreich besteht (sog. „Immogesellschaft“). Im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht des deutschen Anteilseigners würde Österreich dieses Besteuerungsrecht im Falle einer tatsächlichen Veräußerung gem § 95 Abs 1 Z 5 lit e EStG auch wahrnehmen.

Eine Einschränkung des österreichischen Besteuerungsrechts iSd § 27 Abs 6 Z 1 EStG tritt durch den Verlust des Status als "Immogesellschaft" iSd Art 13 Abs 2 DBA-Deutschland ein, da diesfalls die Veräußerung der Beteiligung nicht mehr von Art 13 Abs 2 DBA-Deutschland, sondern von Art 13 Abs 5 DBA-Deutschland erfasst wäre, der das Besteuerungsrecht ausschließlich dem Ansässigkeitsstaat der Anteilseigner (Deutschland) zuweist. Ob eine "Immogesellschaft" vorliegt, bestimmt sich gemäß Abs 4 des Protokolls zum DBA-Deutschland nach den Verhältnissen des letzten Bilanzstichtags VOR der Veräußerung, wobei konkret die Höhe des Aktivvermögens in der Handelsbilanz maßgeblich ist. Wird nun unterjährig, also zwischen zwei Bilanzstichtagen, ein Grundstück veräußert, ist dies nach Ansicht des BMF für Zwecke von Art 13 Abs 2 DBA-Deutschland aufgrund der Bilanzstichtagsbetrachtung zunächst unbeachtlich. Würde nämlich nach der Grundstücksveräußerung - aber vor dem nächsten Bilanzstichtag - auch die Beteiligung veräußert, dürfe Österreich die Beteiligungsveräußerung noch gemäß Art 13 Abs 2 DBA-Deutschland besteuern, da das Aktivvermögen der Gesellschaft zum letzten Bilanzstichtag noch überwiegend aus unbeweglichem Vermögen bestand. Somit könne auch im Zeitpunkt der Grundstücksveräußerung noch keine Wegzugsbesteuerung eintreten, da das Besteuerungsrecht Österreichs eben noch aufrecht ist. Erst wenn im Zeitpunkt der nächsten Bilanzerstellung erneut das Verhältnis des Aktivvermögens ermittelt wird und das Vermögen dann nicht mehr überwiegend aus unbeweglichem Vermögen besteht, wäre Österreich nach Ansicht des BMF nicht mehr gemäß Art 13 Abs 2 DBA-Deutschland besteuerungsberechtigt. Es käme daher zu einer Wegzugsbesteuerung gemäß § 27 Abs 6 Z 1 EStG, wobei die Veräußerung mit Ablauf dieses Bilanzstichtages fingiert würde.

Im Hinblick auf die entsprechende Steuerschuld kann der Steuerpflichtige eine Ratenzahlung beantragen. Ein Besteuerungsaufschub (Nichtfestsetzung iSd § 27 Abs 6 Z 1 lit a EStG) ist hingegen NICHT möglich, da dies nur in Fällen eines tatsächlichen Wegzugs von natürlichen Personen möglich ist. 
 

Auswirkungen auf andere Doppelbesteuerungsabkommen


Dem Art 13 Abs 2 DBA-Deutschland ähnliche Immobilienklauseln finden sich in zahlreichen österreichischen DBA mit anderen Staaten. Eine vergleichbare Konstellation kann sich folglich auch im Verhältnis zu anderen Vertragsstaaten ergeben. Soweit eine solche DBA-Bestimmung (bzw ein allfälliges Protokoll) jedoch keine Klarstellung enthält, auf welchen Zeitpunkt für die Einstufung als Immogesellschaft abzustellen ist, kann die Wegzugsbesteuerung ggfs sofort bei Veräußerung von Immobilien eintreten.

​​​​​​​Derartige Fallkonstellationen sollten jedenfalls im Detail genau geprüft werden, da sowohl die Immobilienklauseln als auch das Besteuerungsrecht an Gesellschaftsanteilen in den einzelnen österreichischen DBA unterschiedlich geregelt sind.
 

FAZIT


​​​​​​​Führt der Verkauf von Immobilien durch eine Immobiliengesellschaft („Immogesellschaft“) zu einem Verlust des österreichischen Besteuerungsrechts an den Gesellschaftsanteilen, kann neben der „regulären“ Gewinnbesteuerung auf Ebene der Gesellschaft zusätzlich eine Wegzugsbesteuerung betreffend die in den Anteilen schlummernden stillen Reserven ausgelöst werden. Dies ist dann der Fall, wenn die Gesellschaft durch den Immobilienverkauf den bisherigen steuerlichen Status als „Immogesellschaft“ verliert.

Das DBA-Deutschland gewährt betroffenen Anteilseignern allerdings eine „Galgenfrist“ bis zum jeweils nächsten Bilanzstichtag. Aufgrund einer Protokollbestimmung zum DBA-Deutschland ist nämlich für die Beurteilung, ob im Zeitpunkt einer Veräußerung einer Gesellschaft eine „Immogesellschaft“ vorliegt, stets auf die Verhältnisse zum letzten Bilanzstichtag vor der Veräußerung abzustellen.

Außerhalb des Anwendungsbereichs des DBA-Deutschland kann es allerdings bei Verlust des steuerlichen Status als Immogesellschaft bereits im Zeitpunkt des Immobilienverkaufs zu einer Einschränkung des österreichischen Besteuerungsrechts und folglich zur Wegzugsbesteuerung kommen. Ausländische Anteilseigner von österreichischen Immogesellschaften sollten daher vor dem Verkauf von Immobilienvermögen aus der Gesellschaft jedenfalls auch die Folgen für etwaige stille Reserven in den Gesellschaftsanteilen prüfen bzw ob der Verlust des Status „Immogesellschaft“ abgewendet werden kann.

Zum Themenbereich Immobilien und Wegzugsbesteuerung dürfen wir ergänzend noch auf folgende Newsletter-Beiträge verweisen:


​​​​​​​Die Autoren dieses Beitrages waren in den der EAS-Anfrage zugrundeliegenden Fall involviert. Sie stehen Ihnen für weitere Fragen zu dieser Thematik, wie auch die übrigen ExpertInnen der Service Line „International Tax“, gerne zur Verfügung.