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EINKOMMENSTEUER | Ansässigkeit auf einem Kreuzfahrtschiff?

Immer wieder wird bei Tätigkeiten im Ausland unterschätzt, welche Wirkungskraft eine bestehende inländische Wohnung auf die Steuerpflicht haben kann. Sie dient nämlich als Anker für die unbeschränkte Steuerpflicht. Apropos Anker: Im Falle eines jahrelang auf einem Kreuzfahrtschiff tätigen Österreichers musste das Bundesfinanzgericht (BFG) kürzlich der Frage nachgehen, ob die Anwesenheit auf diesem Schiff zu einer ausländischen Ansässigkeit führen und daher eine inländische Steuerpflicht vermeiden kann.
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Sachverhalt und Problemstellung


Ein österreichischer Staatsbürger war mehrere Jahre lang auf einem Kreuzfahrtschiff tätig. Im fraglichen Zeitraum war er vier bis fünf Monate durchgehend am Schiff und ein bis zwei Monate auf Urlaub, welchen er zum Teil in Österreich verbrachte. Das Kreuzfahrtschiff fuhr unter der Flagge der Bahamas, war im Eigentum einer US-amerikanischen Reederei und in den fraglichen Jahren auf verschiedenen Weltmeeren unterwegs. In Österreich besaß der Steuerpflichtige zwei Wohnungen, von denen eine vermietet war. Die andere benutzte er bei seinen Inlandsaufenthalten selbst und stellte sie fallweise Verwandten kostenlos zur Verfügung. In allen fraglichen Jahren hielt sich der Steuerpflichtige weniger als 70 Tage in Österreich auf.

Entgegen der Erklärung besteuerte das österreichische Finanzamt neben den Vermietungseinkünften für die inländische Wohnung auch die Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit auf dem Kreuzfahrtschiff. Strittig war, ob der Steuerpflichtige die Zweitwohnsitzverordnung anwenden und somit einer unbeschränkten Steuerpflicht entgehen konnte. 
 

Keine unbeschränkte Steuerpflicht bei Zweitwohnsitz?

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​​​​​​​Steuerpflichtige, die im Inland über einen Wohnsitz verfügen, unterliegen grundsätzlich der unbeschränkten Steuerpflicht. Als Konsequenz besteuert Österreich diesfalls das „Welteinkommen“, außer ein Doppelbesteuerungsabkommen schränkt das Besteuerungsrecht ein. Die Zweitwohnsitzverordnung ermöglicht es Steuerpflichtigen, trotz inländischem Wohnsitz aus der unbeschränkten Steuerpflicht zu optieren. Folgende Voraussetzungen sind dabei zu beachten:

  • Führen eines Verzeichnisses über die inländische Wohnsitzbenutzung;
  • Der Mittelpunkt der Lebensinteressen muss sich länger als fünf Kalenderjahre im Ausland befinden.
  • Sämtliche inländischen Wohnsitze dürfen gemeinsam an maximal 70 Tagen pro Kalenderjahr benutzt werden.
  • Bei nicht dauerhaft getrennt lebenden (Ehe-)Partnern führt das Überschreiten der 70-Tage-Frist durch einen (Ehe-)Partner zur unbeschränkten Steuerpflicht für beide Personen.
     

​​​​​​​Entscheidung des Bundesfinanzgerichts (BFG 21.12.2022, RV/3100590/2019)


​​​​​​​Dem BFG-Erkenntnis vom 21.12.2022, RV/3100590/2019, ist zu entnehmen, dass das Vorbringen des Steuerpflichtigen, er habe über keinen inländischen Wohnsitz verfügt, da er diesen regelmäßig Verwandten kostenlos zur Verfügung stellte und selbst nur sehr unregelmäßig benutzte, das Gericht nicht zu überzeugen vermochte. Einerseits konnte kein Nachweis erbracht werden, dass er durch die Zurverfügungstellung an Verwandte in seiner Nutzungsmöglichkeit der Wohnung eingeschränkt gewesen wäre. Andererseits war er seit 1996 in dieser Wohnung mit Hauptwohnsitz gemeldet, hat unter dieser Wohnadresse Kirchenbeiträge entrichtet, sein Anstellungsvertrag wurde auf diesen Wohnsitz ausgestellt und ein Bankkonto, ein Handyvertrag sowie eine private Unfallversicherung liefen unter dieser Adresse.

Ergänzend zu den Ausführungen des BFG sei darauf hingewiesen, dass der Verwaltungsgerichtshof bereits entschieden hatte, dass der Bestand eines inländischen Wohnsitzes kein Mindestausmaß an Nutzung verlangt (VwGH-Erkenntnis vom 5. März 2020, Ra 2019/15/0145; siehe dazu auch unseren NL-Beitrag „EINKOMMENSTEUER | Mindestnutzung für Wohnsitz in Österreich?“ vom 13.10.2020).

Zur Anwendbarkeit der Zweitwohnsitzverordnung führt das BFG aus, dass diese den Zweck habe, „dass bei Bestehen von mehreren Wohnsitzen in unterschiedlichen Staaten die untergeordnete Benutzung der inländischen Wohnung keine unbeschränkte Einkommensteuerpflicht mehr auslösen soll.“ Mangels Bestehens eines Wohnsitzes in einem anderen Land bzw Staat könne die Zweitwohnsitzverordnung jedoch schon aus diesem Grund NICHT zur Anwendung gelangen. Anwendungsvoraussetzung sei außerdem, dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen im Ausland liege. Der Begriff „Mittelpunkt der Lebensinteressen“ ist nach Ansicht des BFG ein Begriff der österreichischen Doppelbesteuerungsabkommen. Nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung sei das Gesamtbild der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse entscheidend, wobei das Überwiegen der Beziehungen zum einen oder anderen Staat den Ausschlag gebe. Derartige Beziehungen zu einem anderen Staat konnten jedoch im vorliegenden Beschwerdefall nicht festgestellt werden. Die Zweitwohnsitzverordnung sei folglich nicht anwendbar und der Steuerpflichtige in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig und ansässig.

Das Doppelbesteuerungsabkommen mit den USA (als Sitzstaat der Reederei) schränke das österreichische Besteuerungsrecht diesfalls nicht ein, so das BFG. Wären die nichtselbständigen Einkünfte des Steuerpflichtigen in einem Nicht-DBA-Staat (zB Bahamas) einer Durchschnittssteuerbelastung von mehr als 15 % unterworfen gewesen, so hätte auf Basis der Verordnung betreffend die Vermeidung von Doppelbesteuerung eine Freistellung in Österreich erfolgen können. Eine solche ausländische Besteuerung sei aber NICHT nachgewiesen worden.

Die behauptete Leistung von Werbungskosten konnte der Steuerpflichtige ebenfalls nicht nachweisen. Nach Ansicht des BFG ist eine Berücksichtigung fiktiver („potentieller“) Werbungskosten (zB Sozialversicherungsbeiträge) nicht möglich.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde im vorliegenden Fall seitens des Bundesfinanzgerichts NICHT zugelassen.


FAZIT


Das BFG stellte in der obigen Entscheidung klar, dass die Anwendung der Zweitwohnsitzverordnung voraussetzt, dass tatsächlich mindestens ein zweiter Wohnsitz in einem anderen Staat bzw Land vorliegen muss. Einen solchen sah das Gericht durch die Tätigkeit auf einem die Weltmeere befahrenden Kreuzfahrtschiff NICHT als gegeben an. Lediglich bei untergeordneter Benutzung der inländischen Wohnung soll bei Bestehen von mehreren Wohnsitzen in unterschiedlichen Staaten die Zweitwohnsitzverordnung eine unbeschränkte Steuerpflicht in Österreich vermeiden. Anzumerken ist, dass vom BFG nicht geprüft wurde, ob die Unterbringung auf dem Kreuzfahrtschiff jenen Anforderungen, die an einen Wohnsitz gestellt werden, überhaupt genügen würde. Offenbar wurde im Wesentlichen darauf abgestellt, dass dieser ggfs ohnehin in keinem bestimmten Staat oder Land festgemacht werden könnte. Diese Argumentationslinie wurde auch im Hinblick auf das Kriterium des ausländischen Lebensmittelpunktes vertreten, der ebenfalls in keinem anderen Staat feststellbar war.

Personen, die dauerhaft in verschiedenen Ländern unterwegs sind (zB mit einem Wohnmobil, Boot, Motorrad), sollten sich vor diesem Hintergrund gut überlegen, ob eine inländische Wohnstätte beibehalten wird, soferne sie der österreichischen Steuerpflicht entgehen möchten. Einen diesbezüglichen Schutz könnten allenfalls Doppelbesteuerungsabkommen bieten, jedoch verlangen auch diese für viele Tatbestände eine gewisse Mindestschwelle (zB Anwesenheitstage), um das Besteuerungsrecht zu verlagern. In Verhältnis zu Nicht-DBA-Staaten kann über die oa Verordnung eine Steuerfreistellung von bestimmten Einkünften in Österreich erreicht werden, soferne hiefür eine ausländische Durchschnittssteuerbelastung von über 15 % anfällt.

Falls Sie mehr zum Themenbereich Wohnsitz, Ansässigkeit und Wegzug wissen möchten, können wir Ihnen unser WebinarWegzug ins Steuerparadies – aber richtig!“ empfehlen, welches wieder am 21.3.2023  stattfindet.

Für weitere Fragen zu dieser Thematik stehen Ihnen natürlich auch die Autoren dieses Beitrages sowie die übrigen ExpertInnen unserer Service Lines „International Tax"“ und „Private Clients" gerne zur Verfügung!