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EINKOMMENSTEUER | Mindestnutzung für Wohnsitz in Österreich?

Kaisinger Thomas  |  Mitterlehner Matthias

Das Vorliegen eines inländischen Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts entscheidet über das Vorliegen von unbeschränkter oder beschränkter Steuerpflicht. In zwei aktuellen Entscheidungen haben sich BFG bzw VwGH mit der Frage des Bestehens eines Wohnsitzes in Österreich auseinandergesetzt bzw welche Mindestvoraussetzungen daran zu knüpfen sind. Beide Gerichte kamen zu dem Ergebnis, dass ein bestimmtes Mindestmaß an tatsächlicher Nutzung für die Wohnsitzfrage nicht entscheidungserheblich ist. 

§ 1 Abs 2 EStG determiniert, dass bei Vorliegen eines Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts eine unbeschränkte Steuerpflicht im Inland vorliegt. Im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht stellt Österreich einen Besteuerungsanspruch auf das gesamte Welteinkommen des Steuerpflichtigen, wohingegen § 98 EStG einen abschließenden Katalog an Einkünften aufzählt, die bei einem gewissen Inlandsbezug im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht zu erfassen sind. Außerdem können beschränkt Steuerpflichtige zahlreiche Absetzbeträge nicht geltend machen, und es kommt zu einer Hinzurechnung von EUR 9.000 zu den Einkünften. Dies hat zur Folge, dass sich das steuerfreie Existenzminimum von EUR 11.000 auf EUR 2.000 verringert und der Durchschnittsteuersatz erhöht wird. Insofern kann das Vorliegen von unbeschränkter Steuerpflicht für im Ausland ansässige Steuerpflichtige, die steuerpflichtige Inlandseinkünfte beziehen, von Vorteil sein.

VwGH zur Mindestnutzung eines inländischen Hauses 

Ausgangssachverhalt des gegenständlichen  VwGH-Urteils vom 5. März 2020, Ra 2019/15/0145, ist ein österreichischer Musiker, der seit Mitte der 1990er Jahre ein Haus in Kenia angemietet hat. Aufgrund der geringen Nutzung seines inländischen Wohnsitzes hatte der betreffende Musiker für die Jahre 2004 bis 2007 österreichische Einkommensteuererklärungen unter der Annahme einer bloß beschränkten Steuerpflicht eingereicht. Im Zuge einer im Jahr 2009 vorgenommenen behördlichen Prüfung wurde jedoch festgestellt, dass die österreichische Liegenschaft des Künstlers durchgehend bewohnbar war und nicht vermietet wurde. In der Folge wurde das Verfahren betreffend Einkommensteuer 2004 bis 2007 vom Finanzamt wieder aufgenommen, und es wurden neue Einkommensteuerbescheide unter Zugrundelegung einer unbeschränkten Steuerpflicht in Österreich erlassen. Dagegen hat der Musiker Beschwerde beim Bundesfinanzgericht (BFG) erhoben, gegen dessen anschließend stattgebende Entscheidung der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) im Rahmen der Revision durch das Finanzamt erkannt hat. 

Das BFG stützte sich in seiner Entscheidung insbesondere auf ein Erkenntnis des VwGH vom 20. Juni 1990, 89/16/0020, in welchem das Höchstgericht eine Wiener Wohnung, welche zwei bis drei Monate im Jahr von der damaligen Schweizer Beschwerdeführerin genutzt wurde, als österreichischen Wohnsitz iSd § 26 Abs 1 BAO qualifiziert hatte. Dies nahm das BFG im Gegenschluss zum Anlass, im vorliegenden Fall das Bestehen eines Wohnsitzes an ein zeitliches Element in Form einer Mindestnutzung von 60 Tagen (bzw Nächtigungen) zu knüpfen. Nach dieser Rechtsauffassung kam das BFG zu dem Ergebnis, dass ein österreichischer Wohnsitz iSd § 26 Abs 1 BAO des Musikers zu verneinen sei, da dieser die gegenständliche Wohnung deutlich weniger als 60 Tage pro Jahr genutzt bzw dort genächtigt hatte. Gegen diese Entscheidung brachte das zuständige Finanzamt eine Revision beim VwGH ein.

Entgegen der Ansicht des BFG führt der VwGH aus, dass das der Entscheidung des BFG zugrunde gelegte Urteil des VwGH nicht dahingehend ausgelegt werden darf, dass die Begründung eines Wohnsitzes iSd § 26 Abs 1 BAO an ein zeitliches Element der Nutzung von mindestens zwei bis drei Monaten geknüpft sei. Das Bestehen eines Wohnsitzes knüpfe vielmehr an die objektive Voraussetzung des Besitzes – gleichbedeutend mit dem Innehaben – einer Wohnung an. Um dieses Tatbestandsmerkmal zu erfüllen, bedürfe es der tatsächlichen Verfügungsgewalt über eine bestimmte Räumlichkeit, welche nach der Verkehrsauffassung zum Wohnen geeignet ist, also ohne wesentliche Änderungen jederzeit zum Wohnen benutzt werden kann und ihrem Inhaber nach Größe und Ausstattung ein dessen persönlichen Verhältnissen entsprechendes Heim bietet. Unter dem Begriff "Innehaben" einer Wohnung sei die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit, über diese Wohnung zu verfügen, insbesondere sie für den Wohnbedarf jederzeit benützen zu können, zu verstehen. Hierbei sei es unerheblich, in welchem zeitlichen Ausmaß eine Wohnung tatsächlich genutzt wird.

Somit ist es nur folgerichtig, dass das angefochtene Erkenntnis des BFG aufgrund inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben wurde. Die dem Beschwerdeführer zur Verfügung stehende Wohnung vermittelt diesem einen Wohnsitz iSd § 26 Abs 1 BAO und begründet somit – unabhängig vom Ausmaß der tatsächlichen Nutzung – die unbeschränkte Steuerpflicht des Künstlers in Österreich. 

Auch gemeinsam genutztes Ferienhaus kann Wohnsitz begründen

In einer weiteren Entscheidung vom 13. August 2020, RV/5101384/2015, hatte sich das BFG mit der Frage eines inländischen Wohnsitzes eines in der Schweiz ansässigen Studenten in einem Ferienhaus an einem See in Österreich zu befassen. Das Haus am See stand in diesem Fall im gemeinsamen Eigen-tum der Mutter des Steuerpflichtigen und deren Geschwister. Sämtliche Familienmitglieder konnten das Haus jederzeit nutzen (Schlüsselgewalt), jedem Familienmitglied war vor Ort ein eigenes kleines Zimmer zugeteilt, Küche, Wohnzimmer udgl wurden gemeinsam genutzt. Auch in diesem Fall war der Steuerpflichtige nur einige wenige Tage pro Jahr in dem Haus am See anwesend. Der Steuerpflichtige erzielte in Österreich Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. 

Das zuständige Finanzamt ging davon aus, dass kein Wohnsitz vorlag, weil das Mitbenutzen einer fremden Wohnung nur bei ständiger Nutzung einen Wohnsitz zu begründen vermöge. Die Schlafmög-lichkeit sei räumlich sehr beengt gewesen, teilweise handelte es sich nur um Matratzen am Boden, und es waren keine persönlichen Gegenstände des Steuerpflichtigen vor Ort vorgefunden worden. 

Das BFG sah hingegen einen inländischen Wohnsitz als gegeben an. Die Nutzung des Hauses am See durch die Eltern für mehrere Wochen pro Jahr sei ein Indiz für eine angemessene Wohnqualität des Hauses. „Nimmt man darauf Bedacht, dass der Steuerpflichtige bei seinen Aufenthalten Küche, Bad, WC und Wohnzimmer mit den Eltern mitbenutzen konnte, kann das von ihm beschriebene Zimmer sowohl der Größe als auch der Ausstattung nach als seinen damaligen persönlichen Verhältnissen als sich in Ausbildung befindliche Person […] angemessen erachtet werden.“ Angemerkt sei auch, dass der Steuer-pflichtige auch in der Schweiz bei seinen Eltern wohnte. Das BFG wies außerdem darauf hin, dass der Steuerpflichtige – bei Nichtbestehen eines inländischen Wohnsitzes – ohnehin die Voraussetzungen für die Option in die unbeschränkte Steuerpflicht nach § 1 Abs 4 EStG erfüllt hätte. 

Entgegen einer erst kürzlich ergangenen anderen BFG-Entscheidung vom 14. Mai 2020, vertritt das BFG im aktuellen Fall aber die Ansicht, dass ein Progressionsvorbehalt nur dem Ansässigkeitsstaat Schweiz zustünde. Die ausländischen Einkünfte seien bei der Berechnung des österreichischen Steuersatzes – nach der aktuellen BFG-Entscheidung vom 13.8.2020 – nicht zu berücksichtigen. Über die BFG-Entscheidung vom Mai d. J. hatten wir bereits in unserem NL-Beitrag „DBA-RECHT | ESt-Progressionsvorbehalt bei Ansässigkeit im Ausland?“ vom 12.8.2020 berichtet.

FAZIT

Sowohl BFG als auch VwGH stellen in den obigen aktuellen Entscheidungen klar, dass ein inländischer Wohnsitz kein Mindestmaß an Nutzung voraussetzt. Entscheidungserheblich ist lediglich, ob der potenzielle Wohnsitz zur Nutzung bereit ist und zur Verfügung steht. Ausländische Steuerpflichtige mit österreichischem (Zweit-)Wohnsitz sollten sich stets der Voraussetzungen und Konsequenzen eines Wohnsitzes im Inland bewusst sein. Soll es trotz inländischem Wohnsitz dennoch nicht zur unbeschränkten Steuerpflicht kommen, so ist auf Basis der ein Verbleiben in der beschränkten Steuerpflicht möglich, wenn die inländischen Wohnsitze an maximal 70 Tagen genutzt werden. 

Zu dieser Thematik können wir Ihnen folgende weitere Veröffentlichung empfehlen: 

Zudem konzipieren wir derzeit gerade ein Webinar zur Thematik Wohnsitzverlagerung ins österreichische Ausland. Darüber werden wir Sie im Rahmen unserer Aussendungen gerne informieren.

Für weitere Fragen zu diesem Themenbereich stehen Ihnen die Verfasser sowie auch die übrigen ExpertInnen unserer Service Lines „Global Employment Services“, „International Tax“ sowie „Private Clients​​​​​​​“ gerne zur Verfügung!