NEWS  |   |  

EU-MELDEPFLICHTEN | DAC6-Richtlinie (teilweise) unionsrechtswidrig!

Das österreichische EU-Meldepflichtgesetz (EU-MPfG – BGBl I 2019/91 idgF), welches die Meldeverpflichtungen für bestimmte grenzüberschreitende Steuergestaltungen regelt, basiert bekanntlich auf der EU-Amtshilferichtlinie (EU-AHR idF DAC 6). Gemäß Art. 8ab Abs. 5 EU-AHR können die EU-Mitgliedstaaten sog. „Intermediäre“ (Rechtsanwälte, Steuerberater ua) von der grundsätzlichen Meldepflicht von Steuergestaltungen befreien, wenn diese durch eine derartige Meldung gegen eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht verstoßen würden. Diesfalls müssen die Mitgliedstaaten den befreiten Intermediär jedoch verpflichten, andere an der Gestaltung beteiligte Intermediäre oder - falls es solche nicht gibt - den relevanten Steuerpflichtigen selbst unverzüglich über die zu erfüllende Meldepflicht zu unterrichten. - Auf Grundlage eine Vorlageantrages des belgischen Verfassungsgerichts hat nunmehr der EuGH am 8.12.2022, C-694/20​​​​​​​, in der Rechtssache „Orde van Vlaamse Balies and Others“ entschieden, dass die fragliche Vorschrift des Art. 8ab Abs. 5 der EU-Amtshilferichtlinie (EU-AHR) idF des Art. 1 Z 2 der Richtlinie (EU) 2018/822 vom 25.5.2018 (DAC 6) gegen Art. 7 (Achtung des Privat- und Familienlebens) der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) verstößt. Im nachfolgenden Beitrag stellen wir Ihnen diese interessante EuGH-Entscheidung etwas näher dar und weisen auch auf die Auswirkungen für andere EU-Mitgliedstaaten bzw insbesondere auch Österreich hin.

​​​​​​​Über die durch EU-Richtlinienrecht (EU-AHR idF „DAC 6“) vorgegebenen Meldeverpflichtungen für grenzüberschreitende Steuergestaltungen, deren Umsetzung in Österreich mit dem EU-Meldepflichtgesetz (EU-MPfG) erfolgte, haben wir Sie im Rahmen unseres Newsletters schon mehrfach informiert. Auch über den vom belgischen Verfassungsgericht an den Europäischen Gerichtshof herangetragenen Vorlageantrag zu strittigen Bestimmungen in der den fraglichen Meldepflichten zugrunde liegenden EU-Amtshilferichtlinie (EU-AHR) hatten wir bereits einen Zwischenbericht erstattet (vgl zuletzt unseren NL-Beitrag „EU-MELDEPFLICHTEN | Verstößt DAC 6 gegen Grundrechte der EU?“ vom 13.4.2021). Dieses höchstgerichtliche Verfahren wurde nunmehr abgeschlossen:
 

Das Vorabentscheidungsersuchen


​​​​​​​Die Orde van Vlaamse Balies (flämische Rechtsanwaltskammer) beantragte beim belgischen Verfassungsgerichtshof (VfG) die vollständige bzw allenfalls teilweise Aussetzung und Nichtigerklärung der belgischen Regelung, mit der die Bestimmung des Art. 1 Z 2 DAC 6 in belgisches Recht umgesetzt wurde, wonach ein „Intermediär“, der einem Berufsgeheimnis unterliegt, andere beteiligte Intermediäre schriftlich und unter Angabe von Gründen davon zu unterrichten hat, dass er seiner Meldepflicht nicht nachkommen kann. Die strittige Bestimmung des Art. 8ab Abs. 5 EU-AHR idF Art. 1 Z 2 DAC 6 hat folgenden Wortlaut:

„Jeder Mitgliedstaat kann die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um den Intermediären das Recht auf Befreiung von der Pflicht zu gewähren, Informationen über eine meldepflichtige grenzüberschreitende Gestaltung vorzulegen, wenn mit der Meldepflicht nach dem nationalen Recht dieses Mitgliedstaats gegen eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht verstoßen würde. In solchen Fällen ergreift jeder Mitgliedstaat die erforderlichen Maßnahmen, um die Intermediäre zu verpflichten, andere Intermediäre oder, falls es keine solchen gibt, den relevanten Steuerpflichtigen unverzüglich über ihre Meldepflichten gemäß Absatz 6 zu unterrichten.“

Belgischen Rechtsanwälten sei es nicht möglich, dieser Informationspflicht nachzukommen, ohne das Berufsgeheimnis zu verletzen, an welches die Anwälte gebunden sind. Außerdem sei diese Informationspflicht gar nicht erforderlich, um die Meldung von grenzüberschreitenden Gestaltungen sicherzustellen, da der Mandant selbst – unabhängig vom Beistand eines Rechtsanwalts – die anderen Intermediäre unterrichten und von ihnen verlangen könne, ihrer Meldepflicht nachzukommen.

Nach Ansicht des VfG sei das belgische Berufsgeheimnis ein wesentlicher Bestandteil der Europäischen Grundrechtscharta (GRC), insbesondere in Bezug auf Art. 7 GRC, der das Recht auf Achtung des Privatlebens vorsieht, und Art. 47 GRC, der das Recht auf ein faires Verfahren gewährleisten soll. Allein der Umstand, dass eine Person einen Rechtsanwalt beizieht, falle sowohl nach belgischem Recht als auch nach Unionsrecht (§ 47 Abs. 2 GRC) unter den Schutz des Berufsgeheimnisses. Dies gelte erst recht für die Klienten des Rechtsanwalts. Die Informationen, die gegenüber Behörden durch das Berufsgeheimnis geschützt würden, seien auch gegenüber anderen Akteuren, wie zB anderen Intermediären, geschützt. Deshalb sei es belgischen Rechtsanwälten nicht möglich, die entsprechenden belgischen Vorschriften, mit denen DAC 6 umgesetzt worden ist, einzuhalten. Denn der befreite Intermediär könne einen anderen Intermediär über die Befreiung von der Meldepflicht nicht informieren, ohne dabei Daten über den relevanten Steuerpflichtigen preiszugeben. Ein solcher Eingriff sei nur zulässig, wenn dieser durch einen zwingenden Grund im Allgemeininteresse gerechtfertigt werden kann und die Durchbrechung des Berufsgeheimnisses verhältnismäßig ist. Vor Prüfung der Verfassungsmäßigkeit in Belgien müsse die Gültigkeit des Art. 8ab Abs. 5 EU-AHR (Art. 1 Z 2 DAC 6) im Hinblick auf Art. 7 und Art. 47 GRC durch den EuGH geprüft werden.


​​​​​​​Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EUGH 8.12.2022, C-694/20)


Schutz der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandanten

​​​​​​​
Einleitend weist der EuGH darauf hin, dass sich die Vorlagefrage zwar auf die in Art. 8ab Abs. 5 EU-AHR in der durch DAC 6 geänderten Fassung zur Informationspflicht gegenüber Intermediären und bei deren Fehlen gegenüber dem relevanten Steuerpflichtigen bezieht, das belgische VfG jedoch nur wissen will, ob diese Verpflichtung gültig ist, sofern die Information durch einen Rechtsanwalt, der iSv DAC 6 als Intermediär auftritt, an einen anderen Intermediär, der nicht sein Mandant ist, zu erfolgen hat. Denn Informationsweitergabe eines Rechtanwalts an seinen Mandanten würde keiner beruflichen Verschwiegenheitspflicht unterliegen. Deshalb ersucht das VfG den EuGH um Klärung, ob die in Art. 8ab Abs. 5 EU-AHR vorgesehene Informationspflicht unionsrechtskonform ist, wenn einem Rechtsanwalt als Intermediär die Pflicht auferlegt wird, andere Intermediäre, die nicht seine Mandanten sind, über bestehende Meldepflichten zu informieren, die ihm nach Art. 8ab Abs. 6 EU-AHR auferlegt werden, wenn er aufgrund seiner Verschwiegenheitspflicht von der in Art. 8ab Abs. 1 vorgesehenen Meldepflicht befreit ist. 

Bei der Prüfung der Vereinbarkeit der streitgegenständlichen Informationspflicht mit den einschlägigen Bestimmungen der GRC weist der EuGH darauf hin, dass Art. 7 GRC dem Art. 8 Abs. 1 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) entspricht und Art 47 GRC dem Art. 6 Abs. 1 EMRK. Bei der Auslegung der MRC müssen deshalb die Auslegungsergebnisse des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) berücksichtigt werden. Daraus ergibt sich, dass Art. 7 GRC die Vertraulichkeit jeder Korrespondenz zwischen Privatpersonen schützt und dem Schriftwechsel zwischen Rechtsanwälten und ihren Mandanten ein verstärkter Schutz zukommt. Art. 7 GRC garantiert deshalb notwendigerweise auch das Geheimnis der Rechtsberatung im Hinblick auf ihren Inhalt und ihre Existenz. Personen, die einen Rechtsanwalt konsultieren, müssen vernünftigerweise erwarten können, dass ihre Kommunikation privat und vertraulich ist (Urteil EGMR v. 9.4.2019, Altay v. Turkei (no. 2). Abgesehen von Ausnahmefällen müssten Personen mit Recht darauf vertrauen dürfen, dass ihr Anwalt ohne ihre Zustimmung niemandem offenlegen wird, dass sie ihn konsultieren. Der besondere Schutz des anwaltlichen Berufsgeheimnisses durch Art. 7 GRC ist dadurch gerechtfertigt, dass den Rechtsanwälten in einer demokratischen Gesellschaft die grundlegende Aufgabe der Vertretung der Rechtunterworfenen (Urteil EGMR v. 6.12.2012, Michaud v. France​​​​​​​) obliegt. Auf dessen Loyalität muss der Mandant vertrauen können (Urteil EGMR v. 18.5.1982, AM & S Europe Limited v.Kommission).

 

Die in Art 8ab Abs. 5 EU-AHR vorgesehene Verpflichtung, andere Intermediäre zu informieren, hat zwangsläufig zur Folge, dass diese anderen Intermediäre von der Identität des informierenden – als Intermediär zu qualifizierenden – Rechtsanwalts von dessen Einschätzung, dass eine Gestaltung meldepflichtig ist und von der Tatsache, dass er zu diesem Thema kontaktiert wurde, Kenntnis erlangen. Die in Art. 8ab Abs. 5 EU-AHR vorgesehene Informationspflicht hat daher einen Eingriff in das durch Art. 7 GRC garantierte Recht auf Achtung der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant zur Folge.


Rechtfertigung eines Eingriffs in Art. 7 MRC

In weiterer Folge war vom EuGH zu prüfen, ob ein Eingriff in das in Art. 7 MRC garantierte Recht auf Achtung der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant gerechtfertigt sein kann. Gemäß Art.52 Abs. 1 MRC sind Einschränkungen der Ausübung der durch die MRC gewährleisteten Rechte zulässig, sofern sie gesetzlich vorgesehen sind und den Wesensgehalt dieser Rechte achten. Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit müssen sie erforderlich sein und den von der EU anerkannten, dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer entsprechen (EuGH 21.6.2022, C-817/19):

Dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit wurde Genüge getan. Was die Achtung des in Art. 7 GRC garantierten Rechts auf Achtung der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant betrifft, verweist der EuGH darauf, dass die Informationspflicht nur in beschränktem Ausmaß dazu führt, dass die Vertraulichkeit dieser Kommunikation gegenüber Drittintermediären oder der Steuerverwaltung aufgehoben wird. Art. 8ab Abs. 5 EU-AHR sieht weder die Verpflichtung noch die Erlaubnis des Rechtsanwalts als Intermediär vor, ohne die Zustimmung seines Mandanten Informationen über den Inhalt der Kommunikation mit anderen Intermediären zu teilen, wodurch diese nicht in der Lage sind, solche Informationen der Steuerverwaltung zu übermitteln. Insofern ist der Wesensgehalt des Art. 7 MRC durch Art. 8ab Abs. 5 EU-AHR nicht beeinträchtigt. Die Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit verlangt, dass die Einschränkungen, die insbesondere durch Unionsrechtsakte an den in der MRC niedergelegten Freiheiten vorgenommen werden können, nicht über die Grenzen dessen hinausgehen, was zur Erreichung der verfolgten legitimen Ziele oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer geeignet und erforderlich ist. Stehen mehrere Maßnahmen zur Auswahl, ist die am wenigsten belastende Maßnahme zu wählen. Eine dem Gemeinwohl dienende Zielsetzung setzt voraus, dass eine Maßnahme geeignet ist, diese Zielsetzung zu erreichen, der Eingriff auf das absolut Notwendigste beschränkt ist, die Zielsetzung vernünftigerweise nicht ebenso wirksam mit anderen Mitteln erreicht werden kann und der Eingriff nicht unverhältnismäßig zu seiner Zielsetzung ist.

Nach Ansicht des EuGH dient die fragliche Informationspflicht der Bekämpfung aggressiver Steuerplanung und der Verhinderung von Steuerhinterziehung und Steuerbetrug, was zu den anerkannten, dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen iSd Art. 52 Abs. 1 GRC zählt, die es erlauben, die Ausübung der durch Art. 7 GRC garantierten Rechte einzuschränken. Allerdings kommt der EuGH zum Schluss, dass Art. 8ab Abs. 5 EU-AHR nicht als unbedingt erforderlich anzusehen ist, zumal DAC 6 ein ausreichendes Instrumentarium vorsieht, um sicherzustellen, dass die Finanzverwaltung die für sie relevanten Informationen erlangt, sei es durch den relevanten Steuerpflichtigen selbst oder durch einen anderen Intermediär. Dem Argument der französischen und lettischen Regierung, dass die Informationspflicht an andere Intermediäre geeignet sei, diese zu sensibilisieren, ihrer eigenen Meldepflicht nachzukommen und Informationsverluste zu verhindern, entgegnete der EuGH mit dem Hinweis, dass diese Information zur Erreichung der mit DAC 6 verfolgen Zielsetzung nicht erforderlich sei. Denn die Steuerbehörden könnten nach der Meldung einer Gestaltung vom relevanten Steuerpflichtigen zusätzliche Auskünfte einholen, der zu diesem Zweck wiederum einen Rechtsanwalt konsultieren könnte. Außerdem könnten die Finanzverwaltungen in der Folge eine Steuerprüfung veranlassen.

Daraus ergibt sich, dass Art. 8ab Abs. 5 EU-AHR gegen das in Art. 7 GRC garantierte Recht auf Achtung der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant verstößt, weil darin im Wesentlichen vorgesehen ist, dass der Rechtsanwalt als Intermediär verpflichtet ist, andere Intermediäre, die nicht seine Mandanten sind, über die ihnen obliegenden Melde- bzw Informationspflichten zu unterrichten. Im Originaltext klingt der zusammenfassende Urteilsspruch wie folgt:

„Art. 8ab Abs. 5 der Richtlinie 2011/16/EU des Rates vom 15. Februar 2011 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Aufhebung der Richtlinie 77/799/EWG in der durch die Richtlinie (EU) 2018/822 des Rates vom 25. Mai 2018 geänderten Fassung ist im Licht von Art. 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ungültig, soweit seine Anwendung durch die Mitgliedstaaten dazu führt, dass dem Rechtsanwalt, der als Intermediär im Sinne von Art. 3 Nr. 21 dieser Richtlinie in geänderter Fassung handelt, die Pflicht auferlegt wird, andere Intermediäre, die nicht seine Mandanten sind, unverzüglich über die Meldepflichten zu unterrichten, die ihnen nach Art. 8ab Abs. 6 dieser Richtlinie in geänderter Fassung obliegen, wenn dieser Rechtsanwalt aufgrund der Verschwiegenheitspflicht, der er unterliegt, von der in Art. 8ab Abs. 1 dieser Richtlinie vorgesehenen Meldepflicht befreit ist.“
 

Recht auf ein faires Verfahren

Bezüglich der Gültigkeit des Art. 8ab Abs. 5 EU-AHR im Hinblick auf das in Art. 47 GRC garantierte Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht wies der EuGH darauf hin, dass die Anforderungen, die aus dem Recht auf ein faires Verfahren folgen, definitionsgemäß einen Bezug zu einem Gerichtsverfahren voraussetzen, der in dem vom belgischen VfG vorgelegten Fall jedoch nicht gegeben war. Denn aus Art. 8ab Abs. 1 und 5 EU-AHR und insbesondere den in diesen Bestimmungen vorgesehenen Fristen ergibt sich, dass die Informationspflicht in einem frühen Stadium entsteht, spätestens dann, wenn die meldepflichtige grenzüberschreitende Gestaltung fertiggestellt wurde und umsetzungsbereit ist, also außerhalb eines Gerichtsverfahrens oder seiner Verbreitung. Der Rechtsanwalt als Intermediär handelt in diesem frühen Stadium nicht als Verteidiger seines Mandanten in einem Rechtsstreit. Der bloße Umstand, dass die Ratschläge des Rechtanwalts oder die grenzüberschreitende Gestaltung in einem späteren Stadium zu einem Rechtsstreit führen könnten, bedeutet nicht, dass das Tätigwerden des Rechtsanwalts im Rahmen oder im Interesse des Rechts auf Verteidigung seines Mandanten erfolgt. Deshalb ist davon auszugehen, dass die streitgegenständliche Informationspflicht keinen Eingriff in das in Art. 47 GRC garantierte Recht auf ein faires Verfahren mit sich bringt.

 

Unionsrechtswidrigkeit einer EU-Richtlinie

In der gegenständlichen Entscheidung hat der EuGH durch Heranziehen der GRC bzw der EMRK einen (teilweisen) Verstoß einer vom Rat verabschiedeten EU-Richtlinie gegen Unionsrecht festgestellt. Art. 8ab Abs. 5 EU-AHR ist im Lichte von Art. 7 GRC ungültig, soweit seine Anwendung durch die Mitgliedstaaten dazu führt, dass einem Rechtsanwalt, der als Intermediär iSd Art. 3 Nr. 21 EU-AHR handelt, die Pflicht auferlegt wird, andere Intermediäre, die nicht seine Mandanten sind, unverzüglich über diese Meldepflicht zu unterrichten, die ihm gemäß Art. 8ab Abs. 6 EU-AHG obliegt, wenn dieser Rechtsanwalt aufgrund seiner Verschwiegenheitspflicht von der in Art. 8ab Abs 1 vorgesehenen Meldepflicht befreit ist.

Dies bedeutet, dass die Richtlinie diesbezüglich anzupassen ist. Die in Art. 8ab Abs. 5 EU-AHR vorgesehene Verpflichtung befreiter Intermediäre, andere Intermediäre entsprechend zu informieren, wird wohl gestrichen werden müssen.


FAZIT


Auch Österreich hat die nunmehr vom EuGH als EU-widrig erachtete Regelung des Art. 8ab Abs. 5 EU-AHR übernommen, und zwar in § 11 des EU-Meldepflichtgesetzes (EU-MPfG): Darin heißt es, dass jeder gemäß § 11 Abs. 1 EU-MPfG befreite Intermediär alle relevanten Steuerpflichtigen unverzüglich von seiner Befreiung und den Übergang der Meldepflicht zu informieren hat. Hierbei hat der Intermediär dem bzw den jeweiligen relevanten Steuerpflichtigen alle ihm bekannten, in seinem bzw ihrem Besitz oder seiner bzw ihrer Kontrolle befindlichen, den relevanten Steuerpflichtigen betreffenden Informationen (§ 16 oder 17 EU-MPfG) über eine meldepflichtige Gestaltung mitzuteilen. Über Aufforderung hat der Intermediär gemäß § 11 Abs. 3 EU-MPfG einen Nachweis über die erfolgte Information zu übermitteln.

Eine Eliminierung dieser EU-widrigen Informationspflicht sollte allerdings das Begehren der Finanzverwaltung nach ausreichenden Informationen zu grenzüberschreitenden Steuergestaltungen nicht wesentlich beeinträchtigen, zumal bei Befreiung eines Intermediärs von der Meldepflicht gemäß § 11 Abs. 1 EU-MPfG diese vollumfänglich vom relevanten Steuerpflichtigen wahrzunehmen ist.

Für weitergehende Fragen zum EU-Meldepflichtgesetz stehen Ihnen die Verfasser dieses Beitrages mit ihrer Service Line "International Tax" selbstverständlich zur Verfügung. Gerne können wir Ihnen auch einen Testzugang zum ICON. DAC6 MANAGER anbieten, der Ihnen ohne großen Aufwand eine verlässliche Prüfung allfälliger Meldepflichten Ihrer grenzüberschreitenden Gestaltungen ermöglicht.