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GLOBALE MINDESTBESTEUERUNG | Noch keine Einstimmigkeit im ECOFIN!

Am 15.3.2022 hatten die Wirtschafts- und Finanzminister der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (ECOFIN) erstmals die Umsetzung des EU-Richtlinienvorschlages vom 22.12.2021 zur Gewährleistung einer globalen Mindestbesteuerung für multinationale Unternehmensgruppen auf ihrer Tagesordnung. Dabei wurde zwar eine grundsätzliche Einigung erzielt, nachdem vom französischen EU-Ratsvorsitz ein adaptierter Kompromissvorschlag präsentiert worden war. Die für eine Verabschiedung der Richtlinie notwendige Einstimmigkeit scheiterte jedoch am Veto von Polen, Schweden, Malta und Estland. Auch anlässlich des Folgetreffens am 5.4.2022 scheiterte die Annahme des Richtlinienvorschlages am Widerstand Polens. Das nächste Treffen des ECOFIN, bei dem auch Polen überzeugt werden soll, ist für den 24.5.2022 geplant.

EU-Richtlinienvorschlag im Überblick 


​​​​​​​Im Rahmen unseres Newsletters sowie auch in div. Webinaren informieren wir regelmäßig über die aktuellen Entwicklungen im Bereich der globalen Mindestbesteuerung, kurz „Pillar 2“ (vgl zuletzt unseren NL-Beitrag „GLOBALE MINDESTBESTEUERUNG | Anwendbarkeit von PILLAR 2 und GILTI?“ vom 14.3.2022).

Wenngleich der diesbezügliche EU-Richtlinienvorschlag mittlerweile bereits zweimal auf der Tagesordnung des ECOFIN stand, konnte die für steuerliche Maßnahmen in der EU notwendige Einstimmigkeit für die Einführung einer globalen Mindeststeuer in den Mitgliedstaaten bislang noch NICHT erreicht werden. 

Am 22.12.2021 wurde der EU-Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission präsentiert, der die Vorgaben für eine unionskonforme Einführung der globalen Mindestbesteuerung für Großkonzerne in den EU-Mitgliedstaaten zum Inhalt hat. Damit bezweckt die EU-Kommission eine ehestmögliche Umsetzung des vom OECD/G20 Inclusive Framework on BEPS (IF) entwickelten Konzepts, um innerhalb der Europäischen Union eine gerechtere Steuerverteilung zu bewerkstelligen, Gewinnverschiebungen in Niedrigsteuerländer eine Schranke zu setzen und Staaten der Möglichkeit zu berauben, durch Niedrigbesteuerung wettbewerbsverzerrende Investitionsanreize zu schaffen.  

Der EU-Richtlinienvorschlag beruht auf Art 115 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), welcher der EU eine Handlungsermächtigung zur Angleichung derjenigen Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten einräumtdie sich unmittelbar auf die Errichtung oder das Funktionieren des Binnenmarktes auswirken. Der Richtlinienvorschlag entspricht nach Ansicht der Kommission auch den Grundsätzen der Subsidiarität (Art. 5 AEUV) und der Verhältnismäßigkeit. Der Text orientiert sich sehr eng an den Vorgaben der OECD. Die zentralen Bausteine der Richtlinie sind dem OECD-Vorschlag folgend einerseits die primär anzuwendende Ertragseinbeziehungsregel („Income Inclusion Rule“, idF als „IIR“ bezeichnet) und anderseits die umgekehrte Ertragseinbeziehungsregel („Undertaxed Payment Rule“ – besser „Undertaxed Profits Rule“, idF als „UTPR“ bezeichnet). 

Die globale Mindestbesteuerung soll auf große Unternehmensgruppen angewandt werden, die - ausgehend vom Konzernabschluss - einen jährlichen konsolidierten Umsatz von mindestens 750 Mio EUR ausgewiesen haben. Diese Umsatzgrenze ist auch iZm anderen Meldeverpflichtungen, wie etwa bezüglich der länderbezogenen Berichterstattung (CbC-Reporting), von Relevanz. 

Im Vergleich zur OECD-Modellgesetzgebung musste die Kommission in ihrem Richtlinienentwurf jedoch Anpassungen vornehmen, um die Einhaltung unionsrechtlicher Grundprinzipien zu gewährleisten und gleichzeitig eine Überregulierung im Europäischen Raum zu vermeiden. Aus diesem Grund soll der Anwendungsbereich der Richtlinie auch auf rein national tätige Unternehmensgruppen erstreckt werden. Diese Abweichung von den OECD-Mustervorschriften ist notwendig, damit die Grundfreiheiten der EU - allen voran die Niederlassungsfreiheit - gewahrt werden. Gemäß Art. 114 Abs. 2 AEUV können steuerliche Vorschriften zur Realisierung des EU-Binnenmarktes aber nicht bloß im Wege einer Mehrheitsentscheidung ergehen sondern bedürfen der Einstimmigkeit zwischen allen 27 EU-Mitgliedstaaten. 

ECOFIN am 15.3.2022 


​​​​​​​Anlässlich der Tagung des ECOFON am 15. März 2022 standen auch Beratungen über die Mindestbesteuerungsrichtlinie der Kommission auf der Tagesordnung. Das Treffen fand einen Tag nach Veröffentlichung des lange erwarteten Kommentars zur OECD-Modellgesetzgebung sowie der Beispielesammlung statt. Im Vorfeld des Treffens hatte die französische Ratspräsidentschaft noch einen Kompromissvorschlag präsentiert, der im Vergleich zur ursprünglichen Fassung der Richtlinie die folgenden Änderungen enthielt: 

  • Verschiebung der Frist zur Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht von 31.12.2022 auf 31.12.2023;
  • Verschiebung des Zeitpunktes der erstmaligen Anwendung vom 1.1.2023 auf 31.12.2023;
  • Einräumung der Möglichkeit für Mitgliedstaaten, in denen weniger als zehn oberste Muttergesellschaften (UPE’s) ansässig sind, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen, die Anwendung der IIR und der UTPR bis 2025 auszusetzen (Art. 47a);
  • Verzicht auf das von der Kommission vorgeschlagene, strenge EU-weite Sanktionsregime und Sanktionierung nach jeweils innerstaatlichem Steuerrecht;
  • Verschiebung des Beginns der fünfjährigen Übergangsfrist für rein nationale Unternehmensgruppen von 1.1.2023 auf 31.12.2023;
  • Neue Regeln zur Bestimmung der Gleichwertigkeit äquivalenter IIR-Regeln in Drittstaaten

Polen, Schweden, Malta und Estland sprachen sich jedoch gegen diesen Kompromissvorschlag aus. 

Kompromissvorschlag vom 28.3.2022 


​​​​​​​Sodann wurde am 28. März 2022 vom Rat der Europäischen Union ein weiterer Kompromissvorschlag veröffentlicht. Der Kompromisstext enthält mehrere Anpassungen, wobei die wichtigste Änderung die erweiterte Übergangsbestimmung in Art 47a „Entscheidung für einen Aufschub der Anwendung der IIR und UTPR“ betrifft. Demnach soll Mitgliedsstaaten, in denen maximal zwölf UPE (im oa ersten Entwurf waren es noch zehn UPE gewesen), die in den Anwendungsbereich von Pillar 2 fallen, ansässig sind, die Möglichkeit eingeräumt werden, die Anwendung der IIR und der UTPR ab dem 31.12.2023 für weitere sechs (aufeinanderfolgende) Geschäftsjahre zu verschieben. 

ECOFIN am 5.4.2022 


​​​​​​​Im Zuge des letzten ECOFIN am 5. April 2022 wurde der Kompromisstext vom 28.3.2022 vorgestellt. Durch die vorgenommenen Anpassungen hatte sich die französische Ratspräsidentschaft eine einstimmige Annahme des Richtlinienvorschlags erwartet. Allein Polen verweigerte seine Zustimmung und forderte eine klare rechtliche Verknüpfung zwischen Pillar I und Pillar II. Auch die Tatsache, dass im vorangegangenen ECOFIN vom 15.3.2022 bereits grundsätzliche Einigkeit über die Umsetzung von Pillar 1 und Pillar 2 in Form von Richtlinien erzielt worden war, konnte Polen nicht umstimmen. Polens nunmehrige Ablehnung stieß beim französischen Ratsvorsitzenden Le Maire auf Unverständnis, der aber bereits angekündigt hat, das Bemühen um eine Einigung über den EU-Richtlinienentwurf beim nächsten ECOFIN am 24.5.2022 an oberste Stelle zu setzen. 

FAZIT 


​​​​​​​Zur Umsetzung des EU-Richtlinienvorschlages zur globalen Mindestbesteuerung (Pillar 2) bedarf es der Einstimmigkeit aller Mitgliedstaaten. Um dieses Ziel zu erreichen, wurden in einem angepassten Richtlinienvorschlag bereits Zugeständnisse bei dessen zeitlicher Umsetzung gemacht. So wurde darin die Option vorgesehen, die Anwendung der Income Inclusion Rule (IIR) und Undertaxed Payments Rule (UTPR) für Mitgliedstaaten, in denen maximal zwölf Konzernobergesellschaften (UPE) ansässig sind, ab dem 31.12.2023 um bis zu sechs Jahre verschieben zu können. Dennoch konnte im letzten ECOFIN am 5.4.2022 aufgrund der Ablehnung durch Polen noch keine Einstimmigkeit erzielt werden, die allerdings anlässlich des nächsten Treffens der Wirtschafts- und Finanzminister am 24.5.2022 erwartet wird. 

Aber selbst wenn keine Einstimmigkeit erwirkt werden kann, sind die Mitgliedstaaten nicht daran gehindert, „Säule 2“ in ihr innerstaatliches Steuerrecht zu übernehmen. Denn sie haben als Mitglieder des IF der OECD-Modellgesetzgebung bereits zugestimmt und sich deshalb – zumindest politisch - zu deren Umsetzung verpflichtet. Eine EU-Richtlinie würde die Mitgliedstaaten allerdings auch rechtlich zur Einführung einer Mindestbesteuerung verpflichten. 

Für weitere Fragen zu dem von der OECD entwickelten und von der EU übernommenen Konzept der globalen Mindestbesteuerung und den vorbereitenden Maßnahmen, die Sie in betroffenen Unternehmen zeitgerecht setzen sollten, stehen Ihnen die Verfasser dieses Beitrages sowie auch die übrigen ExpertInnen der Service Line "International Tax" natürlich gerne zur Verfügung!

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