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GROSSBRITANNIEN | Bauleistungs-Reverse Charge erst ab 1.10.2020!

Nach langer Vorankündigungszeit wurde nunmehr auch im Umsatzsteuerrecht Großbritanniens ein Bauleistungs-Reverse Charge-Verfahren normiert, welches ursprünglich mit 1.10.2019 in Kraft treten sollte. Die großen politischen Unsicherheiten dürften jedoch auch hier ihre Wellen schlagen, und so wurde noch kurzfristig bekannt gegeben, dass das Inkrafttreten um ein Jahr auf 1.10.2020 verschoben wird, sodass das neue Verfahren voraussichtlich erst nach dem BREXIT, also dem Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union, wirksam werden soll.

Die Einführung eines Bauleistungs-Reverse Charge-Verfahrens, also den Übergang der Umsatzsteuerschuld auf den Leistungsempfänger, war in Großbritannien – primär gedacht zur Umsatzsteuerbetrugsbekämpfung, die bekanntlich ein essentielles Thema in der gesamten Europäischen Union ist -  bereits seit Herbst 2017 in Planung (auch wir hatten darüber bereits berichtet, vgl zuletzt unseren NL-Beitrag „UMSATZSTEUER | Wichtige Neuerungen im EU/EWR-Raum“ vom 16.12.2018).

Die ersten Konsultationen zum Gesetzesentwurf und dessen Auswirkungen fanden dann im Sommer 2018 statt. Im November 2018 wurden die ersten Rechtsvorschriften und Leitlinien veröffentlicht. Diese lange Vorlaufzeit ist darauf zurückzuführen, dass die möglichen finanziellen Abflüsse sowie die administrativen Auswirkungen vorab genau beleuchtet werden sollten. Im Juni 2019 wurde schließlich die Normierung eines Bauleistungs-Reverse Charge-Verfahrens in Großbritannien in der endgültigen Fassung veröffentlicht.

Trotz der detaillierten, bereits veröffentlichten Voraussetzungen für die Anwendung des neuen Bauleistungs-Reverse Charge-Verfahrens wurde am 6.9.2019 bekanntgegeben, dass das ursprünglich mit 1.10.2019 geplant gewesene Inkrafttreten um ein Jahr auf 1.10.2020 verschoben wird. Begründet wird diese Verschiebung insbesondere damit, dass Vertreter der Industrie große Bedenken über die kurzfristige Einführung des Bauleistungs-Reverse Charge-Verfahrens geäußert hätten, weil sich insbesondere die hauptsächlich betroffenen Unternehmen im Bausektor aufgrund der zu kurzen Vorlaufzeit nicht hinreichend vorbereiten könnten (Prüfung der Anwendungsvoraussetzungen, systemtechnische Anpassungen etc). Darüber hinaus wurden als Grund für die Verschiebung aber auch die beinahe zeitgleichen Änderungen im Zusammenhang mit dem bevorstehenden „BREXIT“ genannt, wobei nach wie vor völlige Ungewissheit herrscht, ob es doch noch zu vertraglichen Vereinbarungen zwischen der EU und Großbritannien oder aber zu einem „Hard Brexit“ kommen wird.

Seitens der britischen Behörde wird jedoch beteuert, dass – ungeachtet des bevorstehenden Austritts Großbritanniens aus der EU – auch weiterhin an der Einführung eines Bauleistungs-Reverse Charge-Verfahrens festgehalten werden soll. Weiters wird versucht, zusätzliche Ressourcen zu schaffen, um das Bewusstsein zu schärfen und so die Umsetzung des neuen Bauleistungs-Reverse Charge-Verfahrens zu unterstützen.

Wenngleich freilich abzuwarten ist, ob die geplanten Regelungen bis zum tatsächlichen Inkrafttreten unverändert bleiben werden, möchten wir die bereits veröffentlichten Anwendungsvoraussetzungen nachfolgend kurz erläutern: 

Anwendungsbereich und Anwendungsvoraussetzungen 

Der Anwendungsbereich des neuen Reverse Charge-Verfahrens ist auf Leistungen beschränkt, die als sog. „Bauleistungen“ zu qualifizieren sind. Deren Definition knüpft an jene von „construction operations“ an, welche bei der BauabzugsteuerCIS“ Anwendung findet. Somit sind darunter beispielsweise Bau, Umbau, Reparatur, Erweiterung, Abriss von Gebäuden, Tiefbau, Heizungs-, Licht- und Klimainstallationen zu subsumieren.

Vom Anwendungsbereich des Bauleistungs-Reverse Charge-Verfahrens ausdrücklich ausgenommen ist hingegen die Überlassung von Arbeitskräften zur Ausführung einer Bauleistung.

Das Bauleistungs-Reverse Charge-Verfahren findet laut den vorliegenden Informationen der britischen Behörde unter folgenden Voraussetzungen Anwendung:

Der Leistungsempfänger muss in Großbritannien sowohl zur CIS (Construction Industry Scheme = Bauabzugsteuer in Großbritannien) als auch zur Umsatzsteuer registriert sein. Zudem muss der Leistungsempfänger wiederum mit der Erbringung einer entsprechenden Leistung beauftragt sein (Generalunternehmer), d.h. es darf sich beim Leistungsempfänger nicht um den Endabnehmer handeln.

Der leistende Unternehmer wiederum muss in Großbritannien zur Umsatzsteuer registriert sein.

Grundsätzlich obliegt es dem Kunden, seinen Subunternehmer auf seinen umsatzsteuerlichen Status als Generalunternehmer und folglich die Anwendbarkeit des Bauleistungs-Reverse Charge-Verfahrens oder anderenfalls seinen Status als Endabnehmer hinzuweisen. 

Rechnungslegung

Hinsichtlich der Fakturierung ist zusätzlich zu den in Großbritannien erforderlichen Rechnungsmerkmalen einer der folgenden Verweise auf die Anwendung des Bauleistungs-Reverse Charge-Verfahrens anzuführen:

  • „Reverse Charge: VAT Act 1994 Section 55A applies“,
  • „Reverse Charge: S55A VATA 94 applies“ oder
  • „Reverse Charge: Customer to pay VAT to HMRC“.

Zudem hat die Angabe des Steuerbetrages, der vom Leistungsempfänger geschuldet wird oder alternativ der Vermerk „VAT is to be accounted by the customer at the standard/reduced rate of VAT“ zu erfolgen. 

Praxistipps

Sollte Ihr Unternehmen im nächsten Jahr neue Projekte in Großbritannien planen oder dauern aktuelle Projekte noch über einen längeren Zeitraum an, empfehlen wir, rechtzeitig sämtliche Verträge mit Kunden und Subunternehmern dahingehend zu prüfen, ob die zu erbringenden Leistungen in den Anwendungsbereich des neuen Bauleistungs-Reverse Charge Verfahrens fallen. Auch Informationen über den Status des Leistungsempfängers als Generalunternehmer oder Endabnehmer sollten rechtzeitig eingeholt werden, weshalb wir empfehlen, in diesem Zusammenhang vorab eine schriftliche Abstimmung mit den Kunden vorzunehmen oder einen entsprechenden Vermerk in den Vertrag aufzunehmen.

Welche Meldepflichten sich unter anderem mit der Verbringung von Baumaterialen nach Großbritannien zur Erbringung einer Bauleistung ergeben werden, ist erheblich davon abhängig, ob es tatsächlich zum befürchteten „Hard Brexit“ (bzw „No Deal Brexit“) kommen wird, oder ob doch noch eine vertragliche Einigung zwischen Großbritannien und der Europäischen Union für einen geregelten EU-Austritt gelingt. Im Falle eines „Hard Brexits“ wird vor allem die künftige zollrechtliche Abwicklung von Bedeutung sein.  

Zusammenfassung

Es wurden bereits detaillierte Regelungen zum neuen Bauleistungs-Reverse Charge-Verfahren in Großbritannien veröffentlicht, welches ursprünglich mit 1.10.2019 in Kraft treten sollte. Am 6.9.2019 wurde jedoch seitens der britischen Behörde bekannt gegeben, dass das Inkrafttreten um ein Jahr auf 1.10.2020 verschoben wird. Ob die derzeitig vorgesehenen Anwendungsvoraussetzungen - nicht zuletzt aufgrund des zwischenzeitig schlagend werdenden „Brexits“ - unverändert beibehalten werden, bleibt freilich abzuwarten. Wir werden Sie über die weiteren Entwicklungen in Zusammenhang mit dem Brexit und die daraus resultierenden steuerlichen Änderungen, insbesondere betreffend die umsatzsteuerliche und zollrechtliche Abwicklung mit dem zukünftigen „Drittland“ Großbritannien, natürlich auf dem Laufenden halten.
 

Für weitere Fragen stehen Ihnen die Verfasserinnen sowie auch die übrigen MitarbeiterInnen der ICON Service Line "Indirect Tax & Customs"  gerne zur Verfügung.

Weiters möchten wir Sie an dieser Stelle auch noch auf unsere nächsten Seminare im Rahmen der ICON TAX ACADEMY in LINZ hinweisen, in deren Fokus die Neuerungen im Bereich Umsatzsteuer national und international liegen. Melden Sie sich gerne gleich hier dafür an:

  • 24.10.2019 | Umsatzsteuerpraxis bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen und Lieferungen“ | Linz

  • 28.11.2019 | "Umsatzsteuer Update“ | Linz 

Weitere Seminare (auch in Wien und Graz) finden Sie in unserem Veranstaltungskalender.