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NEUE INTERNATIONALE GEWINNVERTEILUNG | Update zu Pillar 1

Mit der Zielsetzung, Gewinne großer multinationaler Konzerne nicht nur dort zu besteuern, wo sich deren Unternehmenssitz befindet, sondern auch dort, wo die Gewinne erwirtschaftet werden, hat die OECD im Rahmen ihres „Zwei-Säulen-Modells“ als „Säule 1“ neue steuerliche Anknüpfungsregeln (Nexus), samt Erweiterung der Besteuerungsrechte der „Marktstaaten“, vorgeschlagen. Auf Grundlage der im Oktober 2020 verabschiedeten „Blueprints“ konnte im Oktober 2021 die (politische) Zustimmung von 137 Staaten des Inclusive Framework on BEPS (OECD-IF) zu diesen neuen Besteuerungskonzepten erwirkt werden. Inzwischen sind weitere Details zur Umsetzung der neuen Gewinnverteilungsregelung bekannt geworden, über die wir Sie nachfolgend wieder informieren möchten.

Über das geplante „Zwei-Säulen-Modellder OECD, welches eine gravierende Neuregelung der internationalen Ertragsbesteuerung vorsieht, haben wir im Rahmen unseres Newsletters bereits mehrfach berichtet (vgl zur nachfolgend aktualisierten „Säule 1“ zuletzt unseren NL-Beitrag „BEPS | FAQ zur globalen Steuerreform (Pillar 1 und 2)“ vom 15.12.2021).

 

Neuverteilung internationaler Besteuerungsrechte

 

Nachdem die OECD im Oktober 2015 15 BEPS-Aktionspunkte veröffentlicht hatte, darunter „BEPS Action 1“, der sich mit den steuerlichen Herausforderungen der Digitalisierung beschäftigte, jedoch noch keine Lösungen bereitstellte, hat das OECD-IF weitere Anstrengungen unternommen, um eine globale Lösung zur Besteuerung der Digitalwirtschaft zu finden. Während ursprünglich nur Konzerne im Bereich der „Automatic Digital Services“ und des „Consumer Facing Business“ erfasst werden sollten, sind nunmehr grundsätzlich sämtliche Unternehmen aller Branchen davon betroffen, deren weltweiter Konzernumsatz EUR 20 Mrd überschreitet und deren Gewinnschwelle mehr als 10 % beträgt. Von dem „Übergewinn“ sollen 25 % den Marktstaaten überlassen werden („Amount A“).

Diese hohe Umsatz- und Profitabilitätsgrenze hat faktisch zur Folge, dass die „Säule 1“ überwiegend die größten und profitabelsten Digitalkonzerne trifft, die größtenteils in den USA ansässig sind (zB Apple, Microsoft, Alphabet, Amazon oder Mega Platforms). Aber auch andere Großkonzerne wie Tesla oder Saudi Aramco werden davon betroffen sein. Aus heutiger Sicht dürfte kein österreichisches Unternehmen in den Anwendungsbereich von Säule 1 fallen. Dies kann sich jedoch ändern, wenn – wie von der OECD geplant – nach erfolgreicher Implementierung der Säule 1 und der Schaffung ausreichender Rechtssicherheit (voraussichtlich in sieben Jahren) die Umsatzschwelle auf EUR 10 Mrd abgesenkt wird.

 

Ausnahmen für bestimmte Branchen

 

Von Säule 1 ausgenommen sind gewisse Finanzdienstleistungen („regulated financial services“) und Konzerne, die im Bereich der Rohstoffgewinnung tätig sind. Zur Ausnahme für „ectractives“ hat die OECD im April 2022 ein Konsultationspapier veröffentlicht.

 

Ermittlung der Gewinnschwelle

 

Die Gewinngrenze muss sowohl im aktuellen Steuerjahr als auch in zwei der vier vorhergehenden Steuerjahre und zudem im Durchschnitt der aktuellen sowie der vorhergehenden vier Steuerjahre überschritten worden sein. Ob der „Pre-Tax-Profit“ rollierend oder nur einmalig iS eines Eintrittstests ermittelt werden muss, ist noch unklar. Ausgangspunkt ist der unternehmensrechtlich ermittelte Gewinn oder Verlust unter Zurechnung von Steuern, Dividenden, Veräußerungsgewinnen und nicht abzugsfähigen Aufwendungen („policy disallowed expenses“) sowie Einkünften aus Neubewertungen. Zweifel bestehen noch bezüglich der Berücksichtigung von Wertberichtigungen und Verlustvorträgen. Nach den Plänen der OECD sollen Verlustvorträge über einen Zeitraum zwischen 5 und 15 Jahren vorgetragen werden können.

Im Februar 2022 hat die OECD eine Modellgesetzgebung zur Ermittlung der steuerlichen Bemessungsgrundlage veröffentlicht und im April 2022 eine solche zur Definition der von Säule 1 betroffenen Unternehmen („Scope“). ​​​​​​​

 

Zuordnung von Gewinnen an den „Endmarkt“

 

Eines der schwierigsten Arbeitspakete zu Säule 1 ist die Festlegung der für die Zuordnung von Besteuerungsrechten an den „Endmarkt“ relevanten Umsätze. Dazu hat die OECD im Februar 2022 den Entwurf von Model Rules for Nexus and Revenue Sourcing veröffentlicht, worin eine transaktionsbezogene Ermittlung des Umsatzes nach folgenden Kategorien vorgesehen ist: (1) Verkauf von Fertigprodukten, (2) Verkauf digitaler Produkte, (3) Verkauf von Komponenten, (4) Verkauf von Dienstleistungen, (5) Überlassung von Rechten und Verkauf von Lizenzen und Nutzerdaten, (6) Immobilien, (7) Staatliche Förderungen, (8) Kundenfremde Erlöse (“non-customer revenues”).

In Zusammenhang mit dem Verkauf digitaler Produkte, soll die Besteuerung desÜbergewinns“ dort erfolgen, wo die Betrachter der Werbung ansässig sind, wofür die IP-Adressen, die Geolokalisierung oder Informationen aus dem Benutzerprofil herangezogen werden sollen. Beim Verkauf von Waren an Konsumenten sollen die Gewinne jenen Staaten zugeordnet werden, wo die finale Lieferung an den Kunden stattfindet. Indikatoren dafür sollen die Lieferadresse bzw die Anschrift des Letztverkäufers sein. In Zweifelsfällen sollen auch makroökonomische Daten zur Identifikation des besteuerungsberechtigten Marktstaates herangezogen werden.

 

Safe Harbour für Marketing- und Vertriebsaktivitäten

 

Neben einem Amount B“, der darauf abzielt, die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes auf bestimmte Routine-Marketing- und Vertriebsfunktionen zu vereinfachen und damit verbundene Besteuerungskonflikte zu reduzieren, soll „Amount A“ um einen „Marketing & Distribution Safe Harbour“ gekürzt werden, um Doppelerfassungen zu verhindern, wenn im jeweiligen Marktstaat ohnehin bereits eine Besteuerung erfolgt. Die konkrete Ausgestaltung dieses „Safe Harbour“ ist jedoch noch offen.

 

Vermeidung von Doppelbesteuerung

 

Dem durch Säule 1 den Markstaaten eingeräumten Besteuerungsrecht muss in anderen Staaten eine entsprechende Steuerentlastung gegenüberstehen. Nachdem „Amount A“ auf Konzernebene ermittelt werden muss, gilt es festzustellen, auf Ebene welcher Konzerngesellschaft diese Entlastung vorzunehmen ist. Die OECD arbeitet noch an diesem Thema, wobei die folgenden Tests in Erwägung gezogen werden:

  • Aktivitätstest (qualitative Analyse): Welche Konzerneinheit übt die Tätigkeiten aus, mit denen der Übergewinn erwirtschaftet worden ist?
  • Rentabilitätstest: Welche Konzerneinheit verfügt über die Mittel, um die Steuerschuld zu tragen?
  • Marktbezugstest: Welche Konzerneinheit hat einen Bezug zu den relevanten Märkten?
  • Pauschale Allokation:  Anteilsmäßige Verteilung des Amount A auf die restlichen Einheiten

Als Methode zur Entlastung von doppelter Besteuerung kommen die Befreiungsmethode und die Anrechnungsmethode in Frage. 

 

FAZIT

 

Konzerne, die potenziell unter das künftige internationale Besteuerungsregime der „Säule 1“ fallen, stehen im Wesentlichen vor der Herausforderung prüfen zu müssen, ob und wie Säule 1 tatsächlich auf sie anwendbar ist. Sie müssen also feststellen, in welchen Staaten der „Übergewinn“ zu versteuern ist, wie dieser berechnet werden muss und auf Ebene welcher Konzerngesellschaften eine steuerliche Entlastung vorzunehmen ist.

Viele Details sind seitens der OECD noch zu klären, wofür der verfügbare zeitliche Rahmen denkbar eng ist. Denn immerhin will die OECD das der Umsetzung der Säule 1 dienende multilaterale Abkommen den Staaten bis Ende des ersten Halbjahres 2022 (!) in Paris zur Unterschrift bereitstellen.

Wir werden Sie natürlich auch über die weitere Entwicklung auf dem Laufenden halten. Für Fragen zu den neuen Nexus- und Gewinnverteilungsregeln stehen Ihnen die Verfasser dieses Beitrages sowie auch die übrigen ExpertInnen der Service Line "International Tax​​​​​​​" gerne zur Verfügung!