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RUSSLAND | BMF-Info Suspendierung des Doppelbesteuerungsabkommens

Im Zuge einer Verbalnote vom 8. August 2023 hat Russland mit sofortiger Wirkung zahlreiche Bestimmungen des zwischen Österreich und Russland abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommens suspendiert. Mit der BMF-Info vom 6. Dezember 2023 hat Österreich auf diese einseitige Aussetzung in der Weise reagiert, dass auf österreichischer Seite einzelne Bestimmungen ebenfalls nicht mehr angewandt werden.

Wirksamkeitsbeginn

Russland wendet einzelne Bestimmungen des Doppelbesteuerungsabkommens mit Österreich (DBA) seit 8. August 2023 nicht mehr an. Mangels formeller Kündigung hatte indessen Österreich das DBA grundsätzlich weiterhin anzuwenden. Österreich hat mit der BMF-Info Suspendierung des Doppelbesteuerungsabkommens durch Russland vom 6. Dezember 2023 nunmehr klargestellt, dass die suspendierten Bestimmungen auch auf österreichischer Seite mit Kundmachung im Bundesgesetzblatt ausgesetzt sind. 

Die betroffenen Bestimmungen

Von der Suspendierung sind mehrere zentrale Bestimmungen des DBA betroffen, darunter Regelungen zur Betriebstätte, sämtliche Verteilungsnormen, Gleichbehandlung, Amtshilfe bei der Vollstreckung von Steuern, Beschränkung von Vergünstigungen sowie die Protokollbestimmung zu Art 25. Nicht betroffen hingegen sind essentielle Regelungen betreffend den persönlichen Geltungsbereich, unter das Abkommen fallende Steuern, allgemeine Begriffsbestimmungen, Ansässige Person. Formell ebenfalls nicht betroffen sind Regelungen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, Verständigungsverfahren und Informationsaustausch (zur faktischen Unabwendbarkeit siehe unten). 

Anwendbarkeit innerstaatlichen Steuerrechts

Die Suspendierung hat unmittelbare Auswirkungen auf die österreichische Besteuerungspraxis. Da die Verteilungsnormen des DBA ausgesetzt sind, erfolgt keine Aufteilung der Besteuerungsrechte zwischen den Staaten. Die Vertragsstaaten sind nicht daran gehindert, nach den Regelungen ihres nationalen Rechts uneingeschränkt zu besteuern.

Methodenartikel

Der Methodenartikel (Art. 23), der die Vermeidung der Doppelbesteuerung regelt, bleibt von der Suspendierung formal unberührt. Da allerdings Russland die Zuteilungsregelungen ausgesetzt hat, läuft auch der Methodenartikel de facto ins Leere. Die Doppelbesteuerung kann daher nur durch unilaterale Maßnahmen beseitigt werden. In Österreich sind hier die Verordnung zu § 48 BAO sowie der § 48 BAO-Bescheid zu nennen:

Die Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend die Vermeidung von Doppelbesteuerungen (Bundesgesetzblatt II Nr. 474/2002) sieht vor, dass bei unbeschränkt Steuerpflichtigen zur Vermeidung einer internationalen Doppelbesteuerung bestimmte positive ausländische Einkünfte (unbewegliches Vermögen; Gewerbebetrieb; selbständiger Arbeit; Bauausführung oder Montage; Vortrags- oder Unterrichtstätigkeit; Mitwirkung an einer Unterhaltungsdarbietung; nichtselbständiger Arbeit) von der Besteuerung auszunehmen, wenn sie aus Staaten stammen, mit denen Österreich kein darauf anwendbares Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen hat und wenn sie im ausländischen Staat einer der österreichischen Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer vergleichbaren Besteuerung unterliegen, deren Durchschnittsteuerbelastung mehr als 15% beträgt. Ist kein Doppelbesteuerungsabkommen anwendbar und wird der Eintritt einer internationalen Doppelbesteuerung nicht nach der Befreiungsmethode beseitigt, sind bei unbeschränkt Steuerpflichtigen ausländische Steuern vom Einkommen auf die veranlagte österreichische Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer anzurechnen.

In diesem Zusammenhang ist davon auszugehen, dass materiell kein anwendbares Doppelbesteuerungsabkommen besteht, da sämtliche Verteilungsartikel suspendiert sind, und die Doppelbesteuerung auf Basis der Verordnung zu § 48 BAO vermieden werden kann, wenn die übrigen Voraussetzungen erfüllt werden. Eine Klarstellung im Rahmen der vorliegenden BMF-Info vom 6. Dezember 2023 wäre allerdings wünschenswert gewesen. 

Ist die Vermeidung der Doppelbesteuerung weder nach dem Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) noch nach der Verordnung möglich, so besteht nach § 48 Abs. 5 Bundesabgabenordnung (BAO) die Möglichkeit, an den Bundesminister für Finanzen einen Antrag auf bescheidmäßige Beseitigung der Doppelbesteuerung zu richten.

Verständigungsverfahren und Informationsaustausch

Art. 25 beinhaltet eine Regelung zur Führung von Verständigungsverfahren und wurde nicht suspendiert. Da das DBA die Besteuerungsansprüche der Vertragsstaaten nicht mehr einschränkt, kann ein solches Verfahren jedoch nicht mehr eingeleitet und geführt werden. 

Der Informationsaustausch (Art. 26) wurde ebenfalls nicht suspendiert. Allerdings hat Österreich bereits im März 2022 den Informationsaustausch unter Berufung auf die Anwendung des Grundsatzes des Ordre Public ausgesetzt.

BMF-Infos umfassende Amtshilfe und Informationsaustausch

Die BMF-Info umfassende Amtshilfe im Bereich Steuern vom Einkommen (1. Jänner 2024)  aktualisiert die Information des BMF vom 29. November 2022. Das österreichische Steuerrecht verlangt in einigen Fällen das Vorliegen einer "umfassenden" Amtshilfe (zB bei der Verlustnachversteuerung gemäß § 2 Abs. 8 EStG, der Spendenbegünstigung gemäß § 4a Abs. 4 EStG oder der Befreiung für Beteiligungserträge gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 KStG). Danach besteht mit Stand 1. Jänner 2024 auch mit Belarus und Russland eine "umfassende" Amtshilfe. 

Die BMF-Info BMF-Info über die ertragsteuerlichen Auswirkungen der Aussetzung des Informationsaustausches mit Belarus und Russland stellt klar, dass die Voraussetzung des "Bestehens einer umfassenden Amtshilfe" für Zwecke der § 2 Abs. 8 EStG sowie § 9 Abs. 2 und § 10 Abs. 1 Z 6 KStG nach Ansicht des BMF im Verhältnis zu Belarus und Russland weiterhin erfüllt ist. Demgegenüber setzt die Ausnahmevorschrift von der beschränkten Steuerpflicht für Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 98 Abs. 1 Z 5 Schlussteil zweiter Teilstrich EStG voraus, dass (Stück)Zinsen von Personen erzielt werden, die in einem Staat ansässig sind, mit dem ein "automatischer" Informationsaustausch besteht. Da diese Bestimmung darauf abstellt, dass Österreich automatisch Informationen an den Ansässigkeitsstaat des Steuerpflichtigen übermittelt, ist diese Voraussetzung im Verhältnis zu Russland und Belarus nicht gegeben. Daher haben nach Ansicht des BMF die abzugsverpflichteten Kreditinstitute einen KESt-Abzug für beschränkt steuerpflichtige Einkünfte gemäß § 98 Abs. 1 Z 5 lit. b EStG von in diesen beiden Staaten ansässigen Kunden vorzunehmen.

FAZIT

Österreich hat auf die einseitige Suspendierung einzelner Bestimmungen des Doppelbesteuerungsabkommens durch Russland mit der BMF-Info vom 6. Dezember 2023 reagiert. Mit Kundmachung im Bundesgesetzblatt wendet Österreich diese Bestimmungen ebenfalls nicht mehr an. Die Besteuerung hat daher in beiden Staaten nach rein innerstaatlichen Steuerrecht zu erfolgen. Formal nicht betroffen wären beispielsweise die Bestimmungen zum Methodenartikel und zum Verständigungsverfahren - aus unterschiedlichen Gründen können diese allerdings ebenfalls nicht mehr angewandt werden. Hinsichtlich der Amtshilfe und des Informationsaustauschs sind zwecks Klarstellung separate bzw. aktualisierte BMF-Infos veröffentlicht worden. Die Doppelbesteuerung sollte in Bezug auf Aktiveinkünfte auf Basis der Verordnung zu § 48 BAO durch Steuerfreistellung in Österreich unilateral vermeidbar sein - leider wurde in der BMF-Info verabsäumt, dies klarzustellen.  

Zu diesem Thema dürfen wir Sie auch auf den Newsletter vom 4.9.2023 hinweisen. 

Abschließend möchten wir Sie noch auf unsere diversen Webinare ​​​​​​​zu den angesprochenen Themenbereichen hinweisen.  

Wenn Sie weitergehende Fragen zu diesen oder ähnlichen Themen haben, so kontaktieren Sie bitte gerne die Verfasser oder die übrigen Expert: innen unserer Service Line "Transfer Pricing".