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SCHWEIZ | Steuerreform und AHV-Finanzierung ab 1.1.2020

Ecker Fabian  |  Pandur Damir

Am 19.5.2019 haben die Schweizer Stimmberechtigten im Rahmen einer Volksabstimmung das Bundesgesetz über die Steuerreform und die Alters- und Hinterlassenenversicherung-Finanzierung mit 66,4 % Ja-Stimmen gegen 33,6 % Nein-Stimmen angenommen. Diese Neuauflage der im Jahr 2017 zunächst gescheiterten Unternehmenssteuerreform lll behandelt mit der Besteuerung von Unternehmen und einer gesicherten Altersvorsorge zwei wesentliche Grundlagen des Schweizer Wohlstands. Durch die Steuerreform soll vor allem verhindert werden, dass die Schweiz auf die schwarze Steuerliste der EU gesetzt wird. Die Inkraftsetzung der Vorlage ist per 1.1.2020 vorgesehen. 

Es mag auf den ersten Blick verwundern, warum in der Schweiz über zwei einander weitgehend fremde Themengebiete – nämlich Unternehmenssteuern und Altersvorsorge – gemeinsam abgestimmt wurde. Dies resultierte daraus, dass dem Vernehmen nach die Unternehmenssteuerreform ohne die daran gekoppelte Finanzierungsspritze für die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) wohl keine Mehrheit vom Schweizer Volk erhalten hätte. Sowohl über die Unternehmenssteuerreform III als auch über die Altersvorsorge 2020 war nämlich in der Vergangenheit bereits negativ abgestimmt worden. Die Aneinanderkoppelung der Abstimmung hat nunmehr zu einem positiven Ausgang geführt, wirft allerdings auch verfassungsrechtliche Bedenken auf.

Unternehmenssteuerreform

Die Schweizer Kantone ermöglichen es gegenwärtig überwiegend international tätigen Unternehmen, in den Genuss von Steuervorteilen zu kommen. Rund 24.000 Unternehmen profitieren derzeit von dieser Sonderbesteuerung. Diese Steuerprivilegien stießen im internationalen Umfeld seit geraumer Zeit auf verstärkten Widerstand, weshalb der Druck in Richtung einer adäquaten Unternehmensbesteuerung seitens OECD und EU zunahm. Seit Dezember 2017 steht die Schweiz bereits auf der „grauen Liste“ der EU und lief Gefahr, ohne entsprechend eingeleitete Maßnahmen sogar auf die „schwarze Liste“ gesetzt zu werden. Die graue Liste umfasst jene Staaten, welche Kooperation und Besserung in Bezug auf nicht mehr akzeptierte Besteuerungspraxen versprochen hatten und seither unter Beobachtung stehen. 

Bisher in der Schweiz steuerbegünstigte Großunternehmen sollen künftig den gleichen Besteuerungsregeln wie Klein- und Mittelunternehmen unterliegen. Konkret geht es um die Abschaffung des kantonalen Steuerstatus (privilegierte Besteuerung als Holding-Gesellschaft, gemischte Gesellschaft oder Domizilgesellschaft). Ziel der Reform ist es, ein international konformes, wettbewerbsfähiges Steuersystem für alle Unternehmen zu schaffen. Um die bis dato gewährten Sonderbestimmungen zu kompensieren und ein Wegziehen der Konzerne aus steuerlichen Gründen zu verhindern, erfolgen im Rahmen der Vorlage folgende steuerpolitische Maßnahmen

  • Einführung einer Patentbox gemäß OECD-Standard und Sonderabzug für Forschungs- und Entwicklungskosten
  • Beschränkte Einführung eines Abzugs für Eigenfinanzierung
  • Erhöhung des Anteils der Kantone an den direkten Bundessteuern, welche diese zum Ausgleich der Senkung der kantonalen Gewinnsteuersätze verwenden können
  • Die maximale Entlastung sämtlicher neuen Maßnahmen auf kantonaler Ebene ist mit 70% begrenzt
  • Anpassungen bei der kantonalen Kapitalsteuer
  • Einführung einer Proportionalitätsregel beim Kapitaleinlageprinzip für Gesellschaften mit zugelassenen Wertpapieren an einer Schweizer Börse
  • Erhöhung der Teilbesteuerung von privaten Dividendeneinnahmen auf 70 % bei der Bundessteuer sowie mindestens 50 % bei den Kantons- und Gemeindesteuern
  • Einheitlichere Steuerbehandlung bei Steuerstatuswechsel, Zu- und Wegzug von Gesellschaften 

Man rechnet durch die Steuerreform kurzfristig mit entgangenen Steuereinnahmen iHv ca 2 Milliarden CHF pro Jahr. Der Einnahmenausfall hängt jedoch stark von der tatsächlichen Umsetzung der Reform auf kantonaler Ebene ab. Langfristig hofft die Schweiz, die Steuereinnahmen durch die Steuerreform sogar erhöhen zu können.

AHV-Finanzierung

Die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV)  ist die obligatorische Rentenversicherung der Schweiz. Sie bildet zusammen mit der Invalidenversicherung und den Ergänzungsleistungen die erste – staatliche – Säule des schweizerischen Dreisäulensystems und dient der angemessenen Sicherung des Existenzbedarfs. Die AHV gerät aktuell aufgrund der steigenden Anzahl an AHV-Rentenbezügen finanziell immer mehr in Schieflage. Zudem werden in den kommenden Jahren viele geburtenstarke Jahrgänge das Pensionsalter erreichen. Daher werden im Zuge der Reform folgende Maßnahmen gesetzt: 

  • Erhöhung der Beiträge vom Arbeitslohn (sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer) an die AHV um 0,15 %

  • Erhöhung der Beiträge des Bundes an die AHV um 800 Millionen CHF pro Jahr 

Durch die Reform erhält die AHV Mehreinnahmen iHv ca 2 Milliarden CHF pro Jahr.

FAZIT

Die mittels Volksabstimmung erfolgte Annahme des Bundesgesetzes über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung kann als klares Signal zur Kooperation der Schweiz in Richtung Europäische Union und internationale Staatengemeinschaft gewertet werden. Der Vorwurf von Seiten der EU, die Schweiz sei in Steuersachen nicht kooperativ, sollte damit beseitigt sein. 

Tatsache ist, dass ein Festhalten am Schweizer Status quo auf lange Sicht nicht zielführend gewesen wäre. Nunmehr sollte der Weg für ein international akzeptiertes Unternehmensbesteuerungsregime geebnet sein, wodurch einerseits die Standortattraktivität erhalten bleibt und andererseits auch die Finanzierungsbedürfnisse der Schweiz gesichert werden. Die aktuelle Vorlage vermischt zwar Unternehmenssteuerreform und AHV-Finanzierung, führt jedoch im Gesamtergebnis zu einer vernünftigen und ausgewogenen Lösung, um ein dringendes Steuerproblem in der Schweiz zu lösen. 

Über die weitere Entwicklung bzw Umsetzung der Schweizer Unternehmenssteuerreform halten wir Sie im Rahmen unseres Newsletters gerne auf dem Laufenden. Für Rückfragen stehen Ihnen die Verfasser gerne zur Verfügung!