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UNTERNEHMENSBESTEUERUNG | EU-Richtlinie zur EK-Verzinsung ab 1.1.2024!

In ihrer Mitteilung vom 18.5.2021 zu einer „Unternehmensbesteuerung für das 21. Jahrhundert“ hat sich die Europäische Kommission zum Ziel gesetzt, die steuerliche Schieflage zwischen Eigen- und Fremdmittelfinanzierungen zu beseitigen. Am 11.5.2022 hat die Kommission dazu nunmehr einen Richtlinienvorschlag sowie eine Arbeitsunterlage präsentiert, worin einerseits Regelungen für die Einführung einer fiktiven Eigenkapitalverzinsung vorgesehen sind („debt equity bias reduction allowance“, kurz „DEBRA“) und andererseits Vorschriften, wonach die Abzugsfähigkeit von Zinsen für körperschaftsteuerliche Zwecke begrenzt werden soll. Damit sollen – ab 1.1.2024 - steuerliche Anreize geschaffen werden, Unternehmen verstärkt Eigenkapital zuzuführen. ​​​​​​​

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Anwendungsbereich

 

Die neue EU-Richtlinie (RL) ist auf Unternehmen anwendbar, die in einem oder mehreren Mitgliedstaaten körperschaftsteuerpflichtig sind, sowie auch auf innerhalb der EU gelegene Betriebsstätten von Unternehmen, die in Drittstaaten ansässig sind. Ausgenommen sind die in Art. 2 RL aufgezählten Finanzunternehmen wie Kreditinstitutionen, Versicherungen, alternative Investmentfonds, Pensionskassen und andere „financial undertakings“.

 

Freibetrag für die Eigenkapitalfinanzierung

 

In Art. 4 RL ist vorgesehen, dass für neu zugeführte Eigenmittel eine (fiktive) Betriebsausgabe geltend gemacht werden kann. Dieser Freibetrag („allowance on equity“) soll sich aus der Differenz zwischen dem steuerlichen Eigenkapital („net equity“) am Beginn und jenem am Ende des Steuerjahres ergeben, multipliziert mit einem in der RL festgelegten Zinssatz. Dies bedeutet, dass nur die Neuzuführung bzw Erhöhung von Eigenkapital begünstigt werden soll. Der Freibetrag soll in zehn aufeinanderfolgenden Steuerjahren abzugsfähig sein, soweit er 30 % des EBITDA („earnings before interest, tax, depreciation and amortisation“) nicht übersteigt. Für weitere Erhöhungen des Eigenkapitals in nachfolgenden Steuerjahren können weitere Freibeträge geltend gemacht werden, die dann jeweils wieder über einen Zeitraum von zehn Jahren als Betriebsausgaben in Abzug gebracht werden können. Übersteigt der Freibetrag in einem Steuerjahr das steuerpflichtige Einkommen, soll der Differenzbetrag unbegrenzt vorgetragen werden können. Jener Anteil des Freibetrages, der die 30 %-Grenze überschreitet, kann hingegen nur fünf Jahre vorgetragen werden (Art. 4 Abs. 1 RL).

Der fiktive Zinssatz soll auf Basis der „10-year risk-free interest rate“ auf Grundlage der RL 2009/128/EC berechnet werden, erhöht um einen Risikoaufschlag von 1 %, der für Klein- und Mittelunternehmen (KMU) 1,5 % betragen soll (Art. 4 Abs. 2 RL). Als KMU gelten Unternehmen im Sinne der Definition in Art. 3 der EU-Bilanzrichtlinie 2013/34/EU.

Ist die Bemessungsgrundlage des Freibetrages negativ (Reduktion des Eigenkapitals), ist der „negative Freibetrag“ innerhalb der folgenden zehn Jahre bis zum Ausmaß des auf die insgesamt erfolgte Erhöhung von Eigenmitteln zu gewährenden Freibetrages nachzuversteuern. Dies soll jedoch dann NICHT gelten, wenn der Steuerpflichtige nachweisen kann, dass die Reduktion der Eigenmittel durch Verluste bedingt ist oder auf gesetzlichen Verpflichtungen beruht (Art. 4 Abs. 3 RL).

Unter den in Art. 4 Abs. 4 RL genannten Voraussetzungen wird die EU-Kommission ermächtigt, durch delegierte Rechtsaktedie Risikoprämie zu erhöhen, um ggfs schnell und flexibel reagieren zu können. Nähere Details dazu sind in Art. 9 RL geregelt.

 

Vermeidung missbräuchlicher Kapitalerhöhungen

 

Um einer missbräuchlichen Nutzung des Freibetrages zu begegnen, soll die Erhöhung von Eigenkapital, die sich aus Darlehen, der Übertragung von Beteiligungen und betrieblichen Aktivitäten zwischen verbundenen Unternehmen (iSd Art. 3 RL) ergibt oder aus Kapitalzuführungen durch Personen, die in Staaten steuerlich ansässig sind, welche mit dem Ansässigkeitsstaat des Steuerpflichtigen keinen Informationsaustausch pflegen, NICHT in die Bemessungsgrundlage für den Freibetrag einbezogen werden. Es sei denn, es werden wirtschaftliche Gründe dafür nachgewiesen und der Freibetrag wird nicht doppelt geltend gemacht (Art. 5 Abs. 1 RL). Sacheinlagen dürfen gem. Art. 5 Abs. 2 RL nur dann berücksichtigt werden, wenn diese betrieblich notwendig sind („necessary for the performance of the taxpayer’s income-generating activity“). Sacheinlagen in Form von Gesellschaftsanteilen sind zum Buchwert, andere Wirtschaftsgüter zum Marktwert bzw einem gutachterlich bestätigten Wert anzusetzen. Ergibt sich die Eigenmittelerhöhung aus Umgründungen, ist diese nur insoweit zu berücksichtigen, als dadurch nicht bereits vor der Umgründung bestehendes in neues Eigenkapital umgewandelt wurde.

 

Begrenzung des Zinsenabzugs

 

In Art. 6 Abs. 1 lit a RL ist zudem auch eine Verringerung der Abzugsfähigkeit von Fremdkapitalkosten vorgesehen. Fremdkapitalkosten iSd Art. 1 Abs. 2 der RL (EU) 2016/164 (ATAD I) sollen im jeweiligen Steuerjahr nur im Ausmaß von 85 % von der Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage abgezogen werden können.

Sofern die abzugsfähigen Zinsen höher sind als jene, der aufgrund der in Art. 4 ATAD 1 vorgesehenen Zinsschrankenregelung abgezogen werden können, müssen die Mitgliedstaaten gemäß Art. 6 Abs. 1 lit b RL sicherstellen, dass der Steuerpflichtige jeweils nur den niedrigeren Betrag geltend machen kann. Der Differenzbetrag zwischen den beiden Beträgen kann entsprechend den Regelungen des Art. 4 ATAD 1 vorgetragen werden (die bereits nach der EU-Richtlinie „ATAD 1“ bestehende Zinsschranke wurde in Österreich mit Wirkung ab 1.1.2021 umgesetzt und in § 12a KStG kodifiziert; siehe dazu auch unseren NL-Beitrag KÖRPERSCHAFTSTEUER | EU-Zinsschranke seit 1.1.2021 in Kraft! vom 22.1.2021).

 

Monitoring und Berichterstattung

 

Art. 7 RL verpflichtet die Mitgliedstaaten, jährliche Informationen über die Wirksamkeit des Freibetrages an die Kommission zu übermitteln, wie zB die Anzahl der Steuerpflichtigen (und deren Verteilung auf große Unternehmen und KMU’s), welche die Begünstigung in Anspruch genommen haben, die durch die Geltendmachung des Freibetrages den Finanzverwaltungen entgangenen Steuern, die Höhe der nicht abzugsfähigen Finanzierungskosten, die Anzahl der Steuerpflichtigen, auf welche die Anti-Missbrauchsregeln angewandt werden und Informationen über die Entwicklung des Verhältnisses von Eigen- zu Fremdkapital.

Die Kommission hat dem Europäischen Parlament und dem Rat über die Umsetzung der Richtlinie in den Mitgliedstaaten bis 31.12.2027 zu berichten und diesen Bericht auch auf der Website der Kommission zu veröffentlichen.

 

Zeitlicher Anwendungsbereich

 

Art. 11 RL verpflichtet die Mitgliedstaaten, die RL bis spätestens 31.12.2023 in ihr innerstaatliches Recht zu übernehmen und ab 1.1.2024 anzuwenden. Jene Staaten, in deren nationalem Steuerrecht bereits jetzt eine fiktive Eigenkapitalverzinsung vorgesehen ist (das sind derzeit Belgien, Italien, Malta, Portugal, Polen und Zypern), können die Anwendung der Richtlinie um zehn Jahre verschieben, längstens jedoch bis zum Auslaufen der nationalen Regelungen

 

FAZIT

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Die Einführung eines steuerlichen Freibetrages für die Eigenkapitalfinanzierung (kurz „DEBRA“) ist eine der von der EU-Kommission in ihrer Mitteilung vom Mai 2021 vorgeschlagenen Empfehlungen zur Schaffung eines fairen und nachhaltigen Systems der Unternehmensbesteuerung, das Investitionen und Unternehmertum fördern soll. Der Vorschlag, die Eigenkapitalfinanzierung von in der EU ansässigen Unternehmen und Betriebsstätten durch eine fiktive Eigenkapitalverzinsung zu stärken, ist jedenfalls ein Schritt in die richtige Richtung. Unternehmen sollen ihre Finanzierungsentscheidungen von Steuern unbeeinflusst treffen können.

Zusätzlicher Klärungsbedarf besteht allerdings zum Verhältnis zwischen der in der RL vorgesehenen (weiteren) Beschränkung des Abzugs von Fremdkapitalkosten und der bereits bestehenden Zinsschrankenregelung (§ 12a KStG) sowie weiteren Abzugsverboten (zB § 12 Abs. 1 Z 10 KStG).

Ob es der Kommission gelingt, die zur Umsetzung der RL notwendige Einstimmigkeit der EU-Mitgliedstaaten zu erreichen, bleibt freilich abzuwarten. Wir werden Sie natürlich über die weitere Entwicklung zu dieser Thematik auf dem Laufenden halten. Für Fragen zum vorliegenden Richtlinienentwurf und den möglichen Auswirkungen auf Ihr Unternehmen stehen Ihnen die Verfasser gerne zur Verfügung!
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