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INTERNATIONALES STEUERRECHT | EU und OECD zur „Digital Economy“

Ecker Fabian  |  Mitterlehner Matthias

Die Europäische Kommission hat am 21. März 2018 ihre Vorschläge zur Besteuerung der sog. „Digital Economy“ veröffentlicht. Konkret teilt sich der Vorschlag der EU in eine kurzfristige („Digital Services Tax“) und in eine langfristige Komponente („digitale Betriebsstätte“) auf. Kurz zuvor veröffentlichte auch die OECD einen umfangreichen Zwischenbericht hinsichtlich der weiteren Vorgehensweise bei der Besteuerung der digitalen Wirtschaft. Lesen Sie hier über die geplanten Neuerungen im Hinblick auf digitale Lieferungen und Leistungen. 

Wie bereits in der März-Ausgabe unseres Newsletters angekündigt, haben sowohl die Europäische Kommission als auch die OECD noch im März ihre Papiere zur Besteuerung der Digital Economy veröffentlicht. Dabei sind die Vorschläge der EU deutlich konkreter als jene der OECD.

Die Ausgleichsteuer "Digital Services Tax" als kurzfristige Maßnahme

Im Richtlinienentwurf COM(2018) 148 final („Vorschlag für eine RICHTLINIE DES RATES zum gemeinsamen System einer Digitalsteuer auf Erträge aus der Erbringung bestimmter digitaler Dienstleistungen“) findet sich der kurzfristige Lösungsansatz der EU, wonach jene Umsätze besteuert werden sollen, die der Zurverfügungstellung bestimmter digitaler Dienstleistungen entstammen. Diese „Digital Services Tax“ soll aus Sicht der EU möglichst einfach ausgestaltet werden und ehestmöglich - bis zur Einführung einer dauerhaften Lösung - zu mehr Steuergerechtigkeit hinsichtlich der Besteuerung der „Digital Economy“ führen. Ziel der neuen Steuer ist die Erfassung derjenigen digitalen Dienstleistungen, die in hohem Maße auf der Wertschöpfung durch die Nutzer basieren, da hier die Diskrepanz zwischen dem Ort der Gewinnbesteuerung und dem Ort, an dem die Nutzer ansässig sind, typischerweise am größten ist. Besteuert werden sollen die Erträge aus der Verarbeitung des Nutzer-Inputs, nicht hingegen die Beteiligung der Nutzer selbst. Die Umsätze aus folgenden digitalen Dienstleistungen sind von der Steuer betroffen: 

  • Platzierung von Werbung auf einer digitalen Schnittstelle, die sich an die Nutzer dieser Schnittstelle richtet;
  • Bereitstellung einer mehrseitigen digitalen Schnittstelle für Nutzer, die es diesen ermöglicht, andere Nutzer zu finden und mit ihnen zu interagieren, und die darüber hinaus die Lieferung zugrunde liegender Gegenstände oder Dienstleistungen unmittelbar zwischen Nutzern ermöglichen kann (zB Uber, Airbnb, Amazon Marketplace);
  • Umsätze aus dem Verkauf von Nutzerdatendaten, welche aufgrund der Aktivität des Nutzers aus digitalen Schnittstellen gewonnen wurden. 

Ausgenommen von der Digital Services Tax sind hingegen die Zurverfügungstellung von digitalen Inhalten (zB Musik, Filme, Spiele), Zahlungsdienste, der Online-Verkauf von Waren und Dienstleistungen und bestimmte Finanzierungs- und Crowdfunding-Dienstleistungen. Netflix, Spotify, Apple Music oder Amazon Prime wären folglich nicht von der neuen Steuer betroffen. Begründet wird dies damit, dass bei diesen Diensten der Nutzer in der Regel keine zentrale Rolle bei der Wertschöpfung spielt. 

Besteuert werden sollen aber nur Unternehmen, die folgende Schwellenwerte überschreiten: 

  • Das Unternehmen bzw der konsolidierte Konzern erzielte im letzten Geschäftsjahr weltweite Erträge von mehr als 750 Mio EUR UND
  • die innerhalb der EU erzielten steuerbaren Erträge des Unternehmens bzw des konsolidierten Konzerns des letzten Geschäftsjahrs betragen mehr als 50 Mio EUR. 

Die Digital Services Tax greift sowohl für in der EU ansässige als auch nicht-ansässige Unternehmen. Der Ort der Besteuerung orientiert sich grundsätzlich am Ansässigkeitsort des jeweiligen Nutzers. Dies soll im Wesentlichen mittels IP festgestellt werden. 

Der Steuersatz beträgt 3% der relevanten digitalen Umsätze (exkl. USt). Es kommt nicht zu einer Besteuerung einzelner Transaktionen und daher auch zu keiner Abzugsteuer. Von der Bemessungsgrundlage können keine Kosten abgezogen werden. Die Steuer selbst soll als abzugsfähiger Aufwand die Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer mindern. 

Für die Erhebung der Digital Services Tax soll ein einziges EU-weites Zahlungs- und Berichterstattungs-Portal auf der Grundlage des gegenwärtig für Mehrwertsteuerzwecke verwendeten One-Stop-Shop-Modells eingerichtet werden.

Die virtuelle Betriebsstätte als langfristige Lösung

In einem gesonderten Richtlinienentwurf (COM(2018) 147 final) schlägt die Europäische Kommission die Schaffung einer digitalen Präsenz oder „virtuellen Betriebsstätte“ vor. Dieser Vorschlag würde es den Mitgliedstaaten erlauben, Gewinne, die in ihrem Hoheitsgebiet erwirtschaftet werden, auch ohne physische Präsenz des Unternehmens in ihrem Gebiet zu besteuern. Im Verhältnis zu Drittstaaten soll die digitale Präsenz jedoch nur dann zur Anwendung kommen, wenn im jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA zwischen dem jeweiligen EU-Mitgliedstaat und dem betreffenden Drittland) eine vergleichbare Bestimmung zu digitalen Betriebsstätten enthalten ist. 

Der Vorschlag würde die derzeit geltenden Durchführungsvorschriften erweitern, indem ein steuerpflichtiger Zusammenhang für grenzüberschreitend tätige digitale Unternehmen geschaffen wird, wenn mindestens EINE der folgenden Bedingungen in Bezug auf ein Steuerjahr erfüllt ist: 

  • Die Gesamterträge aus der Bereitstellung digitaler Dienstleistungen in einem Steuerzeitraum an Nutzer in dem betreffenden Mitgliedstaat übersteigen 7 Mio EUR;
  • Die Anzahl der Nutzer von digitalen Dienstleistungen in einem Mitgliedstaat übersteigt 100.000;
  • Die Zahl der Geschäftsverträge für digitale Dienstleistungen, die in einem Mitgliedstaat abgeschlossen werden, übersteigt 3.000

Die Definition von digitalen Dienstleistungen soll der Definition der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie entsprechen. Der Anwendungsbereich der virtuellen Betriebsstätte wäre daher nicht nur auf jene digitalen Dienstleistungen eingeschränkt, die von der oa interimistischen Digital Services Tax erfasst sind. 

Auch zur Betriebsstättengewinnabgrenzung stellt die EU-Kommission in der Richtlinie bereits erste Überlegungen an. Diese sollen auf den geltenden Verrechnungspreisgrundsätzen aufbauen. Unter anderem wird der – auch in der Literatur vertretene – Ansatz, eine Gewinnaufteilungsmethode anzuwenden, angesprochen. Dabei sollen als Faktoren für die Aufteilung des Gewinns etwa die Zahl der Nutzer in einem Mitgliedstaat oder das Ausmaß der erhobenen Daten herangezogen werden. Auch das bereits in der Vergangenheit diskutierte Modell einer EU-weiten gemeinsamen konsolidierten KöSt-Bemessungsgrundlage (CCCTB) rückt in diesem Zusammenhang wieder ins Zentrum der Diskussion.

Inkrafttreten der Maßnahmen der Europäischen Kommission

Die Kommissionsvorschläge wurden vom Rat bis dato noch nicht beschlossen. Angestrebt wird ein Wirksamwerden für die vorläufige Maßnahme ab dem 1. Januar 2020. Für die Verabschiedung der Richtlinienvorschläge ist jedoch die Einstimmigkeit aller EU-Mitgliedstaaten erforderlich. Fraglich ist, ob sich die Mitgliedstaaten auf die Regelungen zur digitalen Betriebsstätte einigen werden, wenn diese Pläne nicht auch auf OECD-Ebene mitgetragen werden. So wurde etwa im deutschen Bundesrat dafür plädiert, dass die Einführung einer digitalen Betriebsstätte nur verbindlich und einheitlich, mindestens aber auf OECD-Ebene, erfolgen sollte. Wie das deutsche Handelsblatt berichtet, haben die Amerikaner im Rahmen einer OECD-Sitzung bereits angekündigt, dass die Pläne der EU gegen die Regeln der Welthandelsorganisation verstoßen und sie diese daher ablehnen würden. Auch beim informellen EU-Finanzministerrat am 28. April 2018 zeigten sich einige Minister skeptisch, ob es tatsächlich zu einer Umsetzung kommen werde.

OECD Tax Challenges Arising from Digitalisation  (Interim Report 2018)

Am 16. März 2018 veröffentlichte die OECD ihren Zwischenbericht zum Thema der steuerlichen Herausforderungen iZm der Digitalisierung, welcher auf den Ergebnissen zu Aktionspunkt 1 des BEPS Projekts („Addressing the Tax Challenges of the Digital Economy“) aufbaut. Der Zwischenbericht spricht sich grundsätzlich gegen Übergangsregelungen aus, da gerade in diesem Bereich große Diskrepanz zwischen den Staaten herrscht. Vielmehr wird eine weltweit einheitliche Lösung des Problems angestrebt. Im Bericht lässt sich die Uneinigkeit der Staaten hinsichtlich der Vorgehensweise bei der Besteuerung der digitalen Wirtschaft erkennen. Diese Uneinigkeit auf globaler Ebene spornte wohl auch die EU an, selbst Maßnahmen in Form der oben beschriebenen Vorschläge der Kommission zu ergreifen und nicht eine Lösung der OECD abzuwarten. Es wird sich zeigen, ob sich die OECD in weiterer Folge nun ein Vorbild an den EU-Vorschlägen nimmt oder einen anderen Weg bei der Besteuerung der digitalen Wirtschaft einschlägt. Der Bericht gibt auch einen guten Überblick über zwischenzeitig bereits getroffene Einzelmaßnahmen von Staaten wie Indien, Israel, Ungarn, Australien, Großbritannien, Frankreich oder Italien.

Und was können wir sonst noch für Sie tun?

Wir werden Sie im Rahmen unseres Newsletters selbstverständlich auch in Zukunft über die weiteren Entwicklungen im Bereich der Besteuerung der digitalen Wirtschaft informieren. 

Matthias MITTERLEHNER hat sich zuletzt in einem SWI Spezial „Die österreichischen DBA nach BEPS - Die Auswirkungen des MLI und des OECD-MA 2017“ – welches unter maßgeblicher Mitwirkung von ICON kürzlich im LINDE-Verlag erschienen ist – ausführlich mit Fragen der „Digital Economy“ befasst. In seinem Beitrag beschäftigt er sich unter anderem mit der Frage, welche Auswirkungen die Implementierung der BEPS-Maßnahmen durch das Multilaterale Instrument (MLI) auf die Geschäftsmodelle der Digital Economy hat. Außerdem dürfen wir noch auf folgende weitere Publikationen unseres Experten hinweisen: 

  • UN-Musterabkommen - neue Bestimmung zur Besteuerung technischer Dienstleistungen geplant

  • Gewinnverlagerung und Steuervermeidung in der Digital Economy 

Wir möchten Sie an dieser Stelle auch nochmals auf die ICON LOUNGE zum Thema „Jahressteuergesetz 2018 und die Zukunft der internationalen Unternehmensbesteuerung“ hinweisen, in deren Rahmen insbesondere auch die oa Publikation SWI Spezial präsentiert wird. Diese kostenlose Abendinformationsveranstaltung mit Herrn Univ.-Prof. DDr. Georg Kofler, LL.M. (JKU Linz) als Key Note Speaker findet am 23.5.2018 in unserem Hause statt und Sie können sich gerne HIER noch anmelden. 

Für weitere Fragen zu diesem Themenkomplex stehen Ihnen die Verfasser mit dem gesamten ICON-Team für internationales Steuerrecht gerne zur Verfügung!