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BREXIT | Handelsabkommen vermeidet doppelte Sozialversicherung!

Während der „Brexit-Übergangsphase“ (also im Zeitraum zwischen 1.2.2020 und 31.12.2020) blieben zunächst auch die EU-Regelungen über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (insbesondere die VO 883/2004 sowie VO 987/2009) weiterhin gültig. Im Falle einer Mitarbeiterentsendung von Österreich nach Großbritannien und vice versa konnte daher bis zu einer Dauer von zwei Jahren  die Sozialversicherungspflicht im Wohnsitzstaat aufrecht bleiben. Im Zuge der Verhandlungen über ein neues Handelsabkommen lag es an den Vertragsparteien, entsprechende Regelungen über die Übergangsphase hinaus zu vereinbaren und damit das Risiko unerwünschter Doppelversicherungen hintanzuhalten. Die nunmehr getroffenen Regelungen wurden in einem eigenen „Protokoll über die Koordinierung der sozialen Sicherheit“ in das erst kurz vor Ende der Übergangsphase abgeschlossene Handelsabkommen aufgenommen.

Über den „BREXIT“ und die daraus resultierenden Konsequenzen für das Abgabenrecht haben wir im Rahmen unseres Newsletters bereits mehrfach informiert und dabei auch schon sozialversicherungsrechtliche Aspekte angerissen (vgl zB unseren NL-Beitrag „BREXIT | Und was passiert im Steuerrecht?“ vom 13.2.2020). Im nachfolgenden Beitrag möchten wir uns auf die wesentlichen Auswirkungen des Brexits auf die Sozialversicherungspflicht bei grenzüberschreitenden Mitarbeitereinsätzen fokussieren: 

Entsendung I: Die Entsendung nach UK erfolgte VOR dem 31.12.2020 

Es gibt im „Abkommen über den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union“ eine Sonderregelung, die besagt, dass die EU-Regelungen für Unionsbürger, die vor Ende des Übergangszeitraumes (also vor 31.12.2020) im Vereinigten Königreich eine Beschäftigung ausüben und die nach der VO 883/2004 den Rechtsvorschriften eines EU-Mitgliedstaates unterliegen, auch weiterhin gelten sollen. Das A1-Formular ist für diese Personen somit weiterhin gültig. 

Entsendung II: Die Entsendung nach UK erfolgt NACH dem 31.12.2020 

Die „allgemeine Regel“ (Art 10 SSC.10 Protokoll über die Koordinierung der sozialen Sicherheit) besagt, dass Personen, für die das Protokoll über die Koordinierung der sozialen Sicherheit in dem im Dezember 2020 ausverhandelten Handelsabkommen zwischen der EU und Großbritannien gilt, nur den Rechtsvorschriften eines Staates unterliegen. Diese richten sich grundsätzlich nach dem Beschäftigungsort. Davon abweichend regelt Artikel SSC.11 folgende Ausnahme für vorübergehende Arbeitsleistungen in einem anderen Land (Entsendungen):

Eine Person, die in einem Staat für Rechnung eines Arbeitgebers, der gewöhnlich dort tätig ist, eine Beschäftigung ausübt und die von diesem Arbeitgeber in einen anderen Staat entsandt wird, um dort eine Arbeit für dessen Rechnung auszuführen, unterliegt weiterhin den Rechtsvorschriften des ersten Staates, sofern 

  • die voraussichtliche Dauer dieser Arbeit 24 Monate nicht überschreitet und
  • diese Person nicht einen anderen entsandten Arbeitnehmer ersetzt. 

Dies gilt auch für selbstständig Erwerbstätige, solange die Tätigkeit im anderen Staat die Dauer von 24 Monaten nicht überschreitet. 

Inhaltlich entsprechen diese Regelungen Artikel 12 der Verordnung (EG) 883/2004, gelten allerdings nur für Mitgliedstaaten, die ausdrücklich zu dieser Regelung optiert haben. Auch Österreich hat diese Option ausgeübt. 

Ausübung von Tätigkeiten in zwei oder mehr Staaten 

Auch hier entsprechen die in Artikel SSC.12 des Protokolls getroffenen Regelungen jenen der VO 883/2004. 

Eine Person, die gewöhnlich eine Beschäftigung in einem oder mehreren Mitgliedstaaten sowie im Vereinigten Königreich für einen Arbeitgeber ausübt, unterliegt den Regelungen des Wohnsitzstaates, wenn ein wesentlicher Teil der Beschäftigung dort ausgeübt wird. Andernfalls ist jenes Recht anwendbar, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat. 

Bei selbstständig Erwerbstätigen gilt ebenso das Recht des Wohnsitzstaates, wenn sie dort einen wesentlichen Teil ihrer Tätigkeit ausüben. Andernfalls ist jenes Recht anwendbar, in dem sich der Mittelpunkt ihrer Tätigkeit befindet. 

Formale Umsetzung der Regelungen 

Wie die Regelungen formal umgesetzt werden sollen, wird derzeit noch ausverhandelt bzw gelten zunächst alle Formblätter und Dokumente, die vor Inkrafttreten des Protokolls gültig waren, auch weiterhin. Der Fachausschuss für die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit wird sich beraten und neue diesbezügliche Regelungen erarbeiten. Bis dahin gilt das Formular A1 weiter. Dieses Formular ist dann bis zu dessen Ablauf oder Annullierung gültig, wenn es vor oder während der Übergangsphase ausgestellt wurde. 

FAZIT

Die Sorgen über mögliche Risiken einer „doppelten“ Sozialversicherung im Zuge von Mitarbeiterentsendungen von Österreich nach Großbritannien und vice versa konnten dank des zu Weihnachten doch noch zustande gekommenen Handels- und Kooperationsabkommens zwischen der Europäischen Union und Großbritannien letztlich doch noch beseitigt werden. Das Protokoll zum Abkommen bewirkt de facto eine Weitergeltung der bisherigen Regelungen über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, wie wir sie aus der VO 883/2004 kennen. 

Das A1-Formular bleibt weiterhin gültig, bis der Fachausschuss für die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit anderweitige Formalitäten beschließt. 

Für weitergehende Fragen zu diesem Themenbereich stehen Ihnen die Verfasser sowie auch die übrigen ExpertInnen der Service Line "Global Employment Services" ​​​​​​​gerne zur Verfügung!