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AUSLANDSENTSENDUNGEN | Sachbezüge auf KV-Mindestentgelt anrechenbar?

Bei kollektivvertraglichen Mindestlöhnen war bisher fraglich, ob diese zur Gänze in Geld auszuzahlen sind oder teilweise auch als Sachbezüge (zB Kost und Quartier) gewährt werden dürfen. Nunmehr hat der OGH die Anrechenbarkeit von Sachbezügen auf das Mindestentgelt generell verneint. Diese Entscheidung ist insbesondere auch für künftige Entsendungsvereinbarungen zu beachten.

In der Lehre wurde bis dato teilweise die Meinung vertreten, dass eine Anrechnung von Sachbezügen auf das kollektivvertragliche Mindestentgelt dann zulässig sei, wenn die Gewährung des Sachbezuges für den Arbeitnehmer günstiger als die Bezahlung eines Geldbetrages ist.

Der Verwaltungsgerichtshof hatte hingegen bereits in der Vergangenheit ausgesprochen, dass kollektivvertragliche Mindestentgelte in der Regel in Geldbeträgen festgelegt und insoweit daher auch zwingend in Geld zu entrichten seien. Das im Bereich kollektivvertraglicher Mindestentgelte sohin geltende Geldzahlungsgebot schließe - ungeachtet aller Günstigkeitsüberlegungen - in diesem Bereich abweichende Sondervereinbarungen aus (§ 3 Abs 1 zweiter Satz ArbVG). Ob der Marktwert der vom Arbeitgeber tatsächlich gewährten Naturalbezüge (zB die Überlassung einer Wohnung und von Mahlzeiten) im Ergebnis höher ist als der "vereinbarte Wert", dh höher als jener Teil des Barentgelts, an dessen Stelle die Sachbezüge geleistet werden sollten, sei daher nicht von Bedeutung (VwGH 22.3.1994, 92/08/0150; VwGH 27.7.2001, 95/08/0037; VwGH 17.11.2004, 2002/08/0089).

 

Der Oberste Gerichtshof sah bisher den Zweck der Festsetzung kollektivvertraglicher Mindestlöhne darin, dem Arbeitnehmer dessen Existenz zu sichern. Dieses Mindestentgelt muss dem Arbeitnehmer daher zur Gänze zu seiner freien Verfügung verbleiben. Müsste der Arbeitnehmer von diesem Mindestentgelt noch Spesen (ganz oder teilweise) bezahlen, die mit seiner Berufsausübung verbunden sind (etwa Reisekosten), so würde das Mindestentgelt eine unzulässige Kürzung erfahren. Abweichende Einzelverträge wären infolge Verstoßes gegen den zwingenden Charakter der Kollektivvertragsbestimmungen über Mindestlöhne rechtsunwirksam (OGH 16.9.1986, 14 Ob 122/86).

 

Das aktuelle Urteil des Obersten Gerichtshofs (OGH 27.8.2015, 9 ObA 92/15t)

In der nunmehr ergangenen Entscheidung stellt der OGH klar, dass eine kollektivvertragliche Festlegung von Mindestentgelten in Euro als Geldzahlungsgebot zu verstehen ist, wenn der Kollektivvertrag keine Durchbrechung vorsieht. Dieses Geldzahlungsgebot kann vor dem Hintergrund der ihm innewohnenden Dispositionsfreiheit des Arbeitnehmers über den Mindestlohn nicht durch in den Augen des Arbeitgebers (oder auch Arbeitnehmers) noch so günstige Sachbezüge umgangen werden.

Conclusio

Eine Anrechnung von Sachbezügen auf ein kollektivvertragliches Mindestentgelt ist generell unzulässig, selbst dann, wenn die Gewährung von Sachbezügen günstiger für den (selbst zustimmenden) Arbeitnehmer wäre als eine Auszahlung in Geld (zB Zurverfügungstellung von Unterkunft und Verpflegung in einer hochpreisigen Region).

Diese arbeitsrechtliche Entscheidung des österreichischen Höchstgerichts ist natürlich auch für Arbeitnehmerentsendungen von Relevanz (insb. sog. „Inboundfälle“ vom Ausland nach Österreich). Bei Vereinbarung einer Anrechnung von Sachbezügen auf die Entlohnung ist daher das kollektivvertragliche Mindestentgelt als absolute Untergrenze für die verbleibende Geldzahlung zu beachten.  

Ausnahmsweise können Sachbezüge dann angerechnet werden, wenn dies im anzuwendenden Kollektivvertrag selbst geregelt ist.

Für Fragen steht Ihnen der Verfasser gerne zur Verfügung!