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DBA-RECHT | Aktuelle BMF-Info zu Verständigungs- und Schiedsverfahren

Eine neue BMF-Info vom 5. Mai 2022 gibt die aktualisierte bzw ergänzte Rechtsauffassung der österreichischen Finanzverwaltung zu den verschiedenen internationalen Verständigungs- und Schiedsverfahren wieder. Die Neuveröffentlichung gibt einen Überblick über die formellen und materiellen Rahmenbedingungen dieser Verfahren in Österreich und ist als Leitfaden konzipiert. Die neue Information ersetzt die vorangegangene BMF-Info vom 24. Juli 2019 und enthält erstmals auch Ausführungen zum Verfahren nach dem EU-Besteuerungsstreitbeilegungsgesetz (EU-BStbG).

Das österreichische Finanzministerium hat am 5. Mai 2022 ein detailliertes Informationsschreiben zu internationalen Verständigungs- und Schiedsverfahren nach den österreichischen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA), dem EU-Schiedsübereinkommen, dem Multilateralen Instrument (MLI) sowie auch dem EU-Besteuerungsstreitbeilegungsgesetz (EU-BStbG) veröffentlicht. Diese Verfahren werden jeweils auf Antrag der Abkommensberechtigten oder von Amts wegen eingeleitet. Nachfolgend stellen wir die Kernaussagen der neuen BMF-Info vor, welche an die Stelle der vorangegangenen BMF-Info vom 24. Juli 2019 getreten ist (vgl zu letzterer bereits unseren NL-Beitrag „DBA-RECHT | Neue BMF-Info zu Verständigungs- und Schiedsverfahren  vom 16.9.2019).

Wie bereits die BMF-Info aus dem Jahre 2019, nimmt auch die nunmehr aktualisierte BMF-Info vom Mai 2022 zur Funktionsweise von Advanced Pricing Arrangements (APA) Stellung. Diese Thematik wird daher im nachfolgenden Beitrag nicht nochmals erörtert.

 

Zielsetzung

 

Um zwischenstaatliche Konflikte zu lösen, beinhalten DBA sowie das MLI, das EU-Schiedsübereinkommen und das EU-BStbG Bestimmungen, die es den Vertragsstaaten erlauben, in Form von internationalen Verständigungs- und Schiedsverfahren miteinander zu kommunizieren. Ziel dieser vier Rechtsinstitute ist es, den Anspruch des Abkommensberechtigten auf abkommensgemäße Besteuerung im Rahmen des jeweiligen DBA zu gewährleisten. 

 

Anwendungsbereich

 

Alle von Österreich abgeschlossenen DBA enthalten Bestimmungen zur Durchführung von Verständigungsverfahren. Sie orientieren sich grundsätzlich am OECD-Musterabkommen (Art. 25 OECD-MA). Etliche österreichische Abkommen enthalten in ihren Verständigungsklauseln zudem auch bereits Regelungen für ein internationales Schiedsverfahren für den Fall, dass ein Besteuerungskonflikt nicht innerhalb einer bestimmten Frist im Wege eines Verständigungsverfahrens bereinigt werden konnte (Schiedsklauseln).

38 der von Österreich abgeschlossenen DBA werden gegenwärtig durch ein MLI modifiziert. Teil V des MLI gleicht dabei die bestehenden Verständigungsklauseln an Art. 25 OECD-MA an. Teil VI des MLI führt in vereinzelten Fällen auch eine Schiedsklausel ein. Im Falle der DBA, für welche die MLI-Modifikationen bereits wirksam geworden sind, wurden synthetisierte Fassungen der DBA-Texte veröffentlicht.

Seit 1. September 2019 können grenzüberschreitende Besteuerungskonflikte außerdem nach dem EU-BStbG behandelt werden. Die vorliegende BMF-Info vom 5. Mai 2022 erfasst nunmehr auch diese Verfahren (über das EU-BStbG hatten wir bereits in unserem NL-Beitrag „DBA-RECHT | Neue bilaterale Streitbeilegung in der Europäischen Unionvom 12.8.2019 ausführlich berichtet).

 

Zuständigkeit

 

Zuständige Behörden sind idR die Steuerverwaltungen. Im Falle Österreichs wird grundsätzlich der Bundesminister für Finanzen (BMF) als zuständige Behörde definiert. Der BMF hat diese Kompetenz jedoch an das Finanzamt für Großbetriebe delegiert. Anträge auf Einleitung eines Verständigungsverfahrens sind daher grundsätzlich beim Finanzamt für Großbetriebe (schriftlich oder auch per E-Mail) einzubringen. Die Einbringung einer Streitbeilegungsbeschwerde nach dem EU-BStbG hat in Österreich hingegen elektronisch über FinanzOnline zu erfolgen.

 

Frist zur Einleitung

 

Der Steuerpflichtige hat bei sämtlichen Verfahren grundsätzlich drei Jahre Zeit, um ein bilaterales Verständigungsverfahren zu beantragen. In der Anlage 2 zum Informationsschreiben findet sich eine Übersicht, worin die Abkommen mit kürzeren oder längeren Fristen angeführt sind. Das BMF stellt auch ausdrücklich klar, dass die Frist erst mit Zustellung des relevanten Bescheides zu laufen beginnt. Eine Beantragung VOR Ergehen eines Bescheides ist jedoch im Sinne einer „drohenden Doppelbesteuerung“ möglich.

 

Inhalt des Antrags

 

Die BMF-Info sieht für sämtliche Verfahren einen Mindestinhalt für die einzelnen Anträge vor. Es ist daher Vorsorge dafür zu treffen, dass bei der Antragstellung diese Voraussetzungen vollständig erfüllt werden.

 

Verständigungs- und Schiedsverfahren nach DBA

 

Alle von Österreich abgeschlossenen DBA enthalten Regelungen zu Verständigungsverfahren. Diese sind weitgehend dem OECD-Musterabkommen nachgebildet. In einigen DBA ist des Weiteren auch ein Schiedsverfahren vorgesehen. Die beiden Vertragsstaaten sind diesfalls zur Einleitung eines Schiedsverfahrens verpflichtet, wenn innerhalb von zwei Jahren nach Unterbreitung des Streitfalles noch keine Lösung erzielt wurde und der Antragsteller des Verständigungsverfahrens dies beantragt.

Sonderfall Deutschland: Wird ein Verständigungsverfahren mit Deutschland nicht innerhalb von drei Jahren ab Verfahrenseinleitung abgeschlossen, ist der Abgabepflichtige, der das Verständigungsverfahren beantragt hat, berechtigt, die Vorlage des Streitfalles an den EuGH zur Durchführung eines Schiedsverfahrens zu verlangen.

 

Verständigungs- und Schiedsverfahren nach dem EU-Schiedsübereinkommen

 

Zwischen den EU-Mitgliedstaaten wurde ein Schiedsübereinkommen abgeschlossen. Dieses findet allerdings nur bei Verrechnungspreiskonflikten Anwendung. Führt das Verständigungsverfahren nicht innerhalb von zwei Jahren ab dem Tag, an dem der Fall erstmals vollständig und umfassend einer der zuständigen Behörden unterbreitet worden ist, zu einer Einigung, so sind die zuständigen Behörden der beteiligten Vertragsstaaten verpflichtet, einen Beratenden Ausschuss einzusetzen und dessen Stellungnahme einzuholen. Die zuständigen Behörden können diese Frist im Einvernehmen mit den beteiligten Unternehmen verlängern.

Details zu diesen beiden Verfahren finden sich bereits im NL-Beitrag „DBA-RECHT | Neue BMF-Info zu Verständigungs- und Schiedsverfahren“ vom 16.9.2019.

 

Verständigungs- und Schiedsverfahren nach dem EU-BStbG

 

Seit 1. September 2019 können Besteuerungskonflikte innerhalb der EU auch nach dem EU-BStbG gelöst werden (Wahlrecht). Wird ein Antrag auf Streitbeilegung nach EU-BStbG gestellt, stehen der steuerpflichtigen Person jedoch die Streitbeilegungsmechanismen nach DBA oder EU-Schiedskonvention nicht mehr zur Verfügung.  

Das EU-BStbG stellt die Umsetzung der EU-Streitbeilegungsrichtlinie in Österreich dar und gilt für Besteuerungskonflikte ab 1. Jänner 2018. Wie auch die DBA mit Schiedsklauseln und das EU-Schiedsübereinkommen, legt das EU-BStbG ein zweistufiges Verfahren fest, das im Wege der Einbringung einer Streitbeilegungsbeschwerde durch die betroffene Person in Gang gesetzt wird:

  • Verständigungsverfahren und
  • ggfs anschließendes Schiedsverfahren.

Das Verfahren wird mit der Streitbeilegungsbeschwerde durch die betroffene Person eröffnet. Diese ist grundsätzlich gleichzeitig bei den zuständigen Behörden jedes betroffenen Mitgliedstaates mit den gleichen Angaben einzubringen (in Österreich über FinanzOnline). Die Beschwerde hat einen zwingenden Inhalt. Sie ist innerhalb von drei Jahren ab Bekanntgabe des für die Doppelbesteuerung maßgeblichen Bescheides einzubringen.

Das EU-BStbG bietet der beschwerdeführenden Person verfahrensrechtliche Handlungsmöglichkeiten gegen die zuständigen Behörden, zB bei der Nichteinhaltung von Fristen. Das EU-BStbG erstreckt sich auf (alle) Streitigkeiten zwischen EU-Mitgliedstaaten, die durch die Auslegung und Anwendung von DBA oder dem EU-Schiedsübereinkommen entstehen, im Wesentlichen also Doppelbesteuerungsstreitigkeiten, und ist nicht auf Verrechnungspreisfälle begrenzt.  

Betreffend Verfahren nach dem EU-BStbG sei auch nochmals auf folgende frühere NL-Beiträge hingewiesen:

 

FAZIT

 

Die neue BMF-Info vom 5. Mai 2022 gibt den aktualisierten Stand der Rechtsansichten der österreichischen Finanzverwaltung zu bilateralen Verständigungs- und Schiedsverfahren wieder. Für Verfahren ab 1. Jänner 2018 werden bilaterale Verständigungs- und Schiedsverfahren primär nach dem EU-BStbG  geführt. Die vorliegende BMF-Info berücksichtigt nunmehr auch dieses mit 1. September 2019 im Rahmen des EU-BStbG eingeführte Verfahren.

Abschließend möchten wir Sie auch auf unsere Webinare zu den angesprochenen Themenbereichen hinweisen. Nähere Details und Termine finden Sie in unserem Veranstaltungskalender​​​​​​​. Zum Thema Vermeidung von Doppelbesteuerung ist ein Webinar für den 9. November 2022 geplant.

Wenn Sie weitergehende Fragen zu den angesprochenen Themenbereichen haben, so kontaktieren Sie bitte gerne die Verfasser oder die übrigen Experten unserer Service Lines „Transfer Pricing​​​​​​​ oder „International Tax​​​​​​​".

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