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DBA-RECHT | Neue BMF-Info zu Verständigungs- und Schiedsverfahren

Eine neue BMF-Info vom 24. Juli 2019 stellt derzeitige Rechtsauffassung der österreichischen Finanzverwaltung in Bezug auf Verständigungs- und Schiedsverfahren sowie Advance Pricing Arrangements dar. Sie gibt einen Überblick über die formellen und materiellen Rahmenbedingungen dieser Verfahren in Österreich und ist als Leitfaden konzipiert. Diese aktuelle Information ersetzt die bisherige Info des BMF vom 31.03.2015, BMF-010221/0172-VI/8/2015 sowie die Rz 351-368 der österreichischen Verrechnungspreisrichlinien 2010. Verfahren nach dem mit 1.9.2019 in Kraft getretenen EU-Besteuerungsstreitbeilegungsgesetz werden in der vorliegenden BMF-Information allerdings noch nicht behandelt, sodass diesbezüglich eine weitere Aktualisierung zu erwarten ist.

Das österreichische Finanzministerium hat vor kurzem ein detailliertes Informationsschreiben zu Verständigungsverfahren und Schiedsverfahren nach den österreichischen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) sowie dem EU-Schiedsübereinkommen veröffentlicht. Wir stellen Ihnen nachfolgend die Kernaussagen dieses Schreibens vor. Mit nachfolgender Zusammenfassung wird gleichsam unser Newsletter vom 8.5.2015 zur vorangegangenen BMF Info 31. März 2015 aktualisiert. 

Die neue BMF-Info nimmt auch erstmals zur Funktionsweise von Advanced Pricing Agreements (APA) Stellung. Diese Thematik werden wir jedoch in einem gesonderten Newsletter-Beitrag erörtern.

Zielsetzung

DBA sowie das MLI und das EU-Schiedsübereinkommen enthalten Bestimmungen, die es erlauben, Doppelbesteuerung im Wege von internationalen Verständigungs- und Schiedsverfahren zu beseitigen. Die betroffenen Staaten sollen im Rahmen solcher Verfahren zu einem gemeinsamen Auslegungsverständnis der Abkommensbestimmungen gelangen, um eine Doppelbesteuerung der betroffenen Steuerpflichtigen zu beseitigen.

Anwendungsbereich

Sämtliche von Österreich abgeschlossenen DBA enthalten Bestimmungen zur Durchführung von Verständigungsverfahren, welche sich am OECD-Musterabkommen orientieren. Zahlreiche österreichsiche DBA enthalten zudem die Möglichkeit zur Beantragung von internationalen Schiedsverfahren. Um den OECD/G20-Vorschlag zur Verbesserung der Streitbeilegungsmechanismen in bestehende DBA zu implementieren, wurde ein Multilaterales Instrument (MLI) erarbeitet, das für die ersten österreichischen Abkommen bereits 2019 wirksam wurde. Innerhalb der EU können Besteuerungskonflikte zusätzlich auf Basis der Vorgaben des EU-Schiedsübereinkommens beseitigt werden. 

Seit 1. September 2019 können grenzüberschreitende Besteuerungskonflikte außerdem nach dem neuen EU-Besteuerungsstreitbeilegungsgesetz (EU-BStbG) behandelt werden. Verfahren nach dem EU-BStbG werden jedoch in der aktuellen BMF-Info noch nicht behandelt, sodass voraussichtlich für Anfang 2020 abermals eine Aktualisierung der vorliegenden Info zu erwarten ist. Über das EU-BStbG haben wir erst kürzlich ausführlich berichtet (siehe dazu unseren NL-Beitrag DBA-RECHT | Neue bilaterale Streitbeilegung in der Europäischen Union vom 12.8.2019).

Zuständigkeit

Zuständige Behörden sind idR die Zentralstellen der Steuerverwaltungen. In Österreich nimmt das BMF (Abt. IV/8, Internationales Steuerrecht) diese Aufgabe wahr. Während Anträge auf Basis des EU-BStbG bereits über FinanzOnline eingebracht werden können, sind sonstige Anträge zur Streitbeilegung weiterhin in Papierform oder per E-Mail beim BMF einzubringen.  

Frist zur Einleitung eines Verständigungsverfahrens

Grundsätzlich hat der Steuerpflichtige drei Jahre Zeit, um ein bilaterales Verständigungsverfahren zu beantragen. In der Anlage 2 zum Informationsschreiben findet sich eine Übersicht, worin die Abkommen mit kürzeren oder längeren Fristen angeführt sind. In der aktuellen BMF-Info stellt das Finanzministerium nun auch ausdrücklich klar, dass die Frist „erst mit Zustellung des relevanten Bescheids zu laufen“ beginnt. Eine Beantragung vor Ergehen eines Bescheides ist jedoch möglich und sollte jedenfalls so früh wie möglich erfolgen. 

Inhalt des Antrags

Die BMF-Info sieht für sämtliche Verfahren einen Mindestinhalt für die Anträge vor. Es ist daher Vorsorge dafür zu treffen, dass bei der Antragstellung diese Voraussetzungen vollständig erfüllt werden.

Verständigungsverfahren nach DBA

Die Verständigungsvereinbarung ist – sofern dies im Regelfall im DBA so vorgesehen ist – ungeachtet der Fristen des innerstaatlichen Rechts, durch das örtlich zuständige Finanzamt im Rahmen der verfahrensrechtlichen Möglichkeiten umzusetzen. Eine bereits eingetretene Verjährung hindert somit die Umsetzung nicht. Insoweit sich in einem DBA keine diesbezüglichen Bestimmungen finden, kann die Umsetzung des Ergebnisses eines Verständigungsverfahrens - ungeachtet etwaiger Verjährungsfristen - nur dann erfolgen, wenn eine gegenseitig anwendbare Verständigungsvereinbarung vorliegt (wie zB mit Liechtenstein). Eine unmittelbare Anfechtung des Ergebnisses von Verständigungsverfahren ist dem Steuerpflichtigen nicht möglich, er kann jedoch gegen die auf Basis der Verständigungsvereinbarung ergangenen Bescheide eine entsprechende Beschwerde einlegen. Im Rahmen des EU-Finanz-Anpassungsgesetzes 2019 wurden in § 48 BAO verfahrensrechtliche Grundlagen für die innerstaatliche Umsetzung von Verständigungs- und Schiedslösungen geschaffen. Darüber werden wir demnächst an dieser Stelle gesondert berichten.

Schiedsverfahren nach DBA

Einige österreichische DBA enthalten eine Bestimmung über ein verpflichtendes Schiedsverfahren (iS Art 25 Abs 5 OECD-Musterabkommen). Die beiden Vertragsstaaten sind diesfalls zur Einleitung eines Schiedsverfahrens verpflichtet, wenn innerhalb von zwei Jahren nach Unterbreitung des Streitfalles keine Lösung erzielt wurde und der Antragsteller des Verständigungsverfahrens dies beantragt. Die Einleitung eines Schiedsverfahrens ist hingegen nicht möglich, wenn in einem der beiden Staaten bereits eine Entscheidung durch ein Gericht oder Verwaltungstribunal ergangen ist. Es ist daher die Aussetzung von nationalen Rechtsmittelverfahren vorausgesetzt.   

Sonderfall Deutschland: Wird ein Verständigungsverfahren mit Deutschland nicht innerhalb von 3 Jahren ab Verfahrenseinleitung abgeschlossen, ist der Abgabepflichtige, der das Verständigungsverfahren beantragt hat, berechtigt, die Vorlage des Streitfalles an den EuGH zur Durchführung eines Schiedsverfahrens zu verlangen.

Verständigungs- und Schiedsverfahren nach dem EU-Schiedsübereinkommen

Zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei verbundenen Unternehmen sowie Betriebsstätten innerhalb der EU kann ein Verfahren nach dem EU-Schiedsübereinkommen angestrengt werden. Führt das Verständigungsverfahren nicht innerhalb von zwei Jahren ab dem Tag, an dem der Fall erstmals vollständig und umfassend einer der zuständigen Behörden unterbreitet worden ist, zu einer Einigung, so sind die zuständigen Behörden der beteiligten Vertragsstaaten verpflichtet, einen beratenden Ausschuss einzusetzen, welcher eine Stellungnahme unterbreitet, und ein Schiedsverfahren zu führen. Entgegen dem Schiedsverfahren nach DBA-Recht (Art 25 Abs 5 OECD-MA) ist das Schiedsverfahren gemäß EU-Schiedsübereinkommen von den Vertragsstaaten automatisch einzuleiten und folglich nicht an den Antrag des Steuerpflichtigen gebunden. Es besteht also ein Einigungszwang. Überdies kann das Verfahren abweichend vom Verfahren nach DBA-Recht auch im Betriebsstättenstaat oder im Staat der Tochtergesellschaft eingeleitet werden. 

Zusammenfassung 

Die aktuelle BMF-Info vom 24. Juli 2019 gibt den derzeitigen Stand der Rechtsansichten der österreichischen Finanzverwaltung zu bilateralen Verfahren zur Vermeidung der Doppelbesteuerung wieder. Den Volltext des BMF-Informationsschreibens vom 24. Juli 2019 finden Sie unter folgendem Link:
BMF Info 24. Juli 2019 

Seit 1. September 2019 ist weiters das EU-Besteuerungsstreitbeilegungsgesetz (EU-BStbG) anwendbar, welches künftig die zentrale Grundlage solcher Verfahren bilden wird. Die vorliegende BMF-Info berücksichtigt dieses neue Verfahren allerdings noch nicht, sodass Anfang nächsten Jahres mit einer neuerlichen Aktualisierung zu rechnen ist. Wir haben bereits in unserem August-Newsletter über das neue EU-BStbG berichtet und informieren Sie auch im Rahmen des 8. ICON Steuertages am 1.10.2019 ausführlicher über dieses neue Verfahren. 

Weitere Fortbildungsveranstaltungen zum Thema „Verrechnungspreise“ bzw. zu verwandten Themenstellungen enthält unser Seminarkalender. Nähere Informationen über unsere Dienstleistungspalette rund um den Themenbereich „Verrechnungspreise“ finden Sie hier

Für Fragen und einzelfallbezogene Unterstützung bei notwendigen Verständigungsverfahren (bzw Schiedsverfahren) zur Beseitung von Doppelbesteuerungsproblemen stehen Ihnen die Verfasser sowie auch die übrigen Experten des ICON-Beratungsteams gerne zur Verfügung!