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GRUPPENBESTEUERUNG | Verwertung von Auslandsverlusten bei Liquidation?

Heidrich Gerhard  |  Menchini Matteo

Während für internationale Schachtelbeteiligungen zunächst steuerneutrale Teilwertabschreibungen im Falle einer Liquidation oder Insolvenz als tatsächliche und endgültige Vermögensverluste ggfs mit steuerlicher Wirkung nachgeholt werden können (§ 10 Abs 3 KStG), ist dies bei einer Auslandsbeteiligung, die vor der Liquidation Gruppenmitglied einer körperschaftsteuerlichen Unternehmensgruppe war, nur eingeschränkt durch Kürzung der beim Ausscheiden grundsätzlich nachzuversteuernden Auslandsverluste möglich (§ 9 Abs 6 Z 7 KStG). Das Verhältnis der beiden Rechtsnormen zur Verwertung finaler Auslandsverluste zueinander ist nicht unumstritten. Kürzlich hatte sich auch das Bundesfinanzgericht mit dieser Frage auseinanderzusetzen und entschieden, dass im Falle des liquidationsbedingten Ausscheidens eines Auslandsgruppenmitglieds die bisher steuerneutralen Teilwertabscheibungen nur bis zur Höhe des Nachversteuerungsbetrages nachgeholt werden können und darüber hinaus verloren sind (BFG 7.10.2022, RV/7101680/2022). Im nachfolgenden Beitrag rufen wir die wesentlichen Rechtsgrundlagen in Erinnerung und erläutern das bisherige Rechtsmittelverfahren zu dieser interessanten Fragestellung.

Rechtsgrundlagen

Teilwertabschreibungen (TWA) und sonstige Wertänderungen aus sog. „internationalen Schachtelbeteiligungen“ (ISB iS § 10 Abs 2 KStG) sind grundsätzlich steuerneutral, sofern nicht ausdrücklich zur Steuerwirksamkeit nach den Vorschriften des § 10 Abs 3 KStG optiert wurde. Diese grundsätzliche Steuerneutralität gilt allerdings dann nicht, wenn die beteiligungsgegenständliche ausländische Körperschaft infolge einer Insolvenz oder Liquidation untergeht und daraus tatsächliche und endgültige Vermögensverluste resultieren. Diesfalls können nämlich zunächst steuerneutral gewesene TWA auf die Anschaffungskosten der ISB mit steuerlicher Wirkung nachgeholt und auf diese Weise die erlittenen finalen Auslandsverluste verwertet werden (wobei diese Verluste ggfs um steuerfrei lukrierte Gewinnausschüttungen der letzten fünf Wirtschaftsjahre zu kürzen sind und die allgemeine Siebenjahresverteilung für Beteiligungsverluste zu beachten ist).

Eine ähnliche Möglichkeit zur Verwertung finaler Auslandsverluste gibt es auch im Rahmen des Sonderregimes der Gruppenbesteuerung gemäß § 9 KStG, die als Ausnahme von der grundsätzlich gebotenen Nachversteuerung im Ausscheidensfalle gemäß § 9 Abs 6 Z 7 KStG wie folgt konzipiert ist:

  • Satz 2 lautet: "Scheidet das nicht unbeschränkt steuerpflichtige ausländische Gruppenmitglied aus der Unternehmensgruppe aus, ist im Jahr des Ausscheidens ein Betrag im Ausmaß aller zugerechneten im Ausland nicht verrechneten Verluste beim Gruppenmitglied bzw. beim Gruppenträger als Gewinn zuzurechnen". …
  • Satz 4 lautet: "Im Falle des Untergangs (Liquidation oder Insolvenz) des ausländischen Gruppenmitglieds ist bei tatsächlichem und endgültigem Vermögensverlust der zuzurechnende Betrag um die während der Gruppenzugehörigkeit nicht steuerwirksamen Teilwertabschreibungen zu kürzen".

Aus dem Zusammenspiel von § 9 Abs 6 Z 7 Satz 2 und 4 KStG ergibt sich im Ergebnis eine Deckelung: Die im Rahmen der laufenden bzw direkten Verlustverrechnung für das Auslandsgruppenmitglied zunächst steuerneutral zu behandelnden Teilwertabschreibungen (zur Vermeidung einer „doppelten“ Verlustverwertung)  können beim späteren Ausscheiden nur maximal bis zur Höhe des Verlustnachversteuerungsbetrages nachgeholt werden bzw diesen Nachvesteuerungsbetrag somit nur bis Null kürzen (siehe auch die diesbezügliche Rechtsansicht der Finanzverwaltung in Rz 1094 KStR; EXKURS: Die in diesem Richtlinienpassus ebenfalls enthaltenen Hinweise auf ev. darüber hinausgehende finale Verluste von EU/EWR-Gruppenmitgliedern ist im nachfolgend dargestellten Rechtsmittelfall nicht von Belang, zumal es sich hier um ein in einem Drittland ansässiges Auslandsgruppenmitglied handelte).

Im nachfolgend geschilderten Rechtsmittelverfahren vor dem Bundesfinanzgericht war zwischen den beschwerdeführenden Gruppenangehörigen und der Finanzverwaltung strittig, wie der Differenzbetrag zwischen der Verlustzurechnung anläßlich des liquidationsbedingten Ausscheidens des ausländischen Gruppenmitglieds und den bis dahin steuerneutral gebliebenen Teilwertabschreibungen steuerlich zu behandeln ist:

Rechtsmittelverfahren vor dem Bundesfinanzgericht

Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin Bf B (als Gruppenmitglied der Bf A als Gruppenträgerin) hielt 100 % der Anteile an einer Drittlandsgesellschaft Z (ansässig in Südkorea), die als Auslandsgruppenmitglied in die körperschaftsteuerliche Unternehmensgruppe der Bf A einbezogen war und im Jahr 2016 liquidiert wurde. Dieses liquidationsbedingte Ausscheiden führte zu einer Nachversteuerung gemäß § 9 Abs 6 Z 7 KStG betreffend Verluste in Höhe von rund 6,2 Mio EUR, welche im Rahmen der Unternehmensgruppe in Österreich temporär verrechnet werden konnten und nunmehr bei der Gruppenträgerin A wieder hinzugerechnet werden mußten.

Im Zuge der Nachversteuerung wurden die während der Gruppenzugehörigkeit vorgenommenen Teilwertabschreibungen (TWA) auf die Auslandsbeteiligung an der Z in Höhe von rund 7,0 Mio EUR, die gemäß § 9 Abs 7 KStG steuerlich nicht geltend gemacht werden konnten, im Ausmaß der zugerechneten Verluste berücksichtigt.

Den Differenzbetrag iHv rund 0,8 Mio EUR (Überhang der TWA über die nachversteuerten Auslandsverluste) machten die Beschwerdeführer zusätzlich als endgültige Vermögensverluste iS § 10 Abs 3 KStG geltend. Das zuständige Finanzamt (FAG) versagte dies jedoch mit dem Hinweis auf den Vorrang der Sonderbestimmungen für die Gruppenbesteuerung in § 9 KStG gegenüber den allgemeinen Regelungen des § 10 KStG.

Gegen die steuerliche Nichtberücksichtigung des fraglichen Differenzbetrages wurde seitens der Bf Beschwerde beim Bundesfinanzgericht erhoben:

Entscheidung des Bundesfinanzgerichts (BFG vom 7.10.2022, RV/7101680/2022)

Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens argumentierten die Bf zunächst mit der Begründung, dass der verbliebene Überhang aus der Teilwertabschreibung nach der Rechtsansicht bzw Vorgangsweise der Finanzverwaltung überhaupt nicht steuerwirksam verwertet werden könnte und dadurch wesentliche Grundprinzipien des Steuerrechts verletzt würden (Postulat der Verlusteinmalverwertung sowie Leistungsfähigkeitsprinzip). Somit läge  eine unsachgerechte Schlechterstellung gegenüber der Regelung in § 10 Abs 3 KStG vor, weil letzterenfalls eine gänzliche Verlustverwertung möglich sei. Die Bf sahen darin eine Gesetzeslücke in § 9 KStG, welche durch Analogieschluss zu lösen sei.

Im Vorlageantrag der Beschwerdeführer wurde weiters argumentiert, dass § 9 Abs 7 KStG sich nicht gegen die Verwertung der den Nachversteuerungsbetrag übersteigenden Teilwertabschreibungen richte, sondern diese Bestimmung lediglich die Steuerneutralität von Teilwertabschreibungen und Veräußerungsverlusten regle. Veräußerungsverluste seien aber keine Liquidationsverluste (vgl VwGH 4.9.2019, Ro 2017/13/0009; siehe dazu auch bereits unseren NL-Beitrag „KÖRPERSCHAFTEN | VwGH contra BMF zur Liquidationsbesteuerung“ vom 18.12.2019).

Zudem wurde seitens der Bf vorgebracht, dass nach erfolgter Kürzung auf Null die Anwendbarkeit des § 9 KStG ende und der übersteigende Teil gemäß § 10 Abs 3 KStG berücksichtigt werden müsse.

Das Bundesfinanzgericht wies zunächst darauf hin, dass ein Analogieschluss eine echte Gesetzeslücke voraussetze. Dies wäre nach der VwGH-Rechtsprechung nur dann der Fall, wenn der Gesetzgeber eindeutig etwas anderes gewollt hätte, als er im Gesetzeswortlaut zum Ausdruck gebracht hat. Derartige Abweichungen ergäben sich insbesondere aus Gesetzesmaterialen. Aus den zur gegenständlichen Frage relevanten Materialien zu § 9 Abs 6 KStG idF AbgÄG 2004 (BGBl I Nr. 180/2004) gehe jedoch ua hervor, dass der zuzurechnende Betrag bei Untergang durch Liquidationhöchstens bis auf Null gekürzt“ werden kann.  Selbst wenn man dies als überschießend betrachten möchte (wie mitunter in der Literatur), fehle es nach Ansicht des BFG an einer planwidrigen gesetzlichen Lücke, die per Analogie zu schließen wäre.

Auch dem Argument der Bf, dass die Anwendbarkeit des § 9 KStG ende, sobald der Kürzungsbetrag Null erreicht, und die darüber hinausgehenden Teilwertabschreibungen als tatsächliche und endgültige Vermögensverluste iS § 10 Abs 3 KStG zu berücksichtigen seien, erteilte das BFG eine Absage. Vielmehr sieht das Gericht in den Regelungen zur Gruppenbesteuerung gemäß § 9 KStG ein „in sich geschlossenes System“, das in § 9 Abs 6 Z 7 KStG eine eigene Begünstigungsvorschrift für tatsächliche und endgültige Verluste enthält. Aus Sicht des BFG entspreche es – aufgrund der Gesetzesmaterialen, entgegen div. Literaturmeinungen - NICHT der Intention des Gesetzgebers, eine „Nebeneinanderanwendung“ von § 9 Abs 6 Z 7 KStG und § 10 Abs 3 KStG zuzulassen.

Auch dem Argument der Bf, wonach die Deckelung eine unsachgerechte Schlechterstellung ausländischer Gruppenmitglieder gegenüber internationalen Schachtelbeteiligungen darstelle, folgte das BFG nicht, zumal die Einbeziehung von Auslandsgesellschaften in eine Gruppe optional ist (Wahlrecht). Den Bf wäre es offen gestanden, die ausländische Tochtergesellschaft eben nicht in die Unternehmensgruppe einzubeziehen und damit diesen Nachteil nicht in Kauf nehmen zu müssen.

Die Beschwerde wurde daher vom BFG als unbegründet abgewiesen, eine ordentliche Revision wegen Fehlens einschlägiger VwGH-Rechtsprechung jedoch zugelassen und beim Höchstgericht auch bereits eingebracht (beim VwGH anhängig zur Zahl Ro 2023/13/0004). Die Letztentscheidung des Verwaltungsgerichtshofes bleibt daher mit Spannung abzuwarten.

​​​​​​​FAZIT

Das Bundesfinanzgericht (BFG vom 7.10.2022, RV/7101680/2022) sah in dem Umstand, dass Überhänge von Teilwertabschreibungen auf liquidierte Auslandsgruppenmitglieder im Zuge der Nachversteuerung von deren Auslandsverlusten nach § 9 Abs 6 Z 7 KStG nicht verwertet werden können, keine planwidrige Gesetzeslücke, die durch einen Analogieschluss zu lösen wäre. Auch einer „parallelen“ Anwendung von § 10 Abs 3 KStG erteilte das BFG eine Absage.

Bestätigt letztlich auch der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen seiner mit Spannung abzuwartenden Revisionsentscheidung diese Rechtsansicht, so wird man sich in Zukunft wohl noch genauer überlegen müssen, ob bzw wie lange man Auslandsgesellschaften in eine steuerliche Unternehmensgruppe einbeziehen oder besser als internationale Schachtelbeteiligungen gestionieren sollte. Zinsvorteilen aus der laufenden (temporären) Verrechnung von Auslandsverlusten im Inland können nämlich im Falle von finalen Auslandsverlusten bei Liquidation oder Insolvenz erhebliche steuerliche Nachteile aus letztlich nicht verwertbaren Teilwertabschreibungen gegenüberstehen.

Für Fragestellungen zu diesen oder ähnlichen Themen stehen Ihnen die Verfasser sowie auch die übrigen ExpertInnen der Service Line "Corporate Tax" gerne zur Verfügung!