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KEST-ENTLASTUNG | Missbrauch bei Zwischenschaltung einer Zypern-Ltd.

In der Entscheidung vom 23.3.2023, Ra 2022/15/0050 hatte sich der (Verwaltungsgerichtshof (VwGH) mit der Frage zu befassen, inwieweit eine zypriotische Company Limited by Shares (Ltd.) zur Entlastung von Kapitalertragsteuer (KESt) berechtigt ist, die in den Jahren 2012 bis 2017 auf Gewinnausschüttungen ihrer österreichischen Tochtergesellschaften erhoben worden ist. Das Höchstgericht hat darin seine in früheren Entscheidungen bzw die im Vorerkenntnis des Bundesfinanzgerichts (BFG) vom 3.3.2022, RV/4100351/2020 vertretene Rechtsansicht bestätigt, wonach eine Zwischengesellschaft nur dann berechtigt ist, die Vorteile der Mutter-Tochter-Richtlinie bzw des § 94 Z 2 EStG in Anspruch zu nehmen, wenn diese eine eigene wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, für die Zwischenschaltung relevante außersteuerliche Gründe vorliegen und der dahinterstehende Gesellschafter bei Direktbezug der Dividenden ebenso entlastungsberechtigt gewesen wäre.

1. Der Sachverhalt

Revisionswerberin war eine in Zypern ansässige Company Limited by Shares (Ltd. 1), die seit 2007 an einer in Österreich ansässigen europäischen Gesellschaft mit Sitz in Österreich (AT SE) beteiligt war. Einziger Gesellschafter der Ltd. 1 war eine ebenfalls in Zypern ansässige (konzernverbundene) Ltd. 2, deren Anteile wiederum von zwei Gesellschaften mit Sitz auf den Channel Islands bzw den British Virgin Islands,  drei weiteren zypriotischen Gesellschaften und russischen Großinvestoren gehalten worden sind.  Von den Gewinnausschüttungen der AT SE der Jahre 2012 bis 2017 wurde KESt einbehalten, deren Rückerstattung an die Ltd. 1 vom zuständigen Finanzamt mit dem Argument einer missbräuchlichen Zwischenschaltung der Ltd. 1 verweigert worden ist. Der Steuerfall war bezüglich der Gewinnausschüttungen 2008 bereits Gegenstand der Entscheidungen VwGH 29.6.2014, 2011/15/0080-13 und VwGH 3.4.2019, Ra 2017/15/0070-7,  in denen die Zulässigkeit der Verweigerung der KESt-Entlastung vom Höchstgericht bestätigt worden ist. Im Beschluss VwGH 23.3.2023, Ra 2022/15/0050-10 wurde die Entscheidung des BFG v. 3.3.2022, RV/4100351/2020 (wir haben darüber berichtet) auf Grundlage einer außerordentlichen Revision bestätigt.

2. Keine eigene Wirtschaftstätigkeit des Gesellschafters

Im gegenständlichhen Steuerfall verwehrte das Finanzamt der Ltd. 1 die Rückerstattung der KESt mit der Begründung, dass die Ltd. 1 von in Russland ansässigen physischen und juristischen Personen beherrscht worden sei, denen bei unmittelbarem Bezug der Dividenden aus Österreich eine KESt-Entlastung gemäß § 94 Z 2 EStG nicht zustehen würde. Mangels eigener Wirtschaftstätigkeit und des Fehlens wirtschaftlicher oder sonst beachtlicher Gründe für die  gewählte Gesellschafterstruktur, sei die Beteiligung an der AT SE anderen Personen zuzurechnen. 

In der Beschwerde wurde von der Ltd. 1 vorgebracht, dass die von ihr wahrzunehmenden Aufgaben, von ihrem Gesellschafter - der Ltd. 2 - erbracht worden sind, der wiederum sämtliche Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Verwaltung seiner Beteiligungen an die konzernmäßig verbundene Ltd. 3 ausgelagert hatte.

Das BFG verwies die Beschwerde unter Bezugnahme auf die oben angeführten Erkenntnisse ab, da in Bezug auf Organisation, Ablauf und Tätigkeit der beteiligten Gesellschaften im Vergleich zu 2008 keine wesentlichen Änderungen eingetreten seien. Begründet damit, dass Zweck der Ltd. 1 das Halten und die Verwaltung von Beteiligungen sowie die Erweiterung des russischen Marktes gewesen sei, jedoch kein Nachweise für eine fremdüblich vereinbarte und abgewickelte Auslagerung der von der Ltd. 1 wahrzunehmenden Tätigkeiten vorgelegt werden konnte. Nachvollziehbare Unterlagen zur Frage, wer die mit den angeführten Zwecken verbundenen Aufgaben erfüllt habe, lägen nicht vor. Es konnte auch nicht dargelegt werden, wer einzelne Leistungen, wie zB die Geschäftsführung der Ltd. 1 erbracht habe. So finde sich in in den Betriebsausgaben der Ltd. 1 in einzelnen Jahren auch keine Geschäftsführervergütung. Letzlich sei Ltd. 1 zur Gänze von den in Russland ansässigen, nicht KESt-entlastungsberechtigten Investoren abhängig gewesen. 

3. Fehlende außersteuerliche Gründe

Nach Ansicht des Revisionswerbers wurden als - Rechtsmissbrauch ausschaltende - außersteuerlicher Grund vorgebracht, dass Ltd. 1 als “Special Purpose Vehicle” (SPV) zwecks Bündelung der Beteiligungen  in der Konzernsparte “Construction and Development” gegründet worden ist. Zwecks professioneller Beteiligungsverwaltung sei eine europäische Holding mit Sitz und Geschäftsleitung innerhalb der EU essentiell und Marktstandard. 

Wenngleich das BFG von einer grundsätzlichen Anwendung der Mutter-Tochter-Richtlinie ausgegangen ist, ist das Gericht von einer missbräuchlichen Zwischenschaltung der Ltd. 1 ausgegangen. Nach der Rechtsprechung des VwGH spreche nämlich die Beherrschung einer Gesellschaft durch Personen, denen die Steuerentlastung nicht zustände, wenn sie Dividenden unmittelbar erzielten, für das Vorliegen einer missbräuchlichen Gestaltung, wenn für die Zwischenschaltung der EU-Gesellschaft wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlten und sie keine eigene Wirtschaftstätigkeit entfalte. 

Für das Vorliegen einer eigenen wirtschaftlichen Tätigkeit der Ltd. 1 sah das BFG keine Anhaltspunkte. Selbst unter Einbeziehung der Ltd. 2 und der Ltd. 3  könne eine solche nicht erkannt werden. Eine Auslagerung von Aufgaben sei zwar zulässig und führe per se nicht zu einem Missbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten. Entscheidungsrelevant sei jedoch die Frage der ausgeübten wirtschaftlichen Tätigkeiten, allenfalls auch im Wege einer teilweisen Auslagerung der von den Gesellschaften im Rahmen ihres Zwecks zu besorgenden Aufgaben. Eine solche Auslagerung in Form fremdüblich abgeschlossener und auch entsprechend abgewickelter Vereinbarungen zwischen den beteiligten zypriotischen Gesellschaften sei jedoch nicht erkennbar gewesen und hätte sich nur auf Behauptungen gestützt. Eine wirtschaftliche Tätigkeit der Ltd. 1, sei es durch ein eigenes wirtschaftliches Tätigwerden oder durch den Zukauf von Leistungen, sei nicht nachgewiesen worden. 

Die vom Beschwerdeführer in der Revision vorgebrachten  außersteuerlichen Gründe, zB der Notwendigkeit einer SPV, seien nicht glaubhaft, weil es seitens der Ltd. 1 nur eine weitere Beteiligung an einer Schwestergesellschaft gegeben hatte. Eigenständige wirtschaftliche Funktionen der Ltd. 1 oder der Ltd. 2 oder andere wichtige Funktionen innerhalb der Unternehmensgruppe als Holding seien nicht erkennbar gewesen. Im Übrigen sei nicht nachvollziehbar, warum es einer Spartenholding im EU-Raum bedürfe, obwohl alle operativen Gesellschaften mit Ausnahme der SE in Russland und in Südeuropa situiert gewesen sind. Auch andere ins Treffen geführte Gründe (englische Sprache, Zypern-Holding als Standard etc.) seien keine tauglichen wirtschaftlichen oder sonst beachtlichen außersteuerlichen Gründe. 

An der Beherrschung der drei zypriotischen Gesellschaften durch Personen, denen im Fall einer Direktbeteiligung an der AT SE die KESt-Erstattung nicht zustände, gab es keinen Zweifel, weshalb die KESt-Rückerstattung zu Recht verweigert worden ist. 

 4. Keine KESt-Entlastung bei “Directive Shopping”

Nach Erläuterung der Rechtsgrundlagen einer möglichen KESt-Entlastung für innerhalb der EU ansässigen Muttergesellschaften, widmete sich der VwGH dem in der Verordnung  BGBl Nr. 56/1995 zu § 94 Z 2 EStG konkretisierten Missbrauchstatbestand. Demnach ist eine Unterlassung des Steuerabzugs unter anderem dann unzulässig, wenn Umstände vorliegen, die für die Annahme eines Missbrauchs iSd § 22 BAO sprechen und ein Missbrauch von dem zum Abzug verpflichteten (im konkreten Fall der AT SE) zu vertreten wäre. Ein solcher wäre bei Vorliegen eines schriftlichen Substanznachweis des Empfängers der Dividenden nicht zu vertreten. Trotz eines solchen Substanznachweises ist aber eine allfällige KESt-Entlastung nur durch ein Steuerrückerstattungsverfahren durchzuführen, wenn dem zum Abzug Verpflichteten Umstände erkennbar sind, die Zweifel an der Richtigkeit der Erklärung auslösen. Durch diese Regelung sollen EU-Briefkastengesellschaften von der unmittelbaren Entlastungsmöglichkeit durch Inanspruchnahme des § 94 Z 2 EStG ausgeschlossen werden und ”Direktive Shopping" verhindert werden.

In Zusammenhang mit der Mutter-Tochter-Richtlinie der EU ist Voraussetzung für die Annahme einer missbräuchlichen Gestaltung, dass es durch die Umleitung von Dividenden über Zwischengesellschaften zu einer ungerechtfertigten Steuerersparnis kommt, die bei direkter Beteiligung des dahinterstehenden Gesellschafters nicht hätte in Anspruch genommen werden können. Der VwGH ist der Beurteilung des Finanzamtes und es BFG gefolgt und hat im konkreten Sachverhalt in der Zwischenschaltung der zypriotischen Gesellschaften eine missbräuchlich Gestaltung erkannt.

Als Missbrauch iSd § 22 BAO ist eine rechtliche Gestaltung anzusehen, die im Hinblick auf die wirtschafltiche Zielsetzung ungewöhnlich und unangemessen ist und nur aufgrund der damit verbundenen Steuerersparnis verständlich wird. Dabei bildet im Allgemeinen nicht ein einziger Rechtsschritt, sondern eine Kette von Rechtshandlungen den Sachverhalt, mit dem die Folgen des § 22 Abs. 2 BAO verbunden sind. Ein Missbrauch kann also auch in der dem tatsächlichen Geschehenen nicht angemessenen Hintereinanderschalten mehrerer rechtlicher Schritte bestehen. Der VwGH hat auch festgehalten, dass § 22 BAO den unionsrechtlichen Vorgaben und der Judikatur des EuGH entspricht. 

Den vom Beschwerdeführer für die gewählte Gestaltungen vorgebrachten, vom BFG nicht als außersteuerlich relevant qualifizierten Gründen, wurde ebenso vom VwGH keine Bedeutung beigemessen. Selbst das Erkenntnis VwGH 27.3.2019, Ro 2013/004, in dem die Gliederung von Beteiligungen nach Regionen als außersteuerlicher Grund anerkannt worden ist, stünde der aktuellen Entscheidung nicht entgegen, weil  dem Erkenntnis ein Sachverhalt zugrunde gelegen ist, bei dem mehrere fremde Dritte ihre Investitionen über eine luxemburgische Holdinggesellschaft gebündelt hatten, um getrennt nach geografischen und branchenspezifischen Gesichtspunkten gemeinsame Investitionen im Infrastrukturbereich zu tätigen und damit eine professionelle Verwaltung der Beteiligungen zu gewährleisten. Ein vergleichbarer Sachverhalt liege dem aktuellen Erkenntnis hingegen nicht zugrunde.

FAZIT

Die aktuelle Rechtsprechung des VwGH zieht einen Schlussstrich unter einer Reihe von Erkenntnissen, die sich mit der aufgrund der Mutter-Tochter-Richtlinie der EU grundsätzlich notwendigen KESt-Entlastung zu befassen hatten. Eine bloß zwischengeschaltete funktionslose Gesellschaft, deren Beteiligung nur aus steuerlichen Gründen erfolgt ist, die keiner eigenen wirtschaftlichen Tätigkeit nachgeht, für deren Zwischenschaltung wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen und deren Gesellschafter bei unmittelbarer Beteiligung nicht berechtigt wären, die Mutter-Tochter-Richtlinie in Anspruch zu nehmen, ist von der darin vorgesehenen Quellensteuerentlastung ausgeschlossen. 

Allerdings lässt sich aus der Entscheidung des VwGH ableiten, dass die für die Anerkennung einer ausländischen Gesellschaft notwendige Substanz nicht nur durch eine eigene wirtschaftliche Tätigkeit geschaffen werden kann, sondern auch durch eine Auslagerung der notwendigen Funktionen an Dritte. Voraussetzung ist jedoch, dass diese Tätigkeiten tatsächlich durchgeführt werden, fremdüblich gestaltete vertragliche Vereinbarungen dazu vorliegen, die auch tatsächlich vertragskonform umgesetzt und abgewickelt werden.

Sollten Sie Fragen zu dem Erkenntnis des VwGH oder generell zur Entlastung von Quellensteuern haben, stehen Ihnen die Autoren dieses Beitrages und die Experten der ICON gerne zur Verfügung.