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STEUERREFORM | Dividenden als Gewinnausschüttung oder Einlagenrückzahlung?

Mit zwei Novellierungen des § 4 Abs 12 EStG hat der Gesetzgeber im Vorjahr die steuerliche Behandlung von Ausschüttungen aus dem Bilanzgewinn grundlegend neu geregelt. War eine ausschüttende Gesellschaft bisher weitgehend frei in der Entscheidung, ob eine Dividende auch steuerlich als offene Ausschüttung oder aber als Einlagenrückzahlung behandelt werden soll, setzt eine offene Ausschüttung im steuerlichen Sinne nunmehr eine hinreichend positive Innenfinanzierung voraus. Die korrekte Ermittlung des Innenfinanzierungsstandes ist jedoch steuerrechtliches Neuland und stellt den Rechtsanwender mitunter vor erhebliche Probleme. 

Mit dem Steuerreformgesetz 2015/2016 (StRefG 2015/2016 – BGBl I 118/2015) sollte zunächst eine zwingende steuerliche Verwendungsreihenfolge bei der Ausschüttung von Bilanzgewinnen kodifiziert und hiebei zuerst die Ausschüttung erwirtschafteter Gewinne (Innenfinanzierung) und erst danach die Rückzahlung von Einlagen (Außenfinanzierung) angeordnet werden (vgl zu dieser interimistischen Rechtslage und der damit einhergehenden Problematik bereits unseren <link http: www.icon.at de publikationen news detail _blank external-link-new-window externen link in neuem>NL-Beitrag „STEUERREFORM | Vorsicht Falle bei der Einlagenrückzahlung“ vom 17.8.2015). Nach heftiger vielseitiger Kritik an dieser gesetzlichen Neuregelung erfolgte mit dem Abgabenänderungsgesetz 2015 (AbgÄG 2015 – BGBl I 163/2015) eine neuerliche Änderung und wurde wiederum ein grundsätzliches Wahlrecht normiert, allerdings mit der Einschränkung, dass die steuerliche Behandlung einer Dividende als „offene Ausschüttung“ jedenfalls eine hinreichend positive Innenfinanzierung voraussetzt. 

Worum geht es dabei konkret?

Im Kern der novellierten Bestimmungen in § 4 Abs 12 EStG geht es also um die grundsätzliche Frage, ob Ausschüttungen aus dem Bilanzgewinn einer Kapitalgesellschaft, die gesellschaftsrechtlich stets als Gewinnausschüttungen bzw Dividenden ausgestaltet sind (idR auf Basis von entsprechenden Ausschüttungsbeschlüssen gemäß §§ 35 und 82 GmbHG bzw §§ 52 und 104 AktG), auch ertragsteuerlich als Gewinnausschüttung oder aber als Einlagenrückzahlung zu behandeln sind. Daraus resultieren nämlich unterschiedliche steuerliche Konsequenzen: 

Gemäß § 4 Abs 12 EStG (und zwar auch bereits nach alter Rechtslage!) stellt die Ausschüttung von Einlagen grundsätzlich eine steuerliche „Einlagenrückzahlung“ dar, die wie eine (anteilige) Veräußerung einer Beteiligung zu behandeln ist. Demgemäß führen solche Einlagenrückzahlungen auf Ebene der Gesellschafter (Anteilsinhaber, Beteiligte) zu einer entsprechenden Minderung der Anschaffungskosten bzw Buchwerte der Beteiligung. Übersteigen die Einlagenrückzahlungen die Anschaffungskosten bzw den Beteiligungsbuchwert, resultiert daraus ein Veräußerungsgewinn mit entsprechender Steuerpflicht auf Gesellschafterebene. 

Stellt eine Dividende hingegen auch aus steuerlicher Sicht eine Gewinnausschüttung dar, löst dies bei natürlichen Personen als Gesellschafter eine sofortige Steuerwirkung aus, nämlich in Form der Kapitalertragsteuer (KESt iHv 27,5 %). Bei beteiligten Kapitalgesellschaften liegt hingegen ein „steuerfreier“ Beteiligungsertrag vor (Schachtelbegünstigung gemäß § 10 Abs 1 KStG).  

Je nach der Rechtsnatur der Gesellschafter kann es bei Ausschüttungen daher durchaus auch zu Interessenskonflikten kommen: Natürliche Person haben tendenziell eher ein Interesse daran, dass die ihnen zufließende Dividende eine ggfs KESt-freie Einlagenrückzahlung darstellt (solange durch hinreichend hohe Anschaffungskosten daraus kein Veräußerungsgewinn resultiert, der nämlich wiederum zu einer Steuerbelastung von 27,5 % führen würde). Die Unterscheidung zwischen Gewinnausschüttung und Einlagenrückzahlung kann im Falle von Gesellschafter-Geschäftsführern auch für die SV-Pflicht von Relevanz sein (vgl dazu im Detail unseren <link http: www.icon.at de publikationen news detail _blank external-link-new-window externen link in neuem>NL-Beitrag „AUSSCHÜTTUNGEN | Neue Meldepflicht für GSVG-pflichtige Geschäftsführer“ vom 9.6.2016). Eine beteiligte Kapitalgesellschaft präferiert demgegenüber eher eine (KöSt- und ggfs auch KESt-freie) Gewinnausschüttung. 

Je nachdem, ob die Ausschüttung eines unternehmensrechtlichen Bilanzgewinns als steuerliche Gewinnausschüttung oder als Einlagenrückzahlung zu qualifizieren ist, knüpfen sich auch aus Sicht der ausschüttenden Kapitalgesellschaft gemäß §§ 93 ff EStG – neben der grundsätzlichen Frage einer KESt-Abzugspflicht – ggfs unterschiedliche Erklärungs- und Meldepflichten, und zwar sowohl für Ausschüttungen im Inland als auch ins Ausland (vgl zu letzterer auch unseren <link http: www.icon.at de publikationen news detail _blank external-link-new-window externen link in neuem>NL-Beitrag „AUSSCHÜTTUNGEN | Strengere Nachweise für KESt-Befreiung von EU-Dividenden“ vom 15.8.2016). 

Die alte Rechtslage 

Nach der bisherigen Rechtslage bestand ein weitgehendes Wahlrecht der ausschüttenden Gesellschaft, ob eine Dividende steuerlich als Einlagenrückzahlung oder als Gewinnausschüttung behandelt wurde. Voraussetzung für eine Einlagenrückzahlung war lediglich, dass im auszuschüttenden Bilanzgewinn hinreichend hohe Einlagen, insbesondere nach erfolgter Auflösung von Kapitalrücklagen, includiert waren. 

Zur diesbezüglichen Dokumentation war - und ist es auch nach der neuen Rechtslage unverändert - erforderlich, dass die Gesellschaft ein Evidenzkonto führt, in welchem die gesellschafterseitig zugeführten Einlagen sowie deren Entwicklung, untergegliedert in sog. „Subkonten“, dargestellt werden. 

Die neue Rechtslage 

Für ab dem 1.1.2016 beschlossene Ausschüttungen ist die letztgültige Rechtslage nach dem AbgÄG 2015 zu beachten (§ 124b Z 299 lit b EStG): 

Hier ist nunmehr in § 4 Abs 12 Z 4 EStG angeordnet, dass eine Dividende, die auch steuerlich als Gewinnausschüttung behandelt werden soll („offene Ausschüttung“), eine „positive Innenfinanzierung“ voraussetzt, dh die ausgeschütteten Mittel müssen tatsächlich durch das Unternehmen erwirtschaftet worden sein und dürfen nicht aus gesellschafterseitig geleisteten Einlagen stammen. 

Im Wesentlichen ergibt sich dabei das Ausmaß der Innenfinanzierung aus der Ergebnisentwicklung der Gesellschaft (Jahresüberschüsse/-fehlbeträge) unter Berücksichtigung von bereits getätigten Ausschüttungen. Spezielle Bestimmungen in Zusammenhang mit Umgründungen, verdeckten Einlagen sowie erhaltenen Einlagenrückzahlungen sind dabei gesondert zu beachten. Der Stand der Innenfinanzierung bzw dessen Fortentwicklung ist künftig ebenfalls, ähnlich wie bereits bisher die Einlagen, in Evidenz zu halten bzw in geeigneter Weise zu dokumentieren.

Ermittlung und Fortentwicklung des Innenfinanzierungsstandes

Da die für steuerliche Gewinnausschüttungen verfügbare „Innenfinanzierung“ nach altem Recht nicht dokumentiert werden musste, bedarf es zunächst einer erstmaligen Ermittlung des maßgeblichen Innenfinanzierungsstandes, der sodann entsprechend fortzuentwickeln ist. Die Übergangsbestimmungen gemäß § 124b Z 279 bzw Z 299 EStG ordnen an, dass eine Erstermittlung zum letzten Bilanzstichtag vor dem 1.8.2015 zu erfolgen hat (bei Kalenderwirtschaftsjahren somit bereits für den Bilanzstichtag 31.12.2014):  

Gemäß § 124 b Z 279 EStG kann (!) als erstmaliger Stand der Innenfinanzierung der Unterschiedsbetrag zwischen dem unternehmensrechtlichen bilanziellen Eigenkapital (gem. § 224 Abs 3 UGB) und den vorhandenen steuerlichen Einlagen iS § 4 Abs 12 EStG (idF vor StRefG 2015/2016) angesetzt werden. Diese Regelung ist als Vereinfachung gedacht und von dem Gedanken getragen, dass die Einlagen iS § 4 Abs 12 EStG ja bereits nach bisherigem Recht (in Form von Einlagen-Evidenzkonten) zu dokumentieren waren und die Differenz zur Gesamtsumme des unternehmensrechtlichen Eigenkapitals daher dem verfügbaren Innenfinanzierungspotential der Gesellschaft entsprechen sollte. Die ersten Praxiserfahrungen haben aber bereits gezeigt, dass eine solcherart vereinfachte Erstermittlung in vielen Fällen zu völlig falschen Ergebnissen führen kann, insbesondere dann, wenn in der Vergangenheit auch Umgründungen stattgefunden haben. Eine solche Besonderheiten im Lebenszyklus einer Kapitalgesellschaft nicht berücksichtigende vereinfachte Ermittlung würde zu unakzeptablen Verwerfungen führen und könnte ggfs auch zur Folge haben, dass künftige Ausschüttungen vermeidbare Steuerbelastungen nach sich ziehen. 

Ist daher die laut Gesetz zwar grundsätzlich erlaubte Vereinfachungsmethode im konkreten Einzelfall nicht anwendbar, so müsste der aktuelle Innenfinanzierungsstand zum maßgeblichen Übergangsstichtag unter Anwendung der Detailregelungen des § 4 Abs 12 Z 4 EStG exakt rekonstruiert werden. Das bedeutet aber, dass grundsätzlich alle bisherigen Gewinne und Verluste, Ausschüttungen und innenfinanzierungsrelevanten Sonderfälle (insb. Umstrukturierungen!) seit Bestehen der Kapitalgesellschaft nachvollzogen werden müssten. In Ansehung der hiefür verfügbaren Unterlagen (vgl die „nur“ siebenjährige Aufbewahrungspflicht) erscheint dies insbesondere im Falle von bereits seit vielen Jahrzehnten bestehenden Gesellschaften kaum bewerkstelligbar. 

In der Literatur wurde daher auch schon die Frage der Verfassungskonformität der oa Übergangsbestimmungen aufgeworfen. 

Zusammenfassung und Handlungsbedarf 

Für ab 1.1.2016 beschlossene Ausschüttungen ist das eingeschränkte Wahlrecht des § 4 Abs 12 EStG idF AbgÄG 2015 zu beachten, wonach steuerliche (offene) Gewinnausschüttungen nur bei hinreichend hohem Innenfinanzierungsstand der Kapitalgesellschaft bzw Einlagenrückzahlungen nur bei entsprechend hohem Einlagenstand möglich sind. Als besondere Herausforderung kristallisiert sich in diesem Zusammenhang die korrekte erstmalige Ermittlung des Standes derInnenfinanzierungzum letzten Bilanzstichtag vor dem 1.8.2015 heraus (Gewinnausschüttungspotential nach der vereinfachten Differenzmethode versus exakte chronologische Rekonstruktion). Es bleibt abzuwarten, ob bzw wann die bereits aufgetretenen Zweifelsfragen seitens der Finanzverwaltung im Erlasswege geklärt werden. 

Welche Fallstricke bei der Erstermittlung des Innenfinanzierungsstandes zu beachten sind und welche Auswirkungen insbesondere Umgründungen auf die Innenfinanzierungsstände haben (unter Berücksichtigung einer eigens dafür erlassenen Verordnung), soll in weiteren Newsletter-Beiträgen abgehandelt werden. 

Eine intensive Bearbeitung des Themas erfolgt auch in einem Seminar im Rahmen der <link http: www.icon.at de veranstaltungen veranstaltungskalender _blank external-link-new-window externen link in neuem>ICON TAX ACADEMY, welches am 22.11.2016 unter dem Titel <link http: www.icon.at de veranstaltungen veranstaltungskalender termin detail _blank external-link-new-window externen link in neuem>„Ausschüttungen aus Kapitalgesellschaften - Steuerliche Gewinnausschüttung oder Einlagenrückzahlung?“ stattfindet. Melden Sie sich am besten gleich dafür an! 

Für weitergehende Fragen stehen Ihnen die Verfasser sowie auch die übrigen Klientenbetreuer des ICON-Teams gerne zur Verfügung!