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UMSATZSTEUER | Aufgepasst bei der Vertragsgestaltung (Teil 1)

Immer häufiger wird seitens der Steuerbehörden, sowohl im Inland als auch im Ausland, die vertragliche Grundlage eines Projekts zerpflückt. Oftmals kommt es dabei zu einer kontrovers diskutierten Auslegung der Leistungskategorisierung und der damit verbundenen Bestimmung des Leistungsorts sowie der korrekten steuerlichen Abwicklung. In unserem folgenden Beitrag möchten wir auf die wesentlichen rechtlichen Grundlagen zur Bestimmung der Leistungsart und des damit verbundenen Leistungsortes, vor allem bei Lieferungen im Zusammenhang mit Projekten im Ausland, eingehen. In einem zweiten Beitrag werden wir, anhand eines konkreten Praxisbeispiels, die Probleme einer widersprüchlichen Vertragsgestaltung veranschaulichen.

 

Rechtliche Grundlage


​​​​​​​Grundsätzlich sieht das Umsatzsteuergesetz nur zwei Leistungskategorien vor:


​​​​​​​Lieferungen und Dienstleistungen

Bei der Erbringung von Leistungsbündeln ist daher abzuwägen, welcher umsatzsteuerrechtliche Tatbestand im Falle einer einheitlichen Leistung erfüllt wird (Lieferung oder Dienstleistung) bzw. welche Leistungskategorien im Falle von Einzelleistungen vorliegen. Im Projektgeschäft hat sich mittlerweile die Montagelieferung/Werklieferung als eigenständige steuerliche Disziplin etabliert, obwohl es sich hierbei grundsätzlich um einen Liefertatbestand handelt. 

  • Lieferungen

Gemäß Art. 14 Abs. 1 RL 2006/112/EG gilt als Lieferung von Gegenständen die Übertragung der Befähigung wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen. Die Verfügungsmacht über den Gegenstand kann durch den Unternehmer dem Abnehmer oder in dessen Auftrag einem Dritten verschafft werden. Ein umsatzsteuerbares und auch pflichtiges Liefergeschäft wird mit der tatsächlichen Lieferung und in diesem Zusammenhang mit der Verschaffung der Verfügungsmacht an den Liefergegenständen verwirklicht. Die Verschaffung der Verfügungsmacht an den Liefergegenständen ist daher die Grundvoraussetzung für einen umsatzsteuerrechtlichen Leistungsaustausch, der, je nach dem wie die Verfügungsmacht an den Gegenständen verschafft wird, entweder im Inland (Österreich) steuerbar und steuerpflichtig (österreichische USt oder Reverse Charge) bzw. steuerbar und steuerfrei (beispielsweise ig Lieferung oder Ausfuhr) zu fakturieren ist, oder im Ausland als steuerbarer Umsatz (steuerpflichtig oder steuerfrei) dargestellt werden muss.

  • Sonstige Leistungen

Art. 24 Abs. 1 RL 2006/112/EG definiert als Dienstleistung jeden Umsatz, der keine Lieferung von Gegenständen darstellt. Sonstige Leistungen werden somit negativ von den Lieferungen abgegrenzt. Eine sonstige Leistung kann auch in einem Unterlassen oder im Dulden einer Handlung oder eines Zustandes bestehen.

  • Montagelieferung/ Werklieferung

Wird die Lieferung von Waren zusammen mit sonstigen Leistungen (beispielsweise Montage, Installation und/oder Inbetriebnahme auf der Baustelle vor Ort) erbracht, ist zu beurteilen, ob eine einheitliche Leistung vorliegt. Gemäß dem europäischen Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung, werden Leistungsbündel als eine einheitliche Leistung beurteilt, wenn eine Aufteilung der Leistungen und somit eine getrennte steuerliche Betrachtung wirklichkeitsfremd wäre. Dieser Grundsatz entspringt der laufenden EuGH-Rechtsprechung (vgl. beispielsweise EuGH 27.10.2005, Rs C-41/04, Levob Verzekeringen; EuGH 25.2.1999, Rs C-349/96, Card Protection Plan Ltd; EuGH 15.5.2001, Rs C-34/99, Primback Ltd ).  Wenn daher ein Unternehmer beispielsweise die Lieferung und Übergabe einer funktionsfähigen Anlage vertraglich schuldet und für die Funktionsfähigkeit am benannten Bestimmungsort unterschiedliche Dienstleistungen unbedingt erforderlich sind, dann ist vor dem Hintergrund der EuGH-Rechtsprechung abzuwägen, ob tatsächlich Einzelleistungen geschuldet werden, die jeweils gesondert fakturiert werden müssen, oder nicht doch eine untrennbare Gesamtleistung vorliegt, die nach einer einheitlichen steuerlichen Logik abzurechnen ist. 

Der Begriff "Werklieferung" definiert sich gemäß § 3 Abs. 4 öUStG und liegt dann vor, wenn ein Unternehmer die Bearbeitung oder Verarbeitung eines vom Auftraggeber beigestellten Gegenstandes übernommen hat und hierbei selbst beschaffte Hauptstoffe verwendet. Die gesetzlich geforderte Beistellung ist auch dann erfüllt, wenn die Gegenstände mit dem Grund und Boden fest verbunden werden. Die Werklieferung ist das Paradebeispiel für eine einheitliche Leistung.

Das Unionsrecht kennt den Begriff der Werklieferung nicht, jedoch wird in Art. 36 RL 2006/112/EG für Gegenstandslieferungen, die durch den Lieferer oder auf dessen Rechnung installiert oder montiert werden, der Montageort als Leistungsort geregelt.  Art. 36 RL 2006/112/EG stellt daher eine besondere Leistungsortregelung für Lieferungen dar, die im Rahmen einer einheitlichen Leistung (zusammen mit Dienstleistungen) geschuldet werden. Aus unionsrechtlicher Sicht wird nicht hinsichtlich des Ausmaßes der Montagetätigkeit, der benötigten Anwesenheitsdauer vor Ort oder der fixen Verbundenheit mit dem Grund und Boden unterschieden. Die Kombination aus Lieferung und Montage ist somit in jedem Mitgliedstaat bekannt und in Anlehnung an Art 36 RL 2006/112/EG als ein am Montageort steuerbarer und oftmals steuerpflichtiger Inlandsumsatz zu behandeln. 

 

Leistungsart/Leistungsort iZm vertraglichen Vereinbarungen


Zunächst muss klar präzisiert werden, welche Leistung(en) vertraglich geschuldet wird/werden und um welche steuerliche Leistungsart es sich hierbei handelt. Darauf aufbauend ist der Leistungsort zu bestimmen. In einem weiteren Schritt ist festzustellen, wie die Fakturierung entweder im Inland oder im Ausland zu erfolgen hat. Hierbei ist auf bestehende Reverse Charge Regelungen Rücksicht zu nehmen. 

Bei der Kategorisierung von Leistungen kommt es immer wieder zu Diskrepanzen die entweder in der Beschreibung der Leistungen ihren Anfang nehmen, oder sich durch Widersprüchlichkeiten bei ergänzenden vertraglichen Bestimmungen zur Durchführung der geschuldeten Leistungen ergeben. Insbesondere wenn der Beginn einer Gewährleistungspflicht, die Verwendung von Incoterms, die Abnahme/Übernahme durch den Kunden, die Vereinbarung zu den Zahlungsbedingungen oder Sonderbestimmungen zum Eigentumsübergang nicht im Einklang mit dem vertraglich geschuldeten Leistungsumfang stehen, sind steuerliche Konfliktpotenziale vorprogrammiert. Umgekehrt bedingen vertragliche Regelungen, die das Leistungsspektrum logisch und schlüssig ergänzen einen günstigen Nährboden für eine klare und unmissverständliche steuerliche Handhabung. Das Gesamtbild eines Vertrages ist daher ausschlaggebend für eine korrekte und unmissverständliche steuerliche Würdigung.    

Ein Hauptproblem in der Praxis ist die Unterscheidung zwischen einer bewegten grenzüberschreitenden Lieferung in ein anderes Land und einer ruhenden Lieferung im Bestimmungsland (Werklieferung/Montagelieferung). Insbesondere, wenn der Liefergegenstand im Werk fertiggestellt wird und hier auch bereits über einen gewissen Grad an Funktionalität verfügt, stellt sich häufig die Frage, ob die Lieferung mit dem Versand auf die Baustelle oder erst mit der Abnahme vor Ort als ausgeführt anzusehen ist. Zur Klärung dieser Frage ist es entscheidend die Tätigkeiten, die noch vor Ort auf der Baustelle zu erbringen sind, hinsichtlich ihrer Wertigkeit zur Erfüllung der vertraglich geschuldeten Leistungen zu analysieren. Handelt es sich um unwesentliche Tätigkeiten, weil sie entweder preislich eine geringe Rolle spielen, keine lange Anwesenheitsdauer erfordern, hinsichtlich der Funktionalität des Gegenstandes nicht ausschlaggebend sind ober auch weil diese Tätigkeiten nicht unbedingt durch den Lieferer erbracht werden müssen, kann dies auf das Vorliegen einer grenzüberschreitenden bewegten Lieferung in das Bestimmungsland hindeuten. Wird hingegen ein fertiger Gegenstand geschuldet, dessen Funktionalität erst durch wesentliche Leistungen des Lieferanten vor Ort oder eines von ihm beauftragten Subunternehmers entsteht, wird wahrscheinlich eine ruhende Lieferung im Bestimmungsland vorliegen, bzw. eine Montagelieferung/Werklieferung, wenn der Lieferant (selbst oder durch einen Dritten) die Montage/Installation zusätzlich zur Lieferung schuldet. Folgende Indizien sind für die Abgrenzungen zwischen einer bewegten grenzüberschreitenden Lieferung und einer ruhenden Lieferung im Bestimmungsland (bzw. Montagelieferung/Werklieferung) zu analysieren:
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Einige Indizien für eine ruhende Lieferung im Bestimmungsland/Montagelieferungen (Werklieferungen)

  • Die vertragliche Vereinbarung mit dem Kunden beinhaltet neben der Lieferung der Gegenstände auch die Montage/Installation bzw. die Inbetriebnahme vor Ort. 
  • Der Leistende haftet für die Funktionsfähigkeit der Anlage/Maschine vor Ort.
  • Es entspricht der Kundenerwartung sowie der vertraglichen Vereinbarung, dass eine gesamte vor Ort funktionierende Anlage/Maschine übergeben wird. Dem Kunden wird somit eine am Bestimmungsort fertiggestellte Anlage/Maschine geschuldet.
  • Wenn die vertragliche Vereinbarung mit dem Kunden neben der Warenlieferung lediglich die Inbetriebnahme vor Ort beinhaltet, der Leistende jedoch auch in diesem Fall für die Funktionsfähigkeit der Anlage/Maschine vor Ort haftet, als hätte er sie selbst montiert/installiert, liegt häufig auch in diesem Fall eine am Bestimmungsort steuerbare einheitliche Leistung vor. Es sind jedoch Sonderbestimmungen in den einzelnen Mitgliedstaaten zu berücksichtigen. 
  • Die Abnahme erfolgt nach der Inbetriebnahme und Funktionskontrolle durch einen Site Acceptance Test (SAT).
  • Die Abrechnung erfolgt gemäß Leistungsfortschritt oder vordefinierten Milestones. 
  • Es erfolgt keine getrennte Abrechnung von vertraglich geschuldeten Liefergegenständen nach der physischen Versendung zum Kunden.
  • Der gesamte Vertrag wird mit einer D-Klausel vereinbart.
  • Die Gewährleistungspflicht beginnt erst nach dem SAT zu laufen.
     

Einige Indizien für eine grenzüberschreitende bewegte Lieferung

  • Vertraglich wurde eine reine Lieferung von Gegenständen beauftragt. Die Fertigung/Herstellung kann dabei basierend auf speziellen Kundenwünschen/Erfordernissen mit vorhergehender entsprechender Planung erfolgen.
  • Der im Werk fertiggestellte Liefergegenstand wird vom Kunden durch eine Factory Acceptance Test (FAT) abgenommen. Es gibt keinen SAT mehr.
  • Vor Ort (Bestimmungsland) werden vom Leistenden keine Montage-/oder Installationstätigkeiten durchgeführt. Der Leistende nimmt somit keine wesentlichen Änderungen an dem Gegenstand im Bestimmungsland vor.
  • Wenn eine Inbetriebnahmetätigkeit iZm der Lieferung durchgeführt wird, so muss diese von untergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung sein (finanziell, zeitlich). Die Abnahme vom Kunden darf nicht alleine von dieser Inbetriebnahmeleistung abhängen.
  • Es werden vom Leistenden keine Subunternehmer beauftragt, die Montage-, Installations- bzw. Inbetriebnahmeleistungen vor Ort erbringen. 
  • Montageüberwachungstätigkeiten sind nicht im Basisauftrag enthalten, sondern werden allenfalls nach erfolgter Lieferung, bei Bedarf der Kunden, als eigenständige Dienstleistung angeboten und können grundsätzlich auch von fremden Dritten durchgeführt werden. 
  • Die Gewährleistungsfrist beginnt mit erfolgter Lieferung am Beginn der Beförderung und Versendung in das Bestimmungsland zu laufen und nicht erst mit einer Abnahme durch den Kunden.
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Sobald eine Leistung vor Ort im Bestimmungsland ausschlaggebend für die Marktgängigkeit und Funktionsfähigkeit der gelieferten Gegenstände ist, und die Abnahme des Kunden und insofern die Verschaffung der Verfügungsmacht von einer ordnungsgemäßen Durchführung dieser Arbeiten auf der Baustelle abhängt, ist der umsatzsteuerrechtliche Leistungsort meist dort gelegen, wo diese Verschaffung der Verfügungsmacht tatsächlich stattfindet. Im Umkehrschluss kann der Leistungsort daher nicht am Beginn der Beförderung und Versendung der Gegenstände am Abgangsort gelegen sein. Diese Leistungsortvermutung trifft jedenfalls bei eigener aber regelmäßig auch bei einer durch den Kunden beigestellten Montageleistung zu. Wichtig ist jedenfalls, dass in Zweifelsfällen unbedingt eine Abstimmung zwischen den Leistungsparteien erfolgt, um unterschiedliche steuerliche Behandlungen zu vermeiden.

In der Praxis kommt es häufig vor, dass die Unterscheidung zwischen einer grenzüberschreitenden bewegten Lieferung und einer ruhenden Lieferung im Bestimmungsland in den Verträgen nicht eindeutig abgeleitet werden kann und somit Tür und Tor für Interpretationsspielraum geöffnet wird. Im schlimmsten Fall wird der Vertrag vom Leistenden und auch vom Leistungsempfänger unterschiedlich ausgelegt und steuerlich abweichend gewürdigt. In unserem nächsten Beitrag möchten wir Ihnen ein konkretes Beispiel aufzeigen, in dem es durch widersprüchliche Vertragsgestaltung zu unterschiedlichen steuerlichen Handhabungen gekommen ist und welche Konsequenzen sich daraus ergeben haben.
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FAZIT


​​​​​​​Bei der Vertragsgestaltung ist besondere Vorsicht geboten. Je nachdem was geschuldet wird ist eine entsprechende Einstufung der Leistung vorzunehmen.  Im Projektgeschäft spielt die Unterscheidung zwischen einer grenzüberschreitenden bewegten Lieferung und einer ruhenden Lieferung im Bestimmungsland eine besondere Rolle. Die geschuldete Leistung sollte jedenfalls klar formuliert in den weiterführenden vertraglichen Bestimmungen abgebildet werden.  Hierbei sind beispielsweise der Beginn der Gewährleistungsfrist, die Zahlungsbedingungen (Abrechnung in Milestones), Vereinbarungen zu Abnahmeprotokollen, eindeutige Bezeichnung der Verträge, etc zu bedenken. 

Sollten Sie Unterstützung bei der Überprüfung Ihrer Verträge sowie der Leistungskategorisierung benötigen oder anderweitige Fragen zum angesprochenen Themenbereich haben, stehen Ihnen die Verfasser dieses Beitrages sowie auch die übrigen Mitarbeiterinnen unserer Service Line "Indirect Tax and Customs"​​​​​​​ gerne zur Verfügung!