UNTERNEHMENSKRISEN | Rechnungslegung in Krisenzeiten
Aufgrund der derzeit schwierigen (nationalen und internationalen) wirtschaftlichen Rahmenbedingungen befinden sich auch viele österreichische Unternehmen im Krisenmodus. Eine frühzeitige Erkennung und Bewältigung von Unternehmenskrisen ist von entscheidender Bedeutung, um wirtschaftliche Stabilität und nachhaltigen unternehmerischen Erfolg zu gewährleisten bzw im Sanierungswege wiederherzustellen. Dabei sind neben dem betriebs- und finanzwirtschaftlichen Instrumentarium insbesondere auch die maßgeblichen unternehmens- sowie ggfs auch insolvenzrechtlichen Gesetzesbestimmungen zu beachten. Einerseits geben diese die nötige Orientierung zur gebotenen Vorgangsweise und andererseits einen klaren Rahmen für die fundierte Beurteilung der Fortführungsfähigkeit eines Unternehmens. Transparenz gegenüber den verschiedenen Stakeholdern bzw Jahresabschlussadressaten wird dadurch gewährleistet. Im nachfolgenden Beitrag fassen wir wesentliche unternehmensrechtliche Aspekte zu diesem Themenkompex, insbesondere zur Annahme der Unternehmensfortführung iS § 201 Abs 2 Z 2 UGB, zusammen.
Phasen und Merkmale von Unternehmenskrisen
Eine Unternehmenskrise kann als eine Phase der Diskontinuität in der Unternehmensentwicklung definiert werden, die eine erhebliche Bedrohung für die Fortführung des Unternehmens darstellt und deren Ausgang ungewiss ist. Unternehmenskrisen entwickeln sich in der Regel schrittweise, beginnend mit schleichenden Anzeichen, die oft erst relativ spät erkannt werden, können aber auch plötzlich und ohne erkennbare Warnsignale eintreten. Zwar können sich die Phasen einer Unternehmenskrise überschneiden, eine grobe Abgrenzung ist aber dennoch möglich (vgl KSW-Stellungnahme “Leitfaden zum Erkennen von Unternehmenskrisen” (KFS/BW 5), Fassung vom 24.3.2010):
- Potenzielle Krise: Strategische Fehlentscheidungen oder strukturelle Schwächen, die langfristig die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens gefährden können.
- Latente Krise: Durch mangelnde oder unzureichende Reaktion auf Schwächen entstandene Ertragsprobleme und Kapitalverluste deuten auf ein zunehmendes finanzielles Risiko hin.
- Akute Krise: Andauernde Liquiditätsengpässe führen zu einer Bedrohung der Zahlungsfähigkeit und folglich auch zu einer Bedrohung des Fortbestands des Unternehmens.
Werden Signale für Unternehmenskrisen frühzeitig erkannt, besteht die Möglichkeit, den negativen Entwicklungen zeitgerecht entgegenzuwirken. Dabei ist eine Gesamtbetrachtung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens, unter Einbeziehung aller zur Verfügung stehenden Informationsinstrumente, in Verbindung mit potenziellen Indikatoren für eine Unternehmenskrise unerlässlich.
Eine regelmäßige Analyse der quantitativen Daten zur Ertragslage des Unternehmens ist maßgeblich dafür, ob Risiken im Zusammenhang mit der Liquidität und der Ertragslage des Unternehmens frühzeitig erkannt werden. Heranzuziehende Parameter in diesem Zusammenhang sind:
- Periodenüberschuss/-fehlbetrag (auch in Relation zum Umsatz)
- Umsätze, variable Kosten sowie Deckungsbeiträge
- Fixkosten sowie Break-even-Analysen
- Maßgebliche Aufwandsposten wie etwa Materialaufwand, Personalaufwand in Relation zum Umsatz
- Rentabilitätskennzahlen
- Entwicklung der Auftragsbestände
Die Ermittlung der Vermögens- und Finanzlage erfolgt auf Basis der Liquiditätssituation sowie den damit verbundenen geplanten Entwicklungen. In diesem Zusammenhang ist auch die Finanzierungsstruktur des Unternehmens zu analysieren. Dafür kommen insbesondere die nachfolgenden Parameter in Frage:
- Anteil der Eigenmittel und Verbindlichkeiten (inkl. Rückstellungen)
- Working Capital (Umlaufvermögen abzgl kurzfristige Verbindlichkeiten)
- Geldfluss aus der betrieblichen Tätigkeit in Relation zum Umsatz
- Rechnerische Schuldentilgungsdauer
- Umschlagsdauer der Vorräte
- Umschlagsdauer der Forderungen aus Lieferungen und Leistungen
- Umschlagsdauer der Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen
Neben den genannten Parametern können auch nichtfinanzielle Kennzahlen (zB Mitarbeiterfluktuation) sowie Informationen im Zusammenhang mit der Branchenentwicklung wichtige Hinweise liefern.
Beurteilung der Unternehmensfortführung
In Zusammenhang mit der Krisenbewältigung ist die Beurteilung der Fortführungsfähigkeit eines Unternehmens von zentraler Bedeutung. Dabei ist die unternehmensrechtliche Fortführungsprognose (Beurteilung der zukünftigen Entwicklungen in Bezug auf die Fortführungsprämisse für Zwecke des Jahresabschlusses) von der insolvenzrechtlichen Fortbestehensprognose (iS der Insolvenzordnung) zu unterscheiden:
- Fortführungsprämisse (§ 201 Abs 2 Z 2 UGB): Die Unternehmensfortführung (sog. „Going Concern“-Prämisse) bildet eine der wesentlichen Grundlagen für die Erstellung von Jahresabschlüssen. Danach wird grundsätzlich von einer Fortführung der Geschäftstätigkeit ausgegangen, solange dieser Annahme keine erheblichen rechtlichen oder tatsächlichen Gründe entgegenstehen. Eine Abkehr von der grundsätzlichen Fortführungsannahme ist erst dann geboten, wenn die Fortführung als äußerst unwahrscheinlich gilt.
- Fortbestehensprognose (§ 67 IO): Dieses Konzept basiert auf den insolvenzrechtlichen Vorgaben und ist auf die Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit bzw Vermeidung einer Überschuldung fokussiert. Es ist wichtig zu betonen, dass ein Insolvenzverfahren nicht zwingend das Ende der Fortführungsannahme bedeuten muss, da viele Verfahren mit dem Ziel einer Sanierung eingeleitet werden.
Wird in der Bilanz des Jahresabschlusses ein negatives Eigenkapital (buchmäßige Überschuldung) ausgewiesen, so ist im Anhang entsprechend zu erläutern, ob es sich hiebei um eine Überschuldung im Sinne des Insolvenzrechts handelt (§ 225 Abs 1 UGB).
Der allgemeine Rechnungslegungsgrundsatz gemäß § 201 Abs 2 Z 2 UGB lautet wie folgt: “Bei der Bewertung ist von der Fortführung des Unternehmens auszugehen, solange dem nicht tatsächliche oder rechtliche Gründe entgegenstehen.” Mit Detailfragen zu dieser gesetzlichen Grundsatzregelung befasst sich das KSW-Fachgutachten “Unternehmensfortführung gemäß § 201 Abs 2 Z 2 UGB” (KFS/RL 28, überarbeitete Fassung vom Juni 2018; siehe dazu auch bereits unseren ausführlichen NEWS-Beitrag “BILANZIERUNG | Annahme der Unternehmensfortführung” vom 18.8.2018):
Liegen tatsächliche oder rechtliche Gründe vor, die der Unternehmensfortführung möglicherweise entgegenstehen, ist eine Fortführungsprognose zur Beurteilung der Unternehmensfortführung zu erstellen: Mögliche tatsächliche Gründe für eine Abkehr von der Fortführungsprämisse können wirtschaftliche Schwierigkeiten sein, die zu einer Aufgabe der Geschäftstätigkeit führen, wie der Wegfall wesentlicher Lieferanten oder Kunden, Wegfall des Zugangs zum erforderlichen Rohstoffmarkt oder Zahlungsunfähigkeit. Mögliche rechtliche Gründe wären das Vorliegen Insolvenzrechtlicher Tatbestände, Verlust der für den Geschäftsbetrieb benötigten Konzession oder Eintritt gesellschaftsrechtlicher Auflösungstatbestände.
Beide Ansätze erfordern eine dynamische und kontinuierliche Überprüfung, um eine fundierte Entscheidungsgrundlage zu schaffen. Während die Fortführungsprämisse langfristige Stabilität betont, liegt der Schwerpunkt der Fortbestehensprognose auf der kurzfristigen finanziellen Überlebensfähigkeit des Unternehmens.
Im Rahmen der Jahresabschlussaufstellung ist vom Abschlussaufsteller zu beurteilen, ob unter Berücksichtigung möglicher Gründe, die einer Unternehmensfortführung potenziell entgegenstehen und in diesem Zusammenhang getroffener oder geplanter Maßnahmen, eine wesentliche Unsicherheit bezüglich der Annahme der Unternehmensfortführung vorliegt. Eine wesentliche Unsicherheit ist gegeben, wenn der Umfang sowie die Eintrittswahrscheinlichkeit von einem derartigen Ausmaß sind, dass Art und Auswirkung der Unsicherheit im Abschluss anzugeben sind, um der Vermittlung eines möglichst getreuen Bildes der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage gerecht zu werden (Generalnorm der Rechnungslegung gemäß § 222 Abs 2 UGB).
Prognosezeitraum
Im UGB finden sich auch keine näheren Hinweise zum Zeitraum für die Beurteilung der Unternehmensfortführung. Laut KFS/RL 28 ist hiefür grundsätzlich von einem Zeitraum von zumindest zwölf Monaten ab dem Abschlussstichtag auszugehen. Weiters dürfen zum Zeitpunkt der Abschlussaufstellung keine Anhaltspunkte vorliegen, die nicht im Einklang mit einer wahrscheinlichen Unternehmensfortführung über den Zwölfmonatszeitraum stehen.
Liegen hingegen Gründe vor, die der Fortführungsannahme entgegenstehen, sind neben einer Unternehmensplanung für den fraglichen Zwölfmonatszeitraum weitere Nachweise zu erbringen, welche für die Fortführungsprämisse sprechen. Diese umfasst eine Hochrechnung für das laufende Geschäftsjahr sowie gegebenenfalls eine erweiterte Unternehmensplanung für zumindest zwölf Monate, die hinsichtlich der Unternehmensfortführung zu bewerten ist (Fortführungsprognose).
Abkehr von der Fortführungsannahme
Ist von der Annahme einer Unternehmensfortführung abzugehen, resultiert daraus eine Änderung der Bewertungsmethoden für jene Vermögensgegenstände und Schulden, die von der Einstellung der Unternehmenstätigkeit betroffen sind. Liegt keine formale Auflösung des Unternehmens vor, sind die verbleibenden Ansätze der Bilanzierung und Bewertung beizubehalten. Dies gilt insbesondere auch für das Vorsichts- und Realisationsprinzip.
Für die Vermögensgegenstände des Anlagevermögens ist die Notwendigkeit einer Anpassung der Abschreibungspläne zu überprüfen. Die aus der Beendigung des Unternehmens resultierenden Verpflichtungen sind zu passivieren.
Bewältigung von Unternehmenskrisen
Um eine Unternehmenskrise zu bewältigen, bedarf es nach einer umfassenden Analyse der wesentlichen Unternehmensinformationen und der krisenrelevanten Ursachen entsprechender Problemlösungen. Die Bewältigung von Liquiditätsengpässen erfordert neben der aktiven Rolle der Unternehmensleitung, gegebenenfalls unter Beiziehung von versierten externen Beratern, auch die Einbindung von Kapitalgebern, Lieferanten oder auch Mitarbeitern.
Die zur Krisenbewältigung geeigneten Sanierungsinstrumente sind für jeden Einzelfall individuell festzulegen (vgl dazu auch unseren NEWS-Beitrag “CORONAVIRUS | Sanierungsmaßnahmen zur Eigenkapitalstärkung” vom 20.9.2021).
FAZIT
Die gesetzlichen Vorgaben (insb. § 201 UGB und § 67 IO) sowie die diesbezüglichen Detailregelungen in div. Fachgutachten und Stellungnahmen der Kammer der Steuerberater:innen und Wirtschaftsprüfer:innen (insb. KFS/BW 5 und KFS/RL 28) ermöglichen die gebotene Beurteilung der Unternehmensfortführung in Krisenzeiten.
Ein effektives Krisenmanagement erfordert die Zusammenarbeit zwischen Management und Beratern unter Einbeziehung der Abschlussprüfer, sowie Kapitalgebern, Lieferanten und Mitarbeitern. Durch eine frühzeitige Identifikation von Risiken, zeitgerecht eingeleiteten geeigneten Sanierungsmaßnahmen sowie eine transparente Berichterstattung können nicht nur Unternehmensstabilität und -fortbestand bewerkstelligt, sondern insbesondere auch das nötige Vertrauen der verschiedenen Stakeholder gewonnen werden.
Für weitere Fragen zu diesem Themenbereich stehen Ihnen die Verfasserinnen sowie auch die übrigen MitarbeiterInnen unserer Service Line “Audit“ gerne zur Verfügung!