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CORONAVIRUS | Sanierungsmaßnahmen zur Eigenkapitalstärkung

Die seit nunmehr eineinhalb Jahren währende COVID-19-Pandemie und die damit einhergende Wirtschaftskrise trifft nach wie vor auch viele österreichische Unternehmen, welchen durch verschiedene staatliche Hilfsmaßnahmen eine liquiditätsmäßige Überbrückung ermöglicht wurde und wird. Neben öffentlichen Kreditgarantien, Zuschüssen und steuerlichen Erleichterungen wurden sogar auch die Voraussetzungen für die Insolvenzantragspflicht temporär gemildert, um den krisengebeutelten Unternehmen das wirtschaftliche Überleben in der Krise zu ermöglichen. All diese Maßnahmen dürften in vielen Fällen zur Aufschiebung letztlich unvermeidbarer Insolvenzverfahren geführt haben. Dies betrifft insbesondere jene Unternehmen, die nach Ablauf der krisenbedingten Schonfrist ab 1.7.2021 (nach wie vor) überschuldet sind. Im nachfolgenden Beitrag zeigen wir im Überblick, durch welche in der Praxis bewährten sonstigen Sanierungsmaßnahmen notleidende Unternehmen ihr Eigenkapital und somit ihr wirtschaftliches Fundament stärken könnten, um vielleicht auch ohne Insolvenz den Weg aus der Krise zu finden.

Sonderinsolvenzrecht in der Corona-Krise 

Nach den allgemeinen Regelungen der Insolvenzordnung (§ 1 IO) ist bei Zahlungsunfähigkeit (§ 66 IO) bzw - bei bestimmten Rechtsträgern ohne unbeschränkte Haftung natürlicher Personen - auch bei Überschuldung (§ 67 IO) die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu beantragen. Ein diesbezüglicher schuldnerseitiger Antrag ist „ohne schuldhaftes Zögern“, spätestens aber 60 Tage nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit bzw Überschuldung bei Gericht zu stellen. Bei Zahlungsunfähigkeit aufgrund von „Naturkatastrophen“, wozu nunmehr auch die COVID-19-Pandemie zählt, verlängert sich die Schuldnerantragsfrist hingegen auf 120 Tage (§ 69 Abs 2a IO idF 2. COVID-19-Gesetz; vgl dazu bereits unseren NL-Beitrag „CORONAVIRUS | Erleichterungen bei Rechts(mittel)fristen“ vom 24.3.2020). Die (ggfs verlängerte) Antragsfrist darf jedoch nur dann ausgeschöpft werden, wenn Sanierungsmaßnahmen mit entsprechenden Erfolgsaussichten getätigt werden. 

Im Rahmen der COVID-19-Sondergesetzgebung erfolgten aber noch wesentlich weitergehende Änderungen, die auch das Insolvenzrecht betreffen: Im 2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz wurde in § 9 eine gänzliche Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bei Überschuldung (nicht aber bei Zahlungsunfähigkeit!) im Zeitraum von 1.3.2020 bis 30.6.2021 kodifiziert (Fristende mehrmals verlängert, zuletzt mit BGBl I Nr. 48/2021). In diesem Zeitraum durfte auch auf Gläubigerantrag kein Insolvenzverfahren auf Basis des Überschuldungstatbestandes eröffnet werden. Als Begründung für dieses weitreichende „Insolvenzmoratorium“ wurde angeführt, dass die bei Überschuldung gebotene Fortbestehensprognose aufgrund der krisenbedingt unsicheren Marktsituation NICHT seriös durchgeführt werden könne. (Hinweis: Die unternehmensrechtliche Erläuterungspflicht eines negativen Eigenkapitals gemäß § 225 Abs 1 UGB bleibt von diesen temporären insolvenzrechtlichen Erleichterungen jedoch unberührt!). 

§ 9 Abs 3 des 2. COVID-19-JuBG ordnet weiters Folgendes an: Ist bzw war der Schuldner nach Ende der Aussetzungsfrist (noch immer) überschuldet, so hat er die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber innerhalb von 60 Tagen ab 30.6.2021 oder 120 Tage nach Eintritt der Überschuldung zu beantragen, je nachdem, welcher Zeitraum später endet. Unberührt bleibt hingegen die Verpflichtung des Schuldners, bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen. 

Im Sinne von weiteren insolvenzrechtlichen Erleichterungen während der Corona-Krise sei hier auch noch auf den Anfechtungsschutz für Überbrückungskredite iZm COVID-19-Kurzarbeitsbehilfe zur Vorfinanzierung der Löhne & Gehälter (§ 10 des 2. COVID-19-JuBG) sowie auf die verlängerten Zahlungsfristen beim Sanierungsplan (Quote innerhalb von längstens drei statt zwei Jahren, gem. § 11a des 2. COVID-19-JuBG) hingewiesen. 

Temporäre Erleichterungen gab es schließlich auch für Gesellschafterkredite in der Krise nach dem Eigenkapitalersatz-Gesetz (EKEG), um eine schnelle und unbürokratische Überbrückung von coronabedingten Liquiditätsengpässen auch durch die Eigentümer zu fördern: Gemäß § 13 des 2. COVID-19-JuBG lag kein Eigenkapital ersetzender Geldkredit iS § 1 EKEG vor, wenn dieser im (mehrfach verlängerten) Zeitraum vom 5.4.2020 bis 31.1.2021 der Gesellschaft für nicht mehr als 120 Tage (anstatt der regulären 60 Tage gemäß § 3 EKEG) gewährt und zugezählt wurde und den die Gesellschaft nicht aus ihrem Vermögen besichert hatte. Für derlei kurzfristige Gesellschafterfinanzierungen wurde somit keine Rückzahlungssperre schlagend. 

Sanierungsinstrumente in der Praxis 

Nachfolgend sollen nun einige ausgewählte Sanierungsmaßnahmen (in Anlehnung an Steinkellner/Komarek im DJA-Heft 1/2021, S. 5ff) skizziert werden, mit deren Hilfe eine drohende Insolvenz uU abgewendet werden kann: 

Allgemeine Hinweise zum Eigenkapital 

Eigen- versus Fremdkapital: Es ist grundsätzlich zu beachten, dass eine drohende Zahlungsunfähigkeit iS § 66 IO sowohl durch die Zufuhr von Eigen- wie auch Fremdkapital beseitigt werden kann, während eine Überschuldung iS § 67 IO nur durch die Zufuhr von Eigenkapital (bzw durch die Umqualifizierung von Schulden in nachrangige Verbindlichkeiten iS der Ermittlung einer rechnerischen Überschuldung nach § 67 Abs 3 IO) zurückgedrängt werden kann. 

Nachrangigkeit ist nur dann gegeben, wenn im Liquidations- bzw Insolvenzfall ein Rückzahlungsanspruch erst nach Befriedigung aller schuldrechtlichen Gläubiger, die nicht Eigenkapitalgeber sind, ins Treffen geführt werden kann. 

Erfolgsabhängige Vergütung und volle Verlustbeteiligung: Dieses für Eigenkapitalgeber maßgebliche Kriterium ist nur dann erfüllt, wenn die Vergütungen aus einem ausschüttungsfähigen Bilanzgewinn bedient werden. Dies uU auch in Form einer Fix- bzw Mindestverzinsung, auch durch Nachholung in späteren Jahren. – Eine Verlustteilnahme hat bis zur Höhe des aufgebrachten Eigenkapitals zu erfolgen, sodass die unternehmerische Risikotragung nicht erst im Liquidationsfalle sondern auch bereits während der laufenden Geschäftstätigkeit gegeben ist. 

Unbefristete Kapitalüberlassung: Eigenkapital wird grundsätzlich auf Unternehmensdauer gewidmet (insb. Nominalkapital von Kapitalgesellschaften), jedoch sind vorzeitige Rückzahlungen unter Einhaltung der diesbezüglichen Formvorschriften möglich. Ein ordentliches Kündigungsrecht für die vorzeitige Rückzahlung von Eigenkapital gibt es nicht, jedoch kann das Recht einer außerordentlichen Kündigung – bei entsprechenden Gläubigerschutzmaßnahmen - vorgesehen werden. 

Nachfolgend sollen einige in der Praxis gängige, über bloße Gesellschafterzuschüsse/-darlehen hinausgehende Sanierungsinstrumente zur Stärkung des Eigenkapitals skizziert werden, die - bei zeitgerechter Inangriffnahme - die Insolvenztatbestände der Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung uU hintanhalten können: 

Patronatserklärungen 

Patronatserklärungen bestehen häufig zwischen Mutter- und Tochtergesellschaften. Eine Gesellschaft kann aber auch Patron eines anderen Gläubigers sein. In der Praxis soll dadurch die Kreditaufnahme für die Tochtergesellschaft erleichtert werden, das Vertrauen in deren Unternehmensfortbestand gestärkt oder eine insolvenzrechtliche Überschuldung beseitigt werden. Je nach Wortlaut und Konkretisierungsgrad wird zwischen sog. „harten“ und „weichen“ Patronatserklärungen unterschieden: 

Wird eine harte Patronatserklärung abgeschlossen, dann hat die Muttergesellschaft zB für die Zahlungsfähigkeit der Tochtergesellschaft zu sorgen, wobei letzterer ein rechtlich durchsetzbarer Anspruch zukommt. Die benötigte bzw zugesagte Liquidität kann mittels Zuschuss oder Kredit hergestellt werden. Zu beachten ist, dass die Abgabe eines Darlehensversprechens - aus bilanzieller Sicht des Patrons - eine sog. „Eventualverbindlichkeit“ darstellt, welche im Anhang angegeben bzw erläutert werden muss (für (mittel-)große Kapitalgesellschaften zudem Erläuterung der Haftungsverhältnisse). Je nach Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme ist in weiterer Folge eine Rückstellung bzw letztlich eine Verbindlichkeit zu bilden. Bei Zuschüssen wird erst im Zeitpunkt der tatsächlichen Liquiditätszufuhr der Beteiligungsansatz an der Tochtergesellschaft erhöht (nachträgliche AK). Wenngleich mit einer solcherart harten Patronatserklärung beim Begünstigten die Überschuldung hinausgezögert werden kann (uU Erläuterungspflicht gemäß § 225 UGB), hat dies noch keine bilanziellen Auswirkungen auf die Eigenkapitalquote bzw die Entschuldungsdauer. 

Mit einer weichen Patronatserklärung entsteht hingegen noch kein Rechtsanspruch, sondern ist dies lediglich eine Art Absichtserklärung. Demgemäß wird dadurch beim Patron auch noch keine Eventualverbindlichkeit begründet (bzw auch keine Anhangangaben betr. vertragliche Haftungsverhältnisse oder sonstige finanzielle Verbindlichkeiten), nur bei (mittel-)großen Gesellschaften ist ein „außerbilanzielles Geschäft“ anzuführen. Es liegen auch keine Auswirkungen auf die Unternehmensbilanz vor. Beim Begünstigten resultiert daraus weder ein Bilanzansatz (EK-Quote und Entschuldungsdauer unverändert) noch eine Anhangangabe. Eine weiche Patronatserklärung eignet sich daher NICHT für die Beseitigung einer drohenden Überschuldung im insolvenzrechtlichen Sinne, zumal erst die tatsächliche Kapitalausstattung zu positiven bilanziellen Auswirkungen führt.  

Wandeldarlehen 

Möchte ein Unternehmen Fremdkapital in Eigenkapital „umwandeln“, so könnte ein derartiger „Debt-Equity-Switch“ in Form eines Wandeldarlehens erfolgen. Der Kreditnehmer muss diesfalls das erhaltene Darlehen nicht zwingend zurückbezahlen, sondern es besteht die Möglichkeit, dass der Kreditgeber stattdessen Eigenkapitalanteile als Gegenleistung erhält, wenn er dies wünscht (Option). Für derartige Wandeldarlehen werden häufig relativ kurze Laufzeiten, Nachrangigkeit und Endfälligkeit für Verzinsung und Tilgung vereinbart. Im Falle der Optionsausübung wird der endfällige Gesamtbetrag in eine Beteiligung „umgewandelt“. 

Aus unternehmensrechtlicher Sicht erfolgt somit eine Wandlung von Fremd- in Eigenkapital, wobei der Differenzbetrag zwischen endfälligem Fremdkapital und anteilig abgetretenem Eigenkapital (Nominale) in die Kapitalrücklagen einzustellen ist (§ 229 Abs 2 UGB). 

Forderungsverzicht und Besserungsvereinbarung 

Für Sanierungszwecke sprechen Mutter- gegenüber notleidenden Tochtergesellschaften nicht selten auch einen (gänzlichen oder teilweisen) Verzicht auf bestehende Forderungen aus. Dadurch können bestehende Verbindlichkeiten im begünstigten Konzernunternehmen insoweit reduziert werden. Dieses Instrumentarium ist jedoch nicht zwingend auf konzernmäßig verbundene Unternehmen beschränkt. Aus Liquiditätssicht kommt es dadurch zwar zu keiner Zufuhr neuer Mittel, jedoch sind künftig weniger Schulden zu tilgen. 

In der Praxis wird auf die Forderungen häufig aber nicht unbedingt verzichtet, sondern eine sog. „Besserungsvereinbarung“ dahingehend getroffen, dass die Forderung im zu definierenden Besserungsfalle wieder auflebt. Bei den möglichst genau zu definierenden Kriterien für die Verbesserung der wirtschaftlichen Lage wird es sich insbesondere um die finanzielle Situation des bedingt begünstigten Unternehmens handeln. Die an das Wiederaufleben einer zunächst erlassenen Forderung gekoppelte Besserung könnte bei insolvenzgefährdeten Unternehmen insbesondere die Beseitigung der Überschuldung zum Inhalt haben. 

Bei Rechtswirksamkeit des Forderungsverzichts ist gläubigerseitig die Forderung bzw schuldnerseitig die Verbindlichkeit auszubuchen, sodass es beim Schuldner zu einer entsprechenden Verbesserung des Bilanzbildes (Debt-Equity-Switch) kommt und sich dies auch auf die URG-Kennzahlen (EK-Quote und Schuldentilgungsdauer) positiv auswirkt. Der Besserungsabrede wird jedoch durch Angabe entsprechender Eventualverbindlichkeiten (bzw sonstiger finanzieller Verpflichtungen) im Jahresabschluss Rechnung zu tragen sein. Tritt die vordefinierte „Besserung“ in Folgejahren tatsächlich ein, so ist die Forderung bzw Verbindlichkeit beiderseits wiederum einzubuchen. 

Genussrechte 

Erhält jemand Vermögensrechte als Gegenleistung für die Überlassung von Kapital, dann spricht man von sog. Genussrechten. Diese werden meist längerfristig begeben und sehen keine Mitgliedschaftsrechte (Stimm- und Kontrollrecht) vor, sondern haben schuldrechtlichen Charakter. Genussrechte können sowohl gegenüber Gesellschaftern (zusätzlich zu deren Beteiligung) als auch gegenüber Dritten begeben werden.

Je nach Qualität des Kapitals bzw Ausgestaltung der Genussrechtsbedingungen ist das Genussrechtskapital beim empfangenden Unternehmen (Genussrechtsemittenten) in das Eigenkapital (sog. „sozietäre“ Genussrechte) einzustellen (mitunter ist aber auch eine erfolgswirksame Vereinnahmung vorzufinden)  oder als Fremdkapital (sog. „obligatorische“ Genussrechte) auszuweisen. 

Erfüllt das Genussrechtskapital die Eigenschaften von Eigenkapital (Haftkapital aufgrund von Nachrangigkeit, Erfolgsabhängigkeit, Verlustteilnahme und Langfristigkeit, siehe oben), so kann es - als gesonderter Posten - innerhalb des bilanziellen Eigenkapitals ausgewiesen werden. Ein solcherart ausgestaltetes Genussrechtskapital ist somit auch als Sanierungsinstrument geeignet und kann zur Insolvenzvermeidung (Beseitigung der Überschuldung oder drohenden Zahlungsunfähigkeit) beitragen. Dementsprechend positiv wirken sich sozietäre Genussrechte auch auf die URG-Kennzahlen (EK-Quote) aus.

FAZIT 

Viele österreichische Unternehmen wurden von der COVID-19-Pandemie, die sich relativ rasch von einer Gesundheits- zu einer veritablen Wirtschaftskrise ausweitete, völlig unvorbereitet getroffen und haben nach wie vor mit langfristigen Folgewirkungen zu kämpfen. Durch eine Vielzahl staatlicher Hilfsmaßnahmen (Zuschüsse, Kreditgarantien, Steuerstundungen etc) konnte die Zahlungsunfähigkeit bei zahlreichen Unternehmen vermieden werden. Durch schwindende Eigenmittel schreitet aber die Überschuldung bei vielen Unternehmen voran, wobei dieser zweite Insolvenztatbestand mittels sondergesetzlicher Regelung bis 30.6.2021 ausgesetzt war. Die Rückkehr zum regulären Insolvenzrecht sowie das Auslaufen der Staatshilfen läßt für die nächste Zeit wohl eine bevorstehende Insolvenzwelle erwarten. 

Für Zwecke der Insolvenzvermeidung werden daher in nächster Zeit neben den gängigen Maßnahmen der Unternehmenseigner (Gesellschafterzuschüsse bzw -darlehen) auch weitergehende liquiditäts- und eigenkapitalstärkende Sanierungsinstrumente gefragt sein, deren Kernelemente wir Ihnen in diesem Beitrag vorgestellt haben und die rechtzeitig in Angriff genommen werden sollten. 

Neben den ebenfalls skizzierten bilanziellen Auswirkungen der einzelnen Maßnahmen sollten stets auch deren steuerliche Auswirkungen im Einzelfall bedacht werden, wobei der individuelle Steuerstatus aller involvierten Personen zu beachten ist (Ertragslage, Verlustvor- und -rücktrag etc). 

Für weitergehende Fragen zu diesem Themenkomplex stehen Ihnen die Verfasser sowie auch die übrigen MitarbeiterInnen der Service Lines "Audit" und "Corporate Tax" gerne zur Verfügung!

Alle bisherigen Newsletter-Beiträge zum Themenschwerpunkt „CORONAVIRUS“ finden Sie HIER​​​​​​​.