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BILANZIERUNG | Annahme der Unternehmensfortführung

Going Concern … Bewertung unter Annahme der Fortführung des Unternehmens „solange dem nicht tatsächliche oder rechtliche Gründe entgegenstehen“ … Von diesem allgemeinen Rechnungslegungsgrundsatz wird häufig ausgegangen und diese Formulierung auch im Anhang angeführt, ohne sich darüber besondere Gedanken zu machen. Was aber steckt wirklich dahinter bzw was ist dabei zu beachten?  Im folgenden Artikel wollen wir dazu die maßgeblichen Rechnungslegungsvorschriften sowie das diesbezügliche Fachgutachten vorstellen und die gebotene Vorgangsweise für die zulässige Annahme der Unternehmensfortführung im Jahresabschluss erläutern. 

§ 201 Abs 2 Z 2 UGB definiert den allgemeinen Rechnungslegungsgrundsatz, wonach „bei der Bewertung von der Fortführung des Unternehmens auszugehen ist, solange dem nicht tatsächliche oder rechtliche Gründe entgegenstehen“. Dazu gibt es ein eigenes Fachgutachten des Fachsenats für Unternehmensrecht und Revision der Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer mit dem Titel „Unternehmensfortführung gemäß § 201 Abs 2 Z UGB“ (KFS/RL 28),  welches seit der Veröffentlichung am 19.9.2017 anwendbar ist und zuletzt im Juni 2018 überarbeitet wurde. 

Kerninhalte des Fachtgutachtens KFS/RL 28 

Was den Anwendungsbereich des Fachgutachtens betrifft, so ist grundsätzlich zu unterscheiden, wer den Jahresabschluss AUFSTELLT und ERSTELLT. Zur Aufstellung des Jahresabschlusses sind die Unternehmer bzw die gesetzlichen Vertreter von Kapitalgesellschaften verpflichtet. Diese sind in diesem Zusammenhang insbesondere auch für die Beurteilung der Fortführungsannahme verantwortlich. Die gesetzlichen Vertreter können die Erstellung des Jahresabschlusses auf ihre Mitarbeiter oder auch auf einen Wirtschaftstreuhänder übertragen. Ein Wirtschaftstreuhänder als externer Abschlussersteller hat die Beurteilung der Fortführungsannahme beim Unternehmer bzw gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft einzufordern. Entstehen bei der Erstellung Zweifel hinsichtlich der Plausibilität der Fortführungsannahme, so hat der Ersteller darauf zu reagieren. Ist ein Abschlussprüfer mit der Prüfung des Jahresabschlusses beauftragt, hat dieser gegebenenfalls gemäß ISA 570 „Going concern“ darüber Bericht zu erstatten und dies bei den Prüfungshandlungen zu berücksichtigen sowie bei der Erteilung des Bestätigungsvermerks entsprechend zu würdigen.  

Das Fachgutachten erläutert wesentliche Begriffsdefinitionen von zentraler Bedeutung:

  • Unternehmensfortführung: Aufrechterhaltung der Unternehmenstätigkeit;
  • Fortführungsannahme („going concern-Prämisse“): allgemeiner Bewertungsgrundsatz und gesetzliche Grundannahme gemäß § 201 Abs 2 Z 2 UGB;
  • Abschlussaufsteller: die zur Jahres- bzw Konzernabschlussaufstellung verpflichteten Personen (Unternehmer bzw gesetzliche Vertreter von Kapitalgesellschaften);
  • Fortführungsprognose: Beurteilung der zukünftigen Entwicklung iZm der Fortführungsannahme, basierend auf der Unternehmensplanung; ist erforderlich bei der Jahresabschlusserstellung, wenn tatsächliche oder rechtliche Gründe vorliegen, die der Fortführungsannahme möglicherweise entgegenstehen;
  • Fortbestehensprognose: von der Abschlussaufstellung grundsätzlich unabhängige Beurteilung der zukünftigen Entwicklung des Unternehmens aus insolvenzrechtlicher Sicht (gemäß § 67 Abs 1 IO). 

Für den Jahresabschluss ist im ersten Schritt zu prüfen, ob Gründe vorliegen, die der Fortführungsannahme entgegenstehen. Liegen keine solchen Gründe vor (oder liegen zwar mögliche Gründe vor, die jedoch nicht wesentlich sind), kann zu Fortführungswerten bilanziert werden. Liegen möglicherweise wesentliche Unsicherheiten vor, ist grundsätzlich ebenfalls weiterhin mit Fortführungswerten zu bilanzieren, jedoch sind Angaben zu den wesentlichen Unsicherheiten in Anhang und Lagebericht anzuführen. Bestehen hingegen Gründe, die der Fortführungsannahme entgegenstehen, ist von der Bilanzierung zu Fortführungswerten abzugehen, ausgenommen eine Fortführung ist dennoch wahrscheinlich.

Nachfolgend werden die einzelnen Schritte und deren Details erläutert: 

Gesetzliche Annahme der Unternehmensfortführung

Die Fortführungsannahme iS § 201 Abs 2 Z 2 UGB ist auf jeden Fall gerechtfertigt, wenn eine nachhaltige Gewinnsituation, leichter Zugriff auf finanzielle Mittel sowie positives Eigenkapital bestehen.

Stehen jedoch möglicherweise tatsächliche oder rechtliche Gründe entgegen, ist eine weitergehende Beurteilung der Unternehmensfortführung geboten (= Fortführungsprognose). 

Unternehmensplanung als Ausgangspunkt für die Beurteilung

Gemäß § 1189 Abs. 3 ABGB sowie § 22 Abs. 1 GmbHG bzw § 82 AktG besteht die Verpflichtung, dass eine Unternehmensplanung erstellt wird, die den Anforderungen des Unternehmens entspricht.

Die Unternehmensplanung muss das Unternehmen vollständig mit allen relevanten und wesentlichen Chancen und Risiken plausibel abbilden. Dabei ist darauf zu achten, dass sie aktuell, realistisch und widerspruchsfrei ist und alle bekannten Faktoren konsistent beinhaltet. Die wesentlichen dahinterliegenden Planungsannahmen sind offenzulegen und müssen nachvollziehbar sein.

Entsprechend dem Ausmaß und der Wahrscheinlichkeit, dass Gründe der Unternehmensfortführung entgegenstehen, sowie der jeweiligen Planungsannahmen richtet sich der Detaillierungsgrad der Planung. Dies bedeutet, dass die Planung eine reine Ertragsplanung bis hin zu einer integrierten Planungsrechnung umfassen kann. Die Planungsperioden sind der laufenden Berichterstattung über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb anzugleichen. 

Der Fortführungsannahme möglicherweise entgegenstehende Gründe

Im Zuge der Abschlussaufstellung ist zu beurteilen, ob der Unternehmensfortführung tatsächliche oder rechtliche Gründe entgegenstehen. Solche möglicherweise entgegenstehenden Gründe können durch einzelne oder mehrere Ereignisse oder Gegebenheiten aufgeworfen werden. Dabei sind sowohl Ereignisse zum Zeitpunkt der Aufstellung als auch nach dem Abschlussstichtag zu berücksichtigen. Unter tatsächlichen Gründen sind Ereignisse und Gegebenheiten betrieblicher oder finanzieller Art zu subsumieren. Rechtliche Gründe umfassen beispielsweise insolvenzrechtliche Tatbestände (wobei diese jedoch nicht in jedem Fall der Fortführungsannahme entgegenstehen), Auslaufen von Verträgen oder Konzessionen, die wesentliche Grundlage für die Unternehmenstätigkeit sind oder die Auflösung aufgrund gesetzlicher oder gesellschaftsvertraglicher Befristungen.

Den Auswirkungen solcher möglicherweise entgegenstehenden Gründen kann im Zuge der Abschlussaufstellung durch geeignete Maßnahmen (beispielsweise mittels Zuschuss, Patronatserklärung, Finanzierungen etc) entgegengewirkt werden. Im Sinne einer Fortführungsprognose ist danach zu beurteilen, ob Gründe beseitigt sind oder weiterhin noch wesentliche Unsicherheiten vorliegen.

Eine wesentliche Unsicherheit besteht jedenfalls, wenn das Ausmaß der Gründe und die Wahrscheinlichkeit des Eintritts so groß sind, sodass eine Angabe von Art und Auswirkung im Abschluss notwendig ist, um ein möglichst getreues Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage zu vermitteln. 

Abgehen von der Fortführungsannahme

Wenn die ernsthafte Absicht besteht, die Unternehmenstätigkeit einzustellen oder das Unternehmen aufzulösen und/oder die Unternehmensfortführung aus hinreichend sicheren tatsächlichen oder rechtlichen Gründen in hohem Maße unwahrscheinlich ist, ist von der Fortführungsannahme abzugehen. Entgegen der Anwendung des Grundsatzes „more likely than not“ bei der insolvenzrechtlichen Fortbestehensprognose ist dies für die unternehmensrechtliche Fortführungsprognose nicht maßgebend (erstere kann aber letztere beeinflussen). Für die Fortführungsprognose sind hinreichend sichere (das sind substantielle und in hohem Maße wahrscheinliche) tatsächliche oder rechtliche Gründe, die aufgrund ihres Ausmaßes und der Wahrscheinlichkeit ihres Eintretens eine Unternehmensfortführung im Prognosezeitraum in hohem Maße unwahrscheinlich erscheinen lassen, entscheidend. 

Konsequenzen eines Abgehens von der Fortführungsannahme

Ist von der Fortführungsannahme abzugehen, führt dies zu einer Änderung der Bewertungsmethoden. Ist nicht von einer Auflösung des Unternehmens auszugehen, sind die übrigen Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden weiter einzuhalten. Zu beachten bleibt insbesondere auch das Vorsichts- und Realisationsprinzip. Weiters ist zu prüfen, ob außerplanmäßige Abschreibungen vorzunehmen sind. Zudem sind Verpflichtungen aufgrund der Beendigung des Unternehmens zu passivieren.

Bei der Auflösung von Kapitalgesellschaften sind die Zerschlagungswerte nach sondergesetzlichen Normen anzuwenden (§ 211 Abs 3 AktG bzw § 91 Abs 1 GmbHG), die sinngemäß auch für andere bilanzierende Unternehmen gelten. 

Dauer der Unternehmensfortführung (Prognosezeitraum)

Der Prognosezeitraum ist gesetzlich nicht definiert. Empfehlungen des Fachsenats besagen, dass ein Beurteilungszeitraum von zumindest zwölf Monaten ab dem Abschlussstichtag heranzuziehen ist. Dies wird dadurch untermauert, dass im Zeitpunkt der Abschlussaufstellung keine fundierten Anhaltspunkte vorliegen dürfen, die eine Unternehmensfortführung über den Zeitraum von zwölf Monaten ab dem Abschlussstichtag hinaus im hohen Maße unwahrscheinlich erscheinen lassen.

Bestehen jedoch Gründe, die einer Unternehmensfortführung möglicherweise entgegenstehen, sind weitere Nachweise für die Fortführungsannahme zu erbringen. Diese Beurteilung mündet in die Fortführungsprognose

Berichterstattung im Anhang

Im Anhang sind die Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden so zu erläutern, dass ein möglichst getreues Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens vermittelt wird (Generalnorm gemäß § 222 Abs 2 UGB). Dabei ist ebenso anzugeben, dass der Grundsatz der Unternehmensfortführung angewendet werden kann.

Um diesen Vorgaben gerecht zu werden, sind beim Schluss, dass die Fortführungsannahme unter den gegebenen Umständen insgesamt zwar angemessen ist, jedoch eine wesentliche Unsicherheit besteht, folgende Angaben im Anhang anzuführen:

  • Die wesentlichen, der Unternehmensfortführung möglicherweise entgegenstehenden Gründe sowie die Pläne, diesen Gründen zu begegnen;
  • Zweifelsfrei anzugeben ist, dass eine wesentliche Unsicherheit im Zusammenhang mit Gründen besteht, die der Unternehmensfortführung möglicherweise entgegenstehen und Vermögenswerte ev. nicht realisiert bzw Schulden nicht beglichen werden können.

Im Sinne der Angabe über Ereignisse nach dem Abschlussstichtag sind auch solche Ereignisse anzuführen, die nach dem Bilanzstichtag aufgetreten sind.

Bei Vorliegen eines negativen Eigenkapitals ist anzugeben, ob eine Überschuldung im Sinne des Insolvenzrechts vorliegt (§ 225 Abs 1 UGB).

Wird von der Fortführungsannahme abgegangen, sind die geänderten Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden und deren Auswirkungen zu erläutern.

Seit dem Rechnungslegungs-Änderungsgesetz 2014 wurden die sog. „Kleinstkapitalgesellschaften“ iS § 221 Abs 1a UGB von der Erstellung eines Anhangs befreit, womit diese Mikro-Gesellschaften auch davon befreit sind, Angaben über wesentliche Unsicherheiten bezüglich der Unternehmensfortführung zu machen. Der Abschlussaufsteller ist aber dennoch verpflichtet, die Beurteilung der Fortführungsannahme vorzunehmen und im Jahresabschluss entsprechend zu berücksichtigen (etwa mittels Fußnote in der Bilanz). 

Berichterstattung im Lagebericht

Die Angaben im Lagebericht betreffend die Unternehmensfortführung sind in der AFRAC-Stellungnahme 9 zum Lagebericht geregelt.

Es sind wesentliche Risiken und Ungewissheiten, denen das Unternehmen ausgesetzt ist, zu beschreiben. Ebenso ist auf die voraussichtliche Entwicklung des Unternehmens einzugehen. Hiermit werden auch der möglicherweise Unternehmensfortführung entgegenstehende Gründe umfasst.

Befindet der Abschlussaufsteller, dass die Fortführungsannahme unter den gegebenen Umständen zwar angemessen ist, jedoch eine wesentliche Unsicherheit besteht, sind auch im Lagebericht, analog zum Anhang, Angaben zu machen. 

Unternehmensfortführung bei Unternehmensteilen bzw im Konzern

Werden nur Unternehmensteile eingestellt, ist nicht automatisch ein Abgehen von der Fortführungsannahme für das Gesamtunternehmen erforderlich.

Ebenso ist nicht zwangsläufig bei Einstellung eines Konzernunternehmens vom Abgehen der Fortführungsannahme auszugehen. Die Fortführungsannahme bezieht sich unter Beachtung der Einheitstheorie auf den gesamten Konzern.

Zu beachten ist jedoch bei Konzernabschlüssen, dass die Haftungen und sonstigen Verflechtungen zwischen den Konzernunternehmen Einfluss auf die Fortführung des Konzerns haben können (zB Insolvenz einer Konzerngesellschaft, existenzbedrohende Konzernhaftungen oder Konzernfinanzierungen über Cash Pooling). 

Zusammenfassung

Es ist die Aufgabe des Abschlussaufstellers (Unternehmer und gesetzliche Vertreter), zu beurteilen, ob  die Anwendung der Fortführungsannahme gegeben ist. Vorarbeiten für die Aufstellung des Abschlusses können ggfs auch an einen Wirtschaftstreuhänder übertragen werden (zB externe Erstellung durch den Steuerberater des Unternehmens). Bei der Beurteilung, ob die Fortführungsannahme für Zwecke der Bilanzierung tatsächlich gerechtfertigt ist, können sich in der Praxis Schwierigkeiten ergeben. Hilfestellung zur Interpretation der Beurteilung soll das neue Fachgutachten KFS/RL 28 bieten. Entsprechend dem Ergebnis der Beurteilung sind unterschiedliche Vorgangsweisen bei den Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden geboten. Ebenso können Angaben im Anhang und Lagebericht erforderlich sein. 

Für Rückfragen stehen Ihnen die Verfasserinnen sowie auch die übrigen MitarbeiterInnen unseres Bilanzierungs- und WP-Teams gerne zur Verfügung.

Weiters möchten wir Sie an dieser Stelle auch auf unsere nächsten Seminare zu Rechnungslegungsthemen im Rahmen der ICON TAX ACADEMY hinweisen. Melden Sie sich gerne gleich hier dafür an:

  • Donnerstag | 11.10.2018 | "Neuerungen Rechnungslegung“ | Linz 
  • Mittwoch | 24.10.2018 | "Latente Steuern“ | Linz 
  • Mittwoch | 7.11.2018 | "Neuerungen IFRS“ | Linz