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VORSTEUERABZUG | EuGH gebietet Änderungen im UStG ab 1.1.2023!

Im österreichischen Umsatzsteuergesetz ist sowohl das Prinzip der Soll-Besteuerung (nach vereinbarten Entgelten) als auch der Ist-Besteuerung (nach vereinnahmten Entgelten) ver-ankert. Diese Unterscheidung war bisher hauptsächlich für den leistungserbringenden Steuerpflichtigen selbst relevant, um je nach der anzuwendenden Systematik die Entste-hung der Umsatzsteuerschuld für Meldezwecke festzulegen. Hinsichtlich des Vorsteuerab-zuges auf Seite des Leistungsempfängers war die Unterscheidung hingegen hauptsächlich im Zusammenhang mit Anzahlungsrechnungen von Bedeutung. Aufgrund eines aktuellen EuGH-Urteils ist für den Vorsteuerabzug nunmehr aber generell zu beachten, wann beim Leistenden die Steuerschuld entstanden ist, zumal erst dadurch die Berechtigung zum Vor-steuerabzug begründet wird. Im Ergebnis wird es daher künftig notwendig sein zu wissen, nach welchem Prinzip der Leistungserbringer seine Umsätze zu melden hat. Die zu einer deutschen Rechtssache ergangene EuGH-Entscheidung macht auch eine Anpassung des österreichischen UStG notwendig, die bereits mit dem derzeit als Begutachtungsentwurf vorliegenden Abgabenänderungsgesetz 2022 umgesetzt werden und am 1.1.2023 in Kraft treten soll. Im nachfolgenden Beitrag möchten wir sowohl das besagte EuGH-Urteil als auch die daraus resultierenden gesetzlichen Anpassungen und deren Auswirkungen auf die Un-ternehmenspraxis kurz darstellen.

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EuGH-Urteil vom 10.2.2022, C-9/20, Rs Grundstücksgemeinschaft Kollaustraße 136

 

Der Europäische Gerichtshof beschäftigte sich in dieser deutschen Rechtssache mit dem Vorsteuerabzugsrecht in Zusammenhang mit dem Leistungseinkauf von einem Ist-Besteuerer. Nach dem nunmehrigen Urteil des EuGH entsteht das Recht, einen Vorsteuerabzug geltend zu machen, ungeachtet dessen, ob das Soll- oder das Ist-Prinzip zu Anwendung kommt, nur dann, wenn die Steuerschuld beim Leistenden entstanden ist. Sofern es sich beim Leistungserbringer um einen Steuerpflichtigen handelt, der seine Umsätze nach dem Ist-Prinzip zu melden hat, ist das Entstehen der Steuerschuld somit an die tatsächliche Bezahlung der Leistung gebunden.

Der EuGH verweist in seiner Entscheidung auf Art. 167 RL 2006/112/EG, wonach das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht, und nimmt dabei darauf Rücksicht, dass die Mitgliedstaaten den Steueranspruch für bestimmte Umsätze bzw für bestimmte Gruppen von Steuerpflichtigen an die Vereinnahmung des Preises knüpfen können (Art. 66  Abs. 1 Buchst. b RL 2006/112/EG).

Nach derzeit geltendem deutschen Umsatzsteuerrecht ist es jedoch für das Recht auf Vorsteuerabzug unerheblich, wann der Steueranspruch gegen den Lieferer oder Dienstleistungserbringer entsteht und ob dieser die Umsatzsteuer nach vereinbarten oder nach vereinnahmten Entgelten berechnet bzw schuldet. Nach deutschem Recht entsteht das Recht auf Vorsteuerabzug des Empfängers der Lieferung oder Dienstleistung daher auch dann schon mit deren Ausführung, wenn der Lieferer oder Dienstleistungserbringer ein Steuerpflichtiger ist, bei dem die Steuer nach vereinnahmten Entgelten berechnet wird.

Der EuGH kommt in seinem Urteil zum Schluss, dass ein Mitgliedstaat zwar den Steueranspruch für bestimmte Gruppen und Umsätze an besondere Bedingungen, wie etwa die Vereinnahmung des Preises, knüpfen kann, darüber hinaus aber über kein Ermessen verfügt, das Entstehen des Steueranspruchs durch einen anderen Zeitpunkt als die gemäß Art. 66 Abs. 1 Buchst. a bis c RL 2006/112/EG vorgesehenen zu bestimmen (vgl. Rn 42-45 des Urteils). 

Der EuGH kommt somit zu dem Ergebnis, dass die innerstaatliche Auslegung des Rechts auf Vorsteuerabzug in Deutschland nicht der Unionsrichtlinie entspricht und daher anzupassen ist.

Um den Leistungsempfänger für Zwecke des Vorsteuerabzugs darüber zu informieren, welches Besteuerungsprinzip der Leistende anwendet, würde Art. 226 Z 7a RL 2006/112/EG einen entsprechenden zusätzlichen Rechnungsbestandteil vorsehen, der allerdings bis jetzt in Deutschland nicht umgesetzt wurde.

 

Konsequenzen für Österreich

 

In Österreich sind hinsichtlich der Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug bis dato die gleichen Grundsätze wie in Deutschland normiert. In § 19 Abs. 2 Z 1 lit a und b UStG werden sowohl das Soll- als auch das Ist-Prinzip hinsichtlich der Entstehung der Steuerschuld normiert. Betreffend die Ausübung des Vorsteuerabzuges wird allerdings in § 12 Abs. 1 Z 1 lit. a UStG undifferenziert darauf abgestellt, dass eine die von anderen Unternehmern in einer Rechnung an einen Unternehmer gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die im Inland für dieses Unternehmen ausgeführt worden sind, abzugsfähig ist. Lediglich für bestimmte Unternehmer, die ihre Umsätze nach vereinnahmten Entgelten gemäß § 17 UStG besteuern (Istbesteuerung), ist generell auch das eigene Vorsteuerabzugsrecht an die Zahlung der Leistung gebunden (mit Ausnahme einer Überrechnung gemäß § 215 Abs. 4 BAO). Diese Verknüpfung mit der Zahlung gilt aber nicht für Unternehmer, welche die eigenen Umsätze nach dem Soll-Prinzip erklären und Leistungen von Unternehmern beziehen, bei denen der Steueranspruch erst mit der vereinnahmten Zahlung entsteht.

In Österreich bestehen daher nach der geltenden Rechtslage dieselben Diskrepanzen bei der Verknüpfung des Steueranspruchs mit dem Recht auf Ausübung des Vorsteuerabzuges, wie dies der EuGH im Rahmen seines obigen Urteils zur Rechtslage in Deutschland festgestellt hat. Demgemäß besteht nach dieser höchstgerichtlichen Entscheidung auch hierzulande Handlungsbedarf.

 

Geplante Gesetzesänderungen durch das AbgÄG 2022

 

Die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug ist ein elementarer Bestandteil des Umsatzsteuerrechts in der Europäischen Union (MwStSyst-RL), die in der nationalen Handhabung und Interpretation durch die EU-Mitgliedstaaten keine Unstimmigkeiten hervorrufen darf. In Österreich wurde als erste Reaktion auf das gegenständliche EuGH-Urteil zunächst noch versucht, die derzeitige Textierung des §12 Abs. 1 Z 1 lit. a UStG in dem Sinne auszulegen, dass eine ausgewiesene Steuer eine geschuldete Steuer impliziere. Da diese Herleitung jedoch eine permanente Rechtsunsicherheit bedeuten würde, will der österreichische Gesetzgeber mit einer gesetzlichen Klarstellung darauf reagieren.

Nach dem bereits vorliegenden Begutachtungsentwurf zum diesjährigen Abgabenänderungsgesetz (AbgÄG 2022) soll § 12 Abs. 1 Z 1 lit. a UStG dahingehend adaptiert werden, dass „das Recht auf Vorsteuerabzug zu dem Zeitpunkt entsteht, zu dem die Steuerschuld für diese Lieferung oder sonstige Leistung (gemäß § 19 Abs. 2 UStG) entsteht“. Mit dieser Klarstellung wird die Entstehung der Umsatzsteuerschuld beim Leistungserbringer eindeutig als Gradmesser für das Vorsteuerabzugsrecht beim Leistungsempfänger determiniert. Dies setzt allerdings voraus, dass der Leistungsempfänger darüber informiert sein muss, nach welchem Prinzip der Leistungserbringer seine Umsätze erklärt. 

Um auch dieses Informationserfordernis gesetzlich zu verankern, sieht § 11 Abs. 1 Z 3 lit. j UStG idF AbgÄG 2022 eine verpflichtende neue Rechnungsangabe vor. Soweit der Unternehmer seine Umsätze nach vereinnahmten Entgelten (gemäß § 17 UStG) versteuert, ist die Rechnung künftig um den Passus „Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten“ zu ergänzen.

Die beiden Änderungen sollen laut Gesetzesentwurf mit Wirkung ab 1.1.2023 in Kraft treten.

Künftig wird es daher für Unternehmer notwendig sein, einerseits auf den neuen Rechnungszusatz zu achten und andererseits die Systematik der Geltendmachung des Vorsteuerabzuges entsprechend anzupassen, wenn Leistungen sowohl von Soll- als auch von Ist-Besteuerern zugekauft werden.

 

 

FAZIT

 

Die aktuelle Rechtsprechung des EuGH zur Auslegung des Rechts auf Vorsteuerabzug hat Unstimmigkeiten im nationalen Umsatzsteuerrecht bzw bei dessen Interpretation sowohl in Deutschland als auch in Österreich zu Tage gefördert. In Österreich soll diese rechtliche Unklarheit bereits mit dem kommenden AbgÄG 2022 durch Anpassungen in den §§ 11 und 12 UStG bereinigt werden (Inkrafttreten ab 1.1.2023 geplant). In Zukunft ist es somit für jeden Leistungsempfänger notwendig, bei der Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug darauf zu achten, ob der Leistungserbringer, von dem die Lieferungen oder Dienstleistungen bezogen werden, seine Umsätze nach dem Soll-Prinzip (also nach vereinbarten Entgelten) oder nach dem Ist-Prinzip (also nach vereinnahmten Entgelten) meldet, zumal die Vorsteuerabzugsberechtigung künftig explizit mit dem Entstehen der Steuerschuld verknüpft wird. Diese Neuerung wird daher auch eine Anpassung der bisherigen Systematik im Meldeprozess bedingen.

Sollten Sie Fragen zu diesem Thema haben bzw Unterstützung bei der praktischen Umsetzung der bevorstehenden Gesetzesänderungen benötigen, so stehen Ihnen hiefür die Verfasser sowie auch die übrigen Umsatzsteuerexpertinnen der Service Line "Indirect Tax & Customs" gerne zur Verfügung!