VORSTEUERERSTATTUNG | Fristen, Tipps & Tricks für die Antragstellung
Das Vorsteuererstattungsverfahren hat sich im Laufe der Zeit als durchaus herausfordernde und komplexe Verfahrensart entwickelt. Damit ein Unternehmer zu seinem Recht auf Rückzahlung einer zum Vorsteuerabzug berechtigten Umsatzsteuer kommt, müssen, neben einer nicht verlängerbaren Ausschlussfrist und der verfahrensrechtlich korrekten Abwicklung der Anträge, auch noch umsatzsteuerrechtliche Besonderheiten des Mitgliedstaates der Erstattung berücksichtigt werden. Eine falsche oder unüberlegte Vorgehensweise kann hierbei zu erheblichen Verzögerungen bei der Auszahlung sowie zum teilweisen oder gänzlichen Verlust der begehrten Vorsteuerbeträge führen. In der Praxis ist es daher gar nicht so selten, dass die europarechtlich fundamentierte Neutralität der Mehrwertsteuer für einen Unternehmer ein schwer zu erlangendes Grundrecht darstellt. Im folgenden Beitrag möchten wir Ihnen einige Aspekte näherbringen, die Sie für eine erfolgreiche Rückerstattung berücksichtigen müssen.
Klärung von Vorfragen
Bevor Sie sich Gedanken über die zeitgerechte und formal korrekte Erstellung der Vorsteuererstattungsanträge machen, muss vorgelagert geprüft werden, ob die Geltendmachung der Vorsteuerbeträge im isolierten Vorsteuererstattungsverfahren die verfahrensrechtlich korrekte Vorgehensweise darstellt, oder ob eine Registrierungspflicht im jeweiligen Land besteht und die Vorsteuerbeträge im regulären Veranlagungsverfahren geltend zu machen sind.
Darüber hinaus ist zu prüfen, ob die auf der Rechnung ausgewiesene nationale Umsatzsteuer zu Recht ausgewiesen wurde. Wenn eine Umsatzsteuer für eine Leistung fälschlicherweise auf der Rechnung ausgewiesen wird, führt dies zu einem Verlust des Rechts auf Vorsteuerabzug. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn auf der Rechnung Umsatzsteuer ausgewiesen wird, obwohl es aufgrund der Qualifikation der Leistung zum Übergang der Steuerschuld (Reverse Charge) gekommen wäre.
Das Vorliegen einer ordnungsgemäßen Rechnung im Sinne des jeweiligen nationalen Umsatzsteuerrechts ist zudem Grundvoraussetzung für die Vorsteuerabzugsberechtigung. Entspricht die Rechnung nicht den gesetzlichen Anforderungen (mögliche Vereinfachung für Kleinbetragsrechnungen sind zu beachten), so führt dies zum Verlust des Vorsteuerabzugs bzw. zu einem Korrekturbedarf.
Weiterführende Informationen hierzu finden Sie auch in unserem Newsletter vom 19.04.2024 UMSATZSTEUER | Wenn "Probieren geht über Studieren" teuer wird - ICON Wirtschaftstreuhand GmbH).
Ausschlussfrist
Die Antragsfrist für die Vergütung von Vorsteuerbeträgen des Jahres 2024 aus EU-Mitgliedstaaten endet am 30.9.2025. Anträge innerhalb der EU sind zwingend über das lokale elektronische Portal (also für alle österreichischen Unternehmerinnen und Unternehmer über FinanzOnline) einzubringen. Warten Sie mit der Antragstellung jedoch nicht zu lange, um bei unvorhergesehenen Schwierigkeiten (z.B. technische Übermittlungsprobleme aufgrund unvollständiger Angaben oder zu großer Datenmengen) dennoch rechtzeitig den Antrag übermitteln zu können. Insbesondere ist zu beachten, dass die Direkteingabe in FinanzOnline derzeit auf 40 Belege pro Antrag beschränkt ist.
Die Frist für die Erstattung von Vorsteuerbeträgen des Jahres 2024 aus den Nicht-EU-Staaten Norwegen und Schweiz endet bereits am 30.6.2025. Spätestens bis dahin müssen die Anträge vollständig bei den jeweils zuständigen Behörden eingegangen sein. Zu beachten ist, dass die Anträge für diese Länder in Papierform auf dem Postweg zu übermitteln sind.
Für die Erstattung von Vorsteuern aus Großbritannien gelten seit dem „Brexit“ eigene Fristen nach nationalem britischem Recht. Demgemäß können Vorsteuerbeträge in Großbritannien nur für das sog. „prescribed year“ geltend gemacht werden, welches den Zeitraum vom 1. Juli eines Jahres bis zum 30. Juni des Folgejahres umfasst. Vergütungsanträge sind innerhalb von sechs Monaten nach Ende dieses Zeitraums zu stellen (somit bis 31. Dezember). Für den Erstattungszeitraum von 1. Juli 2024 bis 30. Juni 2025 sind daher die Vergütungsanträge bis 31.12.2025 einzubringen.
Tipps zur Antragserstellung
Die Erstellung und Einbringung des Vorsteuererstattungsantrags ist an viele Formalismen geknüpft. Auch wenn der EuGH überschießenden Formalismus der Finanzbehörden ablehnt und Entscheidungen in diesem Zusammenhang oftmals zugunsten der Steuerpflichtigen ausfallen, sofern die materiellen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug erfüllt sind, so zeigt die Erfahrung dennoch, dass, je sorgfältiger bei der Prüfung der Vorfragen und der Antragserstellung vorgegangen wird, desto eher und vor allem schneller mit einer erfolgreichen Erledigung des Antrags zu rechnen ist. Nachstehend möchten wir auf ein paar häufige Fehler bei der Befüllung der einzelnen Positionen des Antrags aufmerksam machen, die weitreichende Auswirkungen wie bspw. Fristversäumnis, Verzögerung der Erledigung durch die Behörde oder gar (teilweise) Ablehnung des Antrags nach sich ziehen können.
Bezugnummer
Unter Bezugnummer ist die Rechnungsnummer laut der vom leistenden bzw. liefernden Unternehmer ausgestellten Rechnung einzutragen. Achten Sie darauf, dass hier keine internen Beleg- oder Buchungsnummern eingetragen werden. Pro Rechnung kann außerdem nur eine Position im Antrag eingetragen werden. Sobald eine Rechnungsnummer doppelt eingegeben wird, erscheint entweder sofort eine Fehlermeldung bzw. spätestens bei Übermittlung des Antrages wird dieser als fehlerhaft zurückgewiesen.
Besonderheiten im Zusammenhang mit Anzahlungsrechnungen
Anzahlungsrechnungen und die zugehörige Schlussrechnung sind im Vorsteuervergütungsantrag in gesonderten Positionen anzuführen. Zudem ist auf nationale Besonderheiten im Zusammenhang mit der Anzahlungsbesteuerung zu achten. So knüpft der Zeitpunkt des Vorsteuerabzugsrechts oftmals an das Zahlungsdatum, welches bei Antragstellung durch Beilage einer Zahlungsbestätigung zur Rechnung nachgewiesen werden sollte bzw. nachzuweisen ist.
Wird der gesamte Vorsteuerbetrag mit der Schlussrechnung beantragt, so kann dies zu einer Beanstandung bzw. möglichen Ablehnung durch die Behörde führen. Für Anträge im Zusammenhang mit der Vergütung von deutschen Vorsteuerbeträgen, kann zumindest im Rechtmittelweg ein aktuelles BFH-Urteil abhelfen (BFH-Urteil vom 12. Dezember 2024, V R 6/23), welches Folgendes besagt:
Betreffen sowohl die Anzahlungsrechnung und die Zahlung als auch die Ausführung der Leistung und die Endrechnung denselben Vergütungszeitraum, gilt ein Antrag auf Vorsteuervergütung auch dann hinsichtlich der auf die Anzahlungsrechnung entfallenden Vergütung im Sinne des § 61 Abs. 1 Satz 2 UStDV als vorgelegt, wenn der Antrag zwar lediglich Angaben zu der Endrechnung enthält und die Endrechnung die in den Anzahlungsrechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer in Abzug bringt, die beantragte Vergütung aber den Gesamtbetrag der Vorsteuerbeträge umfasst.
Vorsteuer vs. abziehbare Vorsteuer
Unter Vorsteuer ist der gesamte sich auf die Bemessungsgrundlage beziehende Vorsteuerbetrag laut Rechnung einzutragen. Beachten Sie, dass pro Rechnung nur eine Position im Antrag eingegeben werden kann. Sollten auf einer Rechnung somit unterschiedliche Steuersätze zur Anwendung kommen so sind die Steuerbeträge je Steuersatz zusammenzuzählen und die Gesamtsumme ist im Antrag einzutragen. Wurde im Zusammenhang mit der Rechnung jedoch ein Skonto geltend gemacht, so sind sowohl die Bemessungsgrundlage als auch der Vorsteuerbetrag entsprechend zu kürzen. Vor allem bei höheren Rechnungsbeträgen, die einen expliziten Verweis auf Skonti enthalten, ist zu empfehlen Zahlungsbestätigungen beizulegen, sofern das Skonto nicht in Anspruch genommen wurde und der Rechnungsbetrag zur Gänze bezahlt wurde.
Unter abziehbarer Vorsteuer ist jener Betrag zu verstehen, der dem Ausmaß der Erstattung des jeweiligen Landes entspricht. Sind bspw. in einem Land nur 50% des Vorsteuerbetrages aus einer Mietwagenrechnung abzugsfähig ist der Vorsteuerbetrag um 50% zu kürzen und nur dieser an das Ausmaß der Erstattung angepasste Betrag ist unter abziehbare Vorsteuer einzutragen.
Es ist somit zu hinterfragen, ob im Erstattungsland für bestimmte Lieferungen und Leistungen Restriktionen hinsichtlich des Rechts auf Vorsteuerabzug sowie der Höhe des Vorsteuerabzuges festgelegt wurden. In manchen Ländern besteht beispielsweise kein Recht auf Vorsteuerabzug in Zusammenhang mit Bewirtungsleistungen. Weitere Beispiele für Lieferungen und Leistungen, für die ein Vorsteuerabzug in anderen EU-Mitgliedstaaten teilweise nicht in vollem Ausmaß möglich ist, sind der Kauf und die Anmietung von PKWs und der Erwerb damit verbundener Gegenstände und Dienstleistungen (z. B. Treibstoff, Wartung). Es ist hierbei das jeweilige nationale Recht zu beachten. Für Vorsteuerbeträge, die das jeweilige abzugsfähige Ausmaß überschreiten, steht kein Vorsteuerabzug zu.
Die Beantragung des gesamten Vorsteuerbetrages, obwohl dieser unter Berücksichtigung der länderspezifischen Besonderheiten nicht oder nicht zur Gänze zustehen würde, stellt eine falsche Beantragung einer Steuererstattung dar und kann unter Umständen zu Strafverfahren führen (vor allem in Großbritannien wird dies geahndet). Beantragen Sie somit Vorsteuerbeträge nicht ohne Bedacht auf länderspezifische Besonderheiten!
Anforderung zusätzlicher Informationen durch die EU-Erstattungsbehörden
Wie bereits erwähnt handelt es sich bei der Frist für die Antragstellung der Vorsteuererstattung grundsätzlich um eine nicht verlängerbare Ausschlussfrist. Im Rahmen der Bearbeitung der fristgerecht eingebrachten Vorsteuererstattungsanträge gibt es seitens der ausländischen Finanzbehörden jedoch oftmals Rückfragen (zB. zum zugrundeliegenden Sachverhalt) bzw. werden ergänzende Unterlagen (zB. Verträge, Bestellungen) angefordert. Für die Beantwortung der Rückfragen seitens der Behörde wird idR eine Nachfrist von einem Monat eingeräumt. Wird der Beantwortung bzw. Nachreichung von Unterlagen nicht nachgegangen oder erfolgt dies nicht innerhalb der gesetzten Nachfrist, kommt es seitens der ausländischen Behörden nicht selten zu einer Ablehnung eingereichter Anträge mit der Begründung der Nichteinhaltung der Frist für die Nachreichung von Unterlagen.
Im EuGH-Urteil vom 2.5.2019 (C-133/18) hat der Europäische Gerichtshof klargestellt, dass es sich bei der von einer ausländischen Behörde gesetzten Frist für die Beantwortung allfälliger Rückfragen, die im Rahmen der Vorsteuererstattung eingeräumt wird, um keine Ausschlussfrist handelt. Daraus folgt, dass auch bei Nichteinhaltung dieser Fristen die Finanzbehörden nicht berechtigt sind, die zugrunde liegenden Vorsteuervergütungsanträge endgültig abzulehnen. Mit diesem Urteil wurde auch aufgezeigt, dass sich Steuerpflichtige gegen eine etwaige Ablehnung ihres Vergütungsantrages aus derartigen Gründen durchaus zur Wehr setzen können. Soweit möglich, empfehlen wir aber dennoch, die von der Behörde gesetzte Frist tunlichst einzuhalten, um langwierige Rechtsmittelverfahren möglichst zu vermeiden.
Abgesehen von der Einhaltung der Fristen für die Beantwortung der Rückfragen ist auch auf eine vollständige und gut aufbereitete Übermittlung der Informationen und Unterlagen zu achten. Die Rückfragen der Behörde zielen in den meisten Fällen darauf ab die obenstehend erwähnten Vorfragen zu klären und dementsprechend zu erheben, ob das Unternehmen die Vorsteuerbeträge im richtigen Verfahren beantragt hat und ob die Umsatzsteuer auf der Rechnung zu Recht ausgewiesen wurde. Eine rechtlich fundierte und detaillierte Erläuterung des Sachverhalts, die vor allem auch Informationen enthält, die es der Behörde ermöglicht Rückschlüsse zu ziehen und eben diese Fragen zu klären, beschleunigt das Verfahren oftmals bzw. kann weitere Rückfragen der Behörde verhindern. In einigen Ländern ist dennoch eine sich immer weiter verschärfende Vorgehensweise seitens der Behörde bei der Anforderung zusätzlicher Unterlagen (Verträge/Bestellungen oftmals inklusive Übersetzung in die jeweilige Landessprache) zu beobachten, die es zusehends herausfordernder für Steuerpflichtige macht Vorsteuerbeträge rückerstattet zu bekommen.
FAZIT
Wenn sie Unterstützung bei der Prüfung benötigen, in welchem Verfahren Vorsteuerbeträge aus anderen EU-Ländern zu beantragen sind, ob Restriktionen hinsichtlich des Vorsteuerabzugsrechts zu berücksichtigen sind, oder weitere Informationen zu formalen Aspekten des Antragsprozederes für Sie interessant sind, helfen wir Ihnen natürlich jederzeit gerne weiter. Sie können uns selbstverständlich auch jederzeit zu Rate ziehen, sofern Sie Ergänzungsersuchen oder ablehnende Bescheide seitens der Behörde erhalten haben, oder die Einreichung eines Rechtsmittels in Betracht ziehen.
Gerne unterstützen wir Sie auch bei der Erstellung von Vorsteuervergütungsanträgen, wenn Sie sich nicht selbst mit den förmlichen Details belasten möchten bzw. sichergehen wollen, dass Ihnen die im Ausland in Rechnung gestellten Umsatzsteuerbeträge im isolierten Verfahren korrekt zurückerstattet werden. Im Sinne eines reibungslosen Ablaufs und vor dem Hintergrund der Wahrung der Ausschlussfristen bitten wir um zeitnahe Übermittlung Ihrer vollständigen Unterlagen an unsere Experten der Service Line Indirect Tax & Customs.