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ZINSSCHRANKE | Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich!

Die EU-Anti-BEPS-Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, grundsätzlich bis spätestens 31.12.2018 verschiedene Vorschriften zur Bekämpfung der Steuervermeidung in nationales Recht umzusetzen, insbesondere auch die sog. „Zinsschranke“, wonach die Abzugsfähigkeit der jährlichen Fremdkapitalzinsen künftig mit 30 % des EBITDA limitiert werden soll. Dabei erlaubt die Richtlinie jedoch nicht nur verschiedene Wahlrechte, sondern bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen auch eine verlängerte Umsetzungsfrist bis spätestens 1.1.2024. Österreich war bis dato davon ausgegangen, aufgrund der im Körperschaftsteuergesetz bereits bisher bestehenden Zinsabzugsverbote die verlängerte Übergangsfrist in Anspruch nehmen zu dürfen. Die EU-Kommission sieht dies jedoch anders, und am 25.7.2019 wurde nunmehr bekannt, dass bereits ein förmliches Aufforderungsschreiben an Österreich ergangen ist, worin die richtlinienkonforme Umsetzung der Zinsschranke eingemahnt wird. Dies ist als erster Schritt eines diesbezüglichen Vertragsverletzungsverfahrens gegen Österreich anzusehen. 

Die sog. „Anti-BEPS-Richtlinie“ der Europäischen Union (Richtlinie (EU) 2016/1164 vom 12.7.2016, auch kurz „ATAD“ - Anti-Tax Avoidance Directive - genannt) verpflichtet die Mitgliedstaaten innerhalb bestimmter Fristen zur Umsetzung zahlreicher Maßnahmen gegen Gewinnverlagerungen und Steuervermeidungspraktiken. Eine dieser Maßnahmen ist die Limitierung der Abzugsfähigkeit von Fremdkapitalkosten durch Implementierung einer sog. „Zinsschranke“ in nationales Recht. Gemäß Artikel 4 ATAD sind bei Körperschaftsteuersubjekten „überschüssige Fremdkapitalkosten“ (Aufwandsüberhang) in dem Steuerzeitraum, in dem sie anfallen, nur bis zu 30 % des Ergebnisses des Steuerpflichtigen vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) abzugsfähig. Die Umsetzung der – mit mehreren Wahlrechten bzw Optionsmöglichkeiten versehenen – EU-Zinsschrankenregelung in nationales Recht sollte grundsätzlich bis 31.12.2018 erfolgen. Mitgliedstaaten, die bereits zuvor über hinreichende nationale gezielte Vorschriften zur Verhütung vonBEPS“ verfügten, die „gleichermaßen wirksam“ sind wie die ATAD-Zinsschranke, dürfen ihre Vorschriften jedoch noch länger anwenden bzw wurde diesen Ländern eine verlängerte Umsetzungsfrist für die EU-Zinsschranke bis spätestens 1.1.2024 eingeräumt.

Bisherige Entwicklung 

Das österreichische Finanzministerium (BMF) war davon ausgegangen, dass die bereits bestehenden Regelungen im österreichischen Körperschaftsteuergesetz (insb. Zinsenabzugsbeschränkungen gemäß § 12 Abs 1 Z 9 und 10 KStG) ausreichen würden, um die oa verlängerte Umsetzungsfrist bis spätestens 1.1.2024 in Anspruch nehmen zu können (sog. „Grandfathering“). Aus einer am 7.12.2018 veröffentlichten Mitteilung der EU-Kommission ging erstmals hervor, dass die betreffenden österreichischen Regelungen aus EU-Sicht wohl doch nicht für ein fristverlängerndes „Grandfathering“ ausreichen dürften, sodass die Umsetzung der EU-Zinsschranke im österreichischen Steuerrecht also bereits bis 31.12.2018 geboten gewesen wäre (vgl dazu auch unsere div. Newsletters, zuletzt den NL-Beitrag „KÖRPERSCHAFTSTEUER | Umsetzung der EU-Zinsschranke doch bis 31.12.2018?“ vom 17.12.2018; weiters im Detail auch Mitterlehner/Panholzer, Zinsschranke - vorzeitige Umsetzung auch in Österreich? Handlungsbedarf aufgrund Mitteilung der EU-Kommission, SWK 2019). 

Das österreichische BMF beharrte jedoch zunächst auf seinem Standpunkt und begehrte auch weiterhin die verlängerte Übergangsfrist für eine entsprechende Zinsschrankenregelung. Demgemäß fanden sich auch in den div. Gesetzesentwürfen zur geplanten nächsten „Steuerreform“ noch keine diesbezüglichen Regelungen (vgl dazu zuletzt unseren NL-Beitrag „STEUERREFORM | Wie geht’s nach der Regierungskrise weiter?“ vom 17.7.2019).

Aufforderungsschreiben der EU-Kommission

Am 25.7.2019 hat die EU-Kommission im Rahmen einer Pressemitteilung den Beschluss veröffentlicht, dass gegen mehrere Mitgliedstaaten Vertragsverletzungsverfahren zur Richtlinie zur Bekämpfung von Steuervermeidung eingeleitet werden und im Zuge dessen insbesondere auch ein Aufforderungsschreiben an Österreich gerichtet wird. Österreich wird damit förmlich aufgefordert, die in der ATAD (Richtlinie (EU) 2016/1164 vom 12.7.2016) vorgesehene Zinsschranke umzusetzen. Kommt Österreich dieser Aufforderung nicht binnen zwei Monaten nach, so kann die Kommission im nächsten Schritt eine mit Gründen versehene Stellungnahme an die nationalen Behörden übermitteln. In einem weiteren Schritt wäre schließlich eine endgültige Klärung der strittigen Frage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) herbeizuführen.

Umsetzung der EU-Zinsschranke in den Mitgliedstaaten 

Ein ähnliches Aufforderungsschreiben wurde auch an Irland gesendet, das die Zinsschranke bisher ebenfalls noch nicht in nationales Recht umgesetzt hat. Auch hier wurde sohin ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. 

Weiters hat die Kommission eine Stellungnahme an Dänemark gerichtet, weil dieses Land es versäumt hatte, nationale Durchführungsmaßnahmen zu den Bestimmungen der Richtlinie zur Bekämpfung der Steuervermeidung mitzuteilen, die sich auf beherrschte ausländische Unternehmen beziehen und die eine Gewinnverlagerung in Steueroasen oder Niedrigsteuerländer verhindern sollen. Kommt Dänemark der Aufforderung nicht binnen zwei Monaten nach, so kann die EU-Kommission den Fall an den EuGH verweisen. 

Die Kommission hat weiters verlautbart, dass die bereits eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren gegen Belgien, Frankreich, Griechenland, Portugal, Tschechien, das Vereinigte Königreich und Zypern eingestellt werden. Diese Länder sind nämlich mittlerweile ihren Verpflichtungen nachgekommen, der Kommission ihre jeweiligen Vorschriften zur Bekämpfung von Steuervermeidung mitzuteilen, mit denen sie die Richtlinie umgesetzt haben.

FAZIT 

Ob Österreich von seinem bisherigen Standpunkt einer verlängerten Umsetzungsfrist (1.1.2024 versus 1.1.2019) für eine EU-konforme Zinsschrankenregelung im österreichischen Körperschaftsteuerrecht abrückt bzw wie dem oa Aufforderungsschreiben der EU-Kommission binnen der maßgeblichen Zweimonatsfrist nachgekommen wird, bleibt abzuwarten. Ein Nachgeben bzw eine umgehende Umsetzung erscheint jedoch – insbesondere auch angesichts der aktuellen politischen Situation hierzulande – höchst fraglich. Für den Fall, dass das eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren in einem nächsten Schritt vor dem Europäischen Gerichtshof landen würde, ist dessen Entscheidung über die zugrunde liegende strittige Frage der Vergleichbarkeit nationaler Regelungen mit jenen der ATAD-Richtlinie – ebenso wie die Dauer eines solchen Verfahrens – aus heutiger Sicht überhaupt nicht abschätzbar.

Für die österreichischen Körperschaftsubjekte resultieren aus der Einleitung des Vertragsverletzungsverfahrens zunächst (noch) keine steuerlichen Auswirkungen, zumal belastende Regelungen einer nicht fristgerecht umgesetzten EU-Richtlinie im nationalen Steuerrecht keine unmittelbare Anwendung finden. 

Da die Umsetzung der EU-Zinsschranke im österreichischen Steuerrecht aber jedenfalls kommen wird, nämlich allerspätestens ab 1.1.2024, sollte im Sinne einer vorausschauenden Planung ehestmöglich daran gegangen werden, die Auswirkungen einer künftigen Zinsschrankenregelung für die betroffenen Unternehmen abzuschätzen und die Unternehmens- bzw Konzernfinanzierung zeitgerecht darauf vorzubereiten. 

Möchten Sie mehr über den Status der Umsetzung der EU-Zinsschranke in den einzelnen Mitgliedstaaten erfahren? Dann verweisen wir Sie gerne auf eine WTS Global Studie, die einen Überblick über die Implementierung der ATAD-Vorgaben und der dabei bestehenden Unterschiede bei der Zinsabzugsbeschränkung in den einzelnen Ländern gibt. Die Beiträge zur Studie stammen von Experten der nationalen Vertretungen des WTS-Netzwerks, und auch die ICON hat daran mitgewirkt. Neben den EU-Mitgliedstaaten wurden auch Norwegen, die Schweiz und die USA in die Studie aufgenommen, die allerdings nicht an die Vorgaben der ATAD gebunden sind. Die Studie können Sie unter folgendem Link anfordern: Zinsabzugsbeschränkungen in der EU. 

Weiters möchten wir Sie auch auf den diesjährigen ICON-Steuertag am 1.10.2019 hinweisen, in dessen Rahmen die EU-Zinsschrankenregelungen ebenfalls Thema sind. Melden Sie sich gerne HIER dafür an.

Über die weitere Entwicklung zu dieser Thematik werden wir Sie natürlich auf dem Laufenden halten und stehen für Rückfragen gerne zur Verfügung!