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SCHWEIZ | Umsetzung der OECD-Mindestbesteuerung ab 1.1.2024

Als Reaktion auf das OECD/G20-Projekt zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft hat der Schweizer Bundesrat beschlossen, die von der OECD entwickelte, von den G20 für gut befundene und von der EU-Kommission in einen Richtlinienentwurf übernommene globale Mindestbesteuerung in Höhe von 15 % auch in der Schweiz einzuführen. Voraussetzung für die Übernahme dieser als Ergänzungssteuer ausgestalteten Mindeststeuer ist jedoch nach der schweizerischen Rechtsordnung eine entsprechende Verfassungsänderung. Bis zur Verabschiedung eines darauf basierenden Gesetzes soll eine temporäre Verordnung sicherstellen, dass die Mindestbesteuerung bereits mit 1.1.2024 in Kraft treten kann. An den Einnahmen aus der Ergänzungssteuer soll der Bund zu 25 % partizipieren, die Kantone und Gemeinden hingegen im Ausmaß von insgesamt 75 %.

​​​​​​​Über die Auswirkungen einer geplanten „globalen Mindestbesteuerung“ und den daraus resultierenden Handlungsbedarf für derzeitige „Niedrigsteuerländer“ wie insbesondere auch die Schweiz hatten wir Sie im Rahmen unseres Newsletters bereits informiert (vgl dazu unseren NL-Beitrag „SCHWEIZ | Effekte einer Mindeststeuer für den Niedrigsteuerstandort“ vom 19.7.2021). Zwischenzeitig ist unser Nachbarland diesbezüglich bereits tätig geworden:
 

Einführung einer Mindestbesteuerung in der Schweiz


Als Reaktion auf die im Dezember 2021 veröffentlichten OECD-Model Rules zur Einführung einer globalen Mindestbesteuerung sowie dem ebenfalls im Dezember 2021 veröffentlichten Richtlinienvorschlag der EU- Kommission, der die Umsetzung dieser globalen Mindestbesteuerung innerhalb der Europäischen Union regeln soll (siehe dazu bereits unsere div. NL-Beiträge, zuletzt „GLOBALE MINDESTBESTEUERUNG | Update zu Pillar 2“ vom 18.5.2022), hat im Sommer 2022 nunmehr auch die Schweiz erstmals Schritte in diese Richtung getätigt:

Der Bundesrat hat sich für die Einführung einer Mindeststeuer in der Schweiz ausgesprochen. Die Regelungen sollen voraussichtlich ab 1.1.2024 Anwendung finden, wozu es allerdings noch einer Verfassungsänderung bedarf. Im Hinblick auf den sehr ambitionierten Zeitplan ist folgende dreistufige Vorgangsweise geplant:

  1. Ausarbeiten einer neuen Verfassungsnorm, die dem Bund die Umsetzung des OECD/G20-Projekts in der Schweiz ermöglicht;
  2. Erlass einer vorübergehenden Verordnung, die Details zur Einführung der Mindeststeuer in der Schweiz regeln soll;
  3. In einem dritten Schritt soll sodann ein Bundesgesetz die temporäre Verordnung ablösen.​​​​​​​

Die „Verordnung über die Mindestbesteuerung großer Unternehmensgruppen (Mindestbesteuerungsverordnung - MindStV)“ wurde inzwischen vom Bundesrat veröffentlicht und um einen erläuternden Bericht ergänzt.
 

Bundesbeschluss vom 23.6.2022


Am 17.8.2022 wurde die Mindestbesteuerungsverordnung (MindStV) - gestützt auf Art. 197 Z 15 des Bundesverfassungsgesetzes - veröffentlicht, die bis zum Inkrafttreten des geplanten Bundesgesetzes die Mindestbesteuerung von Unternehmensgruppen regeln soll. Um die internationale Kompatibilität des Regelwerks sicherzustellen, wurde in der MindStV die Modellgesetzgebung der G20/OECD einfach durch Verweis für anwendbar erklärt, wobei jedoch zur Wahrung der Interessen der schweizerischen Gesamtwirtschaft davon abgewichen werden kann. Außerdem wird darin die Verteilung des Anteils der Kantone und Gemeinden an der Ergänzungssteuer präzisiert. Die MindStV soll zudem um verfahrensrechtliche Vorschriften ergänzt werden.

Unter den Anwendungsbereich der Mindestbesteuerung fallen - den G20/OECD-Vorgaben entsprechend - jene multinationalen Unternehmensgruppen, die eine konsolidierte jährliche Umsatzschwelle von 750 Millionen EUR überschreiten. Sollte die Steuerbelastung der in der Schweiz oder anderen Steuerjurisdiktionen ansässigen Geschäftseinheiten den effektiven Mindeststeuersatz von 15 % nicht erreichen, soll auf Bundesebene eine Ergänzungssteuer in Höhe der Differenz zwischen dem effektiven Steuersatz und dem Mindeststeuersatz erhoben werden. Für die Ermittlung der effektiven Mindestbesteuerung sind alle direkten Steuern relevant. Der Gewinn ist auf Grundlage des nach einem international anerkannten Rechnungslegungsstandard ermittelten Konzernergebnisses, vor Herausrechnung der Transaktionen zwischen den Geschäftseinheiten und den in der OECD/G20-Modellgesetzgebung vorgesehenen Korrekturen, zu berechnen.
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Schweizerische Ergänzungssteuer


Der schweizerischen Ergänzungssteuer unterliegen die Gewinne von steuerlich der Schweiz zugehörigen Geschäftseinheiten einer Unternehmensgruppe, deren oberste Muttergesellschaft nach ihrem konsolidierten Jahresabschluss die Umsatzschwelle von 750 Mio EUR überschreitet. Sollte im Steuerhoheitsgebiet der obersten Muttergesellschaft einer Unternehmensgruppe ein niedrigerer Schwellenwert gelten, so unterliegen die Gewinne ihrer steuerlich der Schweiz zugehörigen Geschäftseinheiten ebenfalls der schweizerischen Ergänzungssteuer. Der Ergänzungssteuer unterliegen demnach die Gewinne einer der Schweiz zugehörigen Geschäftseinheit unabhängig davon, welchem Steuerhoheitsgebiet ihre oberste Muttergesellschaft steuerlich zugehörig ist. Die schweizerische Ergänzungssteuer einer Unternehmensgruppe wird den einzelnen Geschäftseinheiten nach Maßgabe des Betrages der Ergänzungssteuer zugerechnet, der sich bei einer Berechnung anhand der Einzelabschlüsse dieser Geschäftseinheiten ergeben würde.
 

Internationale Ergänzungssteuer


Die internationale Ergänzungssteuer wird von Gewinnen von Geschäftseinheiten einer Unternehmensgruppe berechnet, die nicht der Schweiz zugehörig sind. Diese Steuer ist entsprechend der von G20/OECD vorgegebenen „Income Inclusion Rule (IIR) von den Gewinnen der steuerlich einem anderen Steuerhoheitsgebiet zugehörigen Geschäftseinheiten zu berechnen, deren oberste Muttergesellschaft steuerlich der Schweiz zugehörig ist oder von denen eine andere als die oberste Muttergesellschaft steuerlich der Schweiz zugehörig ist und in Bezug auf deren Gewinne keine ausländische IIR anwendbar ist. Auf Gewinne von steuerlich einem anderen Steuerhoheitsgebiet zugehörigen Geschäftseinheiten, deren oberste Muttergesellschaft ebenfalls in einem anderen Steuerhoheitsgebiet ansässig ist, deren Gewinne im Ausland keiner IIR unterliegen, ist auf Ebene einer der Schweiz zugehörigen Geschäftseinheit die „Undertaxed Payments Rule(UTPR) anzuwenden. Der sich nach der UTPR ergebende Betrag der internationalen Ergänzungssteuer wird entsprechend den von G20/OECD vorgegebenen Kriterien verteilt. Verfügt eine Geschäftseinheit über Einheiten, die in mehreren Kantonen ansässig sind, wird die Ergänzungssteuer nach den bundesrechtlichen Grundsätzen betreffend das Verbot einer interkantonalen Doppelbesteuerung auf diese Steuerobjekte aufgeteilt.
 

Aufteilung des Steuerkuchens


Die Ergänzungssteuer soll zu 25 % dem Bund und zu insgesamt 75 % den Kantonen und Gemeinden zugutekommen. Diese zusätzlichen Mittel sollen zweckgebunden dazu verwendet werden, im Zuge des nationalen Finanzausgleichs Mehrausgaben zu decken und die Attraktivität des Standortes Schweiz zu fördern.
 

Zeitlicher Rahmen


Das Eidgenössische Finanzdepartment weist in der „Vernehmlassung zur Ergänzungssteuer darauf hin, dass bei der finalen Entscheidung über das Inkrafttreten der Regelungen der Schweizer Bundesrat prüfen wird, wie weit die Umsetzung der von G20/OECD angestoßenen globalen Mindestbesteuerung in anderen Staaten bereits fortgeschritten ist. Der Bundesrat geht aus derzeitiger Sicht von einem Inkrafttreten per 1.1.2024 aus.
 

​​​​​​​FAZIT


OECD/G20 haben im Oktober 2021 die Eckdaten einer globalen Mindestesteuerung von großen international tätigen Unternehmen veröffentlicht. Es handelt sich dabei um eine politische Einigung von 137 Staaten, die Teil des sog. „Inclusive Framework der OECD sind. Ziel dieser Bestrebungen ist es sicherzustellen, dass die Gewinne international tätiger Unternehmensgruppen mit einem konsolidierten weltweiten Umsatz von mehr als 750 Mio EUR einer effektiven Mindestbesteuerung von 15 % unterliegen. Am 20.12.2021 hat die OECD dazu eine Modellgesetzgebung veröffentlicht. Die EU-Kommission hat darauf am 22.12.2021 mit einem Richtlinienvorschlag reagiert, der allerdings beim letzten ECOFIN-Treffen am 17.6.2022 unter französischer EU-Ratspräsidentschaft, aufgrund eines ungarischen Vetos, zum wiederholten Male nicht verabschiedet werden konnte. Anlässlich der Sitzung des ECOFIN im Oktober 2022 soll jedoch unter der aktuellen tschechischen Ratspräsidentschaft die zur Verabschiedung der Richtlinie notwendige Einstimmigkeit herbeigeführt werden.

Ungeachtet einer allfälligen Verabschiedung einer Richtlinie des Rates zur Gewährleistung einer globalen Mindestbesteuerung für multinationale Unternehmensgruppen in der Europäischen Union haben einzelne EU-Mitgliedstaaten, darunter auch Deutschland und Frankreich, angekündigt, entsprechende Regelungen bereits mit Wirkung ab 1.1.2024 unilateral einführen zu wollen. Es überrascht nicht, dass auch Drittstaaten wie eben die Schweiz gleiche Schritte setzen und nicht nur eine internationale Ergänzungssteuer, sondern auch eine „domestic top-up-tax“ einführen wollen. Denn es ist davon auszugehen, dass kein Staat es zulassen wird, dass Gewinne der seiner Steuerhoheit zugehörigen Unternehmen in einem anderen Staat „nachversteuert“ werden.

Abschließend möchten wir Sie noch auf folgende zu diesem Themenbereich bereits erschienene Newsletter-Beiträge hinweisen:


​​​​​​​Für weitere Fragen zu diesem Themenbereich stehen Ihnen die Verfasser sowie auch die übrigen ExpertInnen der Service Line "International Tax" gerne zur Verfügung! 
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