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CORONAVIRUS | Latente Steuern für COVID-19-Fördermaßnahmen?

Um die wirtschaftlichen Auswirkungen der gegenwärtigen Pandemie für betroffene Unternehmen zumindest teilweise zu kompensieren, wurden seitens der öffentlichen Hand verschiedene Hilfsprogramme und Fördermaßnahmen geschaffen, die insbesondere als Liquiditätszufuhr (Aufwands- und Investitionszuschüsse) sowie als Steuerbegünstigungen konzipiert sind. Über die Behandlung dieser Maßnahmen im unternehmensrechtlichen Jahresabschluss haben wir im Rahmen unseres Newsletters bereits ausführlich informiert. Im nachfolgenden Beitrag erfahren Sie, wie sich einzelne Fördermaßnahmen (Barzuschüsse, Investitionsprämien, steuerliche Sonderabschreibungen und Verlustrücktrag) auf den Bereich der latenten Steuern für Bilanzierungszwecke auswirken.

Steuerlatenzen sind gemäß § 198 Abs 9 und 10 UGB für Differenzen zwischen unternehmens- und steuerrechtlichen Wertansätzen (Bilanzabweichungen) bei Vermögensgegenständen, Rückstellungen, Verbindlichkeiten und Rechnungsabgrenzungsposten zu bilden, soferne sich diese Differenzbeträge in späteren Geschäftsjahren voraussichtlich abbauen (sog. temporäre Differenzen bzw „timing differences“) und sich daraus insgesamt eine Steuerbelastung (passive latente Steuern) oder eine Steuerentlastung (aktive latente Steuern) ergibt. Passive latente Steuern sind von allen bilanzierungspflichtigen Unternehmen zu bilden. Die Bildung von aktiven latenten Steuern ist hingegen nur für mittelgroße und große Kapitalgesellschaften bzw kapitalistische Personengesellschaften zwingend, während für kleine Gesellschaften ein diesbezügliches Wahlrecht besteht (mit entsprechenden Anhangangaben). Aktive latente Steuern sind uU auch für steuerliche Verlustvorträge ansetzbar, soferne deren spätere tatsächliche Verwertbarkeit (Steuerentlastung) hinreichend sicher ist (Steuerplanungsrechnung). Die aktiven und passiven Steuerlatenzen sind grundsätzlich saldierbar (Ausweis Aktiv- oder Passivsaldo) und nicht abzuzinsen (vgl zur allgemeinen Berücksichtigung latenter Steuern im UGB-Abschluss auch bereits unseren NL-Beitrag  „BILANZIERUNG | Latente Steuern im Anhang nach RÄG 2014“ vom 15.7.2017).

Diese Fragen stellen sich insbesondere auch in Zusammenhang mit den verschiedenen öffentlichen Hilfs- und Fördermaßnahmen für Unternehmen zur Abfederung der negativen wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise (siehe dazu bereits unseren NL-Beitrag „CORONAVIRUS | BILANZIERUNG von COVID-19-Zuschüssen“ vom 14.12.2020). Eine allfällige Berücksichtigung latenter Steuern soll nachfolgend erörtert werden:

Aufwandszuschüsse

Bei den verschiedenen über die COFAG gewährten Barzuschüssen (zB Kurzarbeitsbeihilfen, Fixkostenzuschüsse, Verlustersatz, Umsatzersätze, Ausfallsbonus; unsere zahlreichen und detaillierten Newsletter-Beiträge zu deren inhaltlicher Ausgestaltung finden Sie HIER) handelt es um sog. „Aufwandszuschüsse“, die in der jeweiligen Rechnungsperiode idR sofort ertragswirksam zu erfassen und weitgehend steuerfrei sind, wobei jedoch grundsätzlich das Abzugsverbot für damit zusammenhängende Aufwendungen iS § 20 Abs 2 EStG zu beachten ist (siehe dazu insbesondere § 124b Z 348 EStG). Eine tatsächliche Steuerfreiheit derartiger Zuwendungen würde zu endgültigen bzw permanenten Differenzen zwischen Unternehmens- und Steuerrecht führen. Das Abzugsverbot gemäß § 20 Abs 2 EStG hebt hingegen die Steuerbefreiung im Ergebnis insoweit wieder auf. Demgemäß sind für diese Zuschüsse auch keine latenten Steuern im unternehmensrechtlichen Jahresabschluss zu berücksichtigen.

Investitionsprämien

Demgegenüber stellt die „COVID-19-Investitionsprämie“ einen sog. „Investitionszuschuss“ für bestimmte aktivierungspflichtige „Neuinvestitionen“ in das abnutzbare Anlagevermögen dar. Die Investitionsprämie beträgt 7 % oder 14 % der maßgeblichen Anschaffungs- bzw Herstellungskosten (siehe dazu im Detail unsere div. Publikationen, zuletzt unseren NL-Beitrag „CORONAVIRUS | Update zu COVID-19-Fördermaßnahmen“ vom 25.2.2021). 

Aus steuerrechtlicher Sicht stellt die Investitionsprämie keine Betriebseinnahme dar bzw bewirkt auch keine Kürzung der steuerlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten für die geförderten Wirtschaftsgüter (Nichtanwendung von § 6 Z 10 EStG). Zudem ist auch das Abzugsverbot gemäß § 20 Abs 2 EStG bzw § 12 Abs 2 KStG für damit zusammenhängende Aufwendungen ausdrücklich nicht anwendbar (umfassende Steuerbefreiung gemäß § 124b Z 365 EStG). 

Aus unternehmensrechtlicher Sicht handelt es sich bei der Investitionsprämie um einen Investitionszuschuss der öffentlichen Hand. Eine derartige Subventionierung von dritter Seite führt im Ergebnis zu einer entsprechenden Verminderung der Anschaffungs- bzw Herstellungskosten, welche das bilanzierende Unternehmen aus dem eigenen Vermögen aufzuwenden hat. Dementsprechend resultieren daraus auch entsprechend geringere Anlagenabschreibungen. Die diesbezügliche Bilanzierung ist jedoch sowohl nach der „Bruttomethode“ (Aktivierung der Brutto-AHK und Erfassung der erhaltenen Investitionszuschüsse in einem eigenen Sonderposten auf der Passivseite) als auch nach der „Nettomethode“ zulässig (aktivseitige Kürzung der AHK). Das jedenfalls zu beachtende Saldierungsverbot iS § 196 Abs 2 UGB ist auch für die Gewinn- und Verlustrechnung zu beachten (Auflösung des passivischen Sonderpostens als „sonstige betriebliche Erträge“ oder offen ausgewiesene Saldierung der Abschreibungen). Es sind hiebei insbesondere die Aussagen der AFRAC zu beachten (AFRAC-Stellungnahme 6 „Zuschüsse im öffentlichen Sektor (UGB)“ aus 2015 sowie die im Dezember 2020 ergänzte Fachinformation COVID-19; siehe dazu bereits unseren ausführlichen NL-Beitrag CORONAVIRUS | BILANZIERUNG von COVID-19-Zuschüssen vom 14.12.2020). 

Gemäß § 198 Abs 9 UGB müssten hiefür grundsätzlich latente Steuern gebildet werden. Jedoch handelt es sich bei den Differenzen, die durch die unterschiedliche Bewertung nach Steuerrecht (volle AHK) und Unternehmensrecht (verminderte AHK) entstehen, um den erstmaligen Ansatz eines Vermögenswerts, sodass die Ausnahmeregelung gemäß § 198 Abs 10 Z 2 UGB anzuwenden ist. Insoferne kommt es zu keinem Unterschied zwischen der steuerlichen und unternehmensrechtlichen Bemessungsgrundlage bzw führt die Steuerbefreiung gemäß § 124b Z 365 EStG zu einer permanenten Differenz. Hingegen wären latente Steuern jedenfalls dann zu bilanzieren, wenn etwa steuerlich eine andere Nutzungsdauer oder Abschreibungsmethode (zB degressive AfA, siehe dazu gleich) zur Anwendung käme als in der UGB-Bilanz.

Degressive Abschreibungen

Im Ertragsteuerrecht besteht nunmehr die Möglichkeit, für bestimmte nach dem 30.6.2020 angeschaffte bzw hergestellte Wirtschaftsgüter einer degressive AfA iHv von bis zu 30 % der jeweiligen AHK bzw Restbuchwerte geltend zu machen, woraus jährlich sinkende AfA-Beträge resultieren. Der einmal gewählte Abschreibungsprozentsatz ist grundsätzlich auch in den Folgejahren beizubehalten bzw auf die Restbuchwerte anzuwenden. Ein einmaliger Wechsel von der degressiven zur linearen Abschreibung kann allerdings - mit Beginn eines Wirtschaftsjahres - vorgenommen werden. Ein Wechsel bzw die Rückkehr von der linearen zur degressiven Abschreibung ist hingegen nicht zulässig (§ 7 Abs 1a EStG idF KonStG 2020, BGBl I Nr. 96/2020; siehe dazu im Detail auch unseren NL-Beitrag „CORONAVIRUS | KonStG bringt Steuervorteile für Unternehmen und Private​​​​​​​“ vom 7.7.2020). 

Zwischenzeitig wurde auch gesetzlich klargestellt, dass jedenfalls für bis zum 31.12.2021 angeschaffte bzw hergestellte Wirtschaftsgüter steuerlich eine degressive AfA ungeachtet der unternehmensrechtlichen Abschreibungen geltend gemacht werden kann und somit keine Maßgeblichkeit der UGB-Bilanz für die Steuerbilanz zu beachten ist (§ 124b Z 356 EStG idF COVID-19-StMG, BGBl I Nr. 3/2021). 

Im Unternehmensrecht ist grundsätzlich das Stetigkeitsgebot zu beachten, sodass für gleichartige Vermögensgegenstände eine „Umstellung“ von der linearen auf eine degressive Abschreibung nicht unproblematisch erscheint. Gemäß § 204 Abs 1 UGB sind die Anschaffungs- oder Herstellungskosten, deren Nutzung zeitlich begrenzt ist, einer „planmäßigenAbschreibung zu unterziehen. Der Plan muss die AHK auf jene Geschäftsjahre verteilen, in denen das Anlagegut voraussichtlich wirtschaftlich genutzt werden kann. Im Sinne eines sohin gebotenen Abschreibungsplans ist die lineare Abschreibung in der unternehmensrechtlichen Rechnungslegungspraxis die wohl gängigste Methode.  Das UGB läßt jedoch grundsätzlich auch andere Abschreibungsmethoden, etwa auch eine degressive AfA, zu, soferne dies den betriebswirtschaftlichen Gegebenheiten gerecht wird und einem realistischen Wertverzehr entspricht (so erleiden etwa PKW idR in den ersten Jahren tatsächlich einen höheren Wertverlust als in den Folgejahren).   

Daraus ergibt sich, dass nur im Falle einer Anwendung unterschiedlicher Abschreibungsmethoden im Steuer- und Unternehmensrecht für die daraus resultierenden Bilanzabweichungen latente Steuern zu bilden sind.

Beschleunigte Gebäudeabschreibungen

Für Gebäude, die nach dem 30.6.2020 angeschafft bzw hergestellt wurden, darf laut Steuerrecht zwar keine degressive AfA, jedoch eine „beschleunigte“ Abschreibung dergestalt vorgenommen werden, dass im ersten AfA-Jahr – ohne Anwendung der Halbjahresregelung - höchstens das Dreifache (max. 7,5 % bzw 4,5 %) und im darauffolgenden Jahr höchstens das Zweifache (max. 5 % bzw 3 %) des regulären Gebäude-AfA-Prozentsatzes (der ohne Nachweis der Nutzungsdauer nach Steuerrecht bekanntlich bis zu 2,5 % bzw 1,5 % beträgt) geltend gemacht werden kann. Ab dem dritten Wirtschaftsjahr kommen wieder die Normalsätze zur Anwendung (§ 8 Abs 1a EStG idF KonStG 2020, BGBl I Nr. 96/2020; siehe auch dazu bereits unseren NL-Beitrag „CORONAVIRUS | KonStG bringt Steuervorteile für Unternehmen und Private“ vom 7.7.2020). 

Die sohin beschleunigten Gebäudeabschreibungen können im Ergebnis also eine Verkürzung der Abschreibungsdauer um bis zu drei Jahre bewirken. Die Verträglichkeit mit dem unternehmensrechtlichen Abschreibungsplan iS § 204 UGB wird im Einzelfall zu prüfen sein (zu den Grundsätzen siehe oben). Im Unternehmensrecht findet sich jedenfalls keine vergleichbare Bestimmung im Sinne einer beschleunigten Gebäudeabschreibung in den ersten Nutzungsjahren. Es ist daher grundsätzlich von einer linearen Abschreibung auszugehen, zumal die Nutzung von Gebäuden zeitlich begrenzt ist und die AHK im Wege planmäßiger Abschreibungen über die Geschäftsjahre der (voraussichtlichen) wirtschaftlichen Nutzung zu verteilen sind. 

Anders als bei der degressiven AfA finden sich zur beschleunigten Gebäude-AfA im Einkommensteuergesetz jedoch keine Aussagen zur Frage der Geltung oder Nichtanwendbarkeit der Maßgeblichkeit der unternehmensrechtlichen Abschreibung für die steuerliche Geltendmachung (auch der dzt Begutachtungsentwurf zum EStR-Wartungserlass 2021 enthält diesbezüglich keine wünschenswerten Klarstellungen). 

Kommt die Methode der neuen beschleunigten Gebäudeabschreibung nur steuerlich zur Anwendung und führt dies im Vergleich zu den unternehmensrechtlichen planmäßigen Abschreibungen im Ergebnis zu einer Differenz bei den Gebäudebuchwerten zwischen UGB- und Steuerbilanz, so müssen im Jahresabschluss hiefür entsprechende latente Steuern gebildet werden.

Verlustrücktrag

Ebenfalls mit dem Konjunkturstärkungsgesetz 2020 eingeführt wurde in Österreich erstmals ein sog. „Verlustrücktrag“, wonach insbesondere für coronabedingte Verluste im Jahr 2020 (bzw in einem abweichenden Wirtschaftsjahr 2020/21) unter bestimmten Voraussetzungen – jedoch betraglich und zeitlich befristet - eine Verlustverrechnung mit maximal zwei vorangegangenen Gewinnjahren beantragt werden kann. Die Idee dahinter ist, dass durch die daraus resultierende Ergebnisglättung die steuerlichen Folgen der COVID-19-Krise besser abgefedert werden sollen. Aufgrund der zeitlichen Befristung der Verlustrücktragsregelungen wurden diese im Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz jeweils in den Übergangsbestimmungen angesiedelt (§ 124b Z 355 EStG sowie § 26c Z 76 KStG). Siehe dazu im Detail unseren ausführlichen NL-Beitrag „CORONAVIRUS | Liquiditätsvorteile durch Verlustrücktrag!“ vom 1.10.2020. 

Bezüglich der hier interessierenden latenten Steuern ist zu beachten, dass es durch eine vorgezogene Verlustverrechnung mit vorangegangenen Gewinnjahren einerseits zu Steuergutschriften bzw -rückzahlungen für die Vorjahre und andererseits zu einer entsprechenden Veränderung der steuerlichen Verlustvorträge kommt. Für letztere dürfen bekanntlich unter bestimmten Voraussetzungen („überzeugende substantielle Hinweise“ durch entsprechend vorsichtige Steuerplanungsrechnung) auch aktive latente Steuern im Jahresabschluss gebildet werden (§ 198 Abs 9 UGB). Die aus dem Verlustrücktrag resultierenden Änderungen (Erhöhungen) der erst in späteren Gewinnjahren verrechenbaren Verlustvorträge aus Vorjahren werden auch zu einer entsprechenden Korrektur der aktiven Steuerlatenz führen.

FAZIT

Die nachfolgende Übersicht soll nochmals die Auswirkungen der COVID-19-Fördermaßnahmen auf die ggfs für daraus resultierende Bilanzabweichungen zu bildenden latenten Steuern auf einen Blick zeigen:

  

Für Fragen und Unterstützung zur Thematik der latenten Steuern bzw auch zu anderen COVID-19- und sonstigen Bilanzierungsthemen stehen Ihnen die Verfasserinnen sowie auch die übrigen ExpertInnen unserer Service Line „Audit“ bzw auch die Service Line "Corporate Tax" gerne zur Verfügung.

Aktuelle Informationen zu verschiedenen COVID-19-Themen gibt es auch im Rahmen unserer laufenden Webinare.

Alle bisherigen Newsletter-Beiträge zum Themenschwerpunkt „CORONAVIRUS“ finden Sie HIER​​​​​​​.