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BILANZSTEUERRECHT | Bilanzberichtigung jetzt auch bei Verjährung!

Handl Renate  |  Tausch Hubert

Unrichtige Bilanzansätze und ihre steuerwirksame Korrektur sind in der Praxis von großer Bedeutung. Zum Jahresende dürfen wir Sie über eine heuer erfolgte Gesetzesänderung in diesem Bereich informieren.

Rechtslage bis 2012

Eine steuerliche "Bilanzberichtigung" ist zwingend vorzunehmen, wenn die beim Finanzamt eingereichte Bilanz nicht den allgemeinen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) oder den zwingenden steuerrechtlichen Vorschriften entspricht (zB Aktivierungspflicht, AfA-Sätze etc). Unabhängig davon, ob bereits eine Verjährung eingetreten war oder nicht, hatte bis dato stets eine "Berichtigung an der Wurzel", dh im fehlerhaften Jahr, zu erfolgen.

Die ertragsteuerrechtliche Bilanzberichtigung war daher bisher nach Gesetz (§ 4 EStG) und Rechtsprechung (VwGH) - von den Grundprinzipien einer Berichtigung an der Wurzel, dem formellen Bilanzzusammenhang und der periodenrichtigen Gewinnermittlung geprägt. Demgegenüber wurde dem Prinzip der richtigen Totalgewinnbesteuerung (Besteuerung über mehrere Perioden hinweg) in Österreich - anders als etwa in Deutschland - weniger Bedeutung beigemessen. Blieb eine Bilanzberichtigung infolge bereits eingetretener Verjährung abgabenrechtlich ohne Wirkung, konnte es somit im Ergebnis zu einer Doppelbesteuerung oder Doppelnichtbesteuerung kommen.

Die zwischenzeitig in das Verfahrensrecht aufgenommene allgemeine Bescheidberichtigungsvorschrift gemäß § 293c BAO wurde rasch wieder verworfen und war daher nur im Zeitraum vom 1.9.2011 bis 31.12.2012 in Geltung (siehe dazu unseren NL-Beitrag vom 21.6.2011 "VERFAHRENSRECHT - NEU: Rückwirkende Bescheidberichtigungen"). 

Neue Rechtslage ab 2013

Mit Wirkung ab 1.1.2013 wurden die ertragsteuerlichen Regelungen zur Bilanzberichtigung erweitert. Sinn und Zweck der neuen Bestimmungen in § 4 Abs 2 Z 2 EStG idF AbgÄG 2012 ist es, bei periodenübergreifenden Fehlern der richtigen Totalgewinnbesteuerung mehr Bedeutung beizumessen:
 
Nunmehr kann im Falle einer auf Grund bereits eingetretener Verjährung steuerlich nicht mehr wirksamen Bilanzberichtigung zur Gewährleistung eines richtigen Totalgewinns von Amts wegen oder auf Antrag eine Fehlerberichtigung durch entsprechende Zu- oder Abschläge im ersten noch nicht verjährten Veranlagungsjahr vorgenommen werden, soferne der oder die Fehler noch steuerliche Auswirkungen auf den nicht verjährten Anschlusszeitraum haben.

Das Wesen einer "Bilanzberichtigung" bleibt somit auch nach der neuen Rechtslage unverändert, und sie ist auch wie bisher stets "an der Wurzel" vorzunehmen. Wäre die Berichtigung jedoch nur aufgrund bereits eingetretener Verjährung nicht mehr steuerwirksam, so kann es in den Folgejahren zu steuerwirksamen Zu- oder Abschlägen kommen. Die neue Bestimmung ist daher nur anzuwenden, wenn es ausschließlich aufgrund Verjährung nicht zu einer steuerwirksamen neuen Festsetzung kommen kann, d.h. es muss jedenfalls ein Verfahrenstitel zur Rechtskraftdurchbrechung des zu berichtigenden Veranlagungsjahres vorliegen (insb. Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO).

Der Anwendung der neuen Bestimmung steht grundsätzlich auch die bereits eingetretene absolute Verjährungsfrist (10 Jahre) nicht entgegen. Aufgrund des verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutzes ist die neue Vorschrift (welche ja 2013 in Kraft getreten ist) jedoch nur auf Fehler anwendbar, welche ab 2003 aufgetreten sind. Zudem handelt es sich um eine Kann-Bestimmung (Ermessensübung). Demnach sollte es im Falle von nur geringfügigen steuerlichen Auswirkungen zu keinem Ansatz von Zu- oder Abschlägen kommen bzw müssen die steuerlichen Auswirkungen um so größer sein, je länger der Fehler in die Vergangenheit zurückreicht, um den Ansatz von Zu- oder Abschlägen zu rechtfertigen.

Anwendungsfälle

Da die gegenständliche Bilanzberichtigung mittels nachträglicher Zu- und Abschläge steuerliche Auswirkungen auch noch in den Folgejahren voraussetzt, kommt diese Berichtigungstechnik insbesondere in folgenden Fällen zur Anwendung:

  • Nicht-Aktivierung von Herstellungsaufwand, Aktivierung von Erhaltungsaufwand

  • Falsche Nutzungsdauer für Ermittlung der AfA

  • Falsche oder unterlassene Rückstellungsbildung

  • Falsche oder unterlassene Teilwertab- oder Zuschreibungen auf Beteiligungen

 

Verfahrensrechtliche Hinweise

Für ab 2013 (und auch für vergangene Jahre) vorzunehmende Bilanzberichtigungen ist verfahrensrechtlich wie folgt vorzugehen:

  • noch nicht veranlagt: Berichtigte Erklärung

  • veranlagt aber noch nicht rechtskräftig: Rechtsmittelverfahren

  • rechtskräftig veranlagt: Verfahrenstitel zur Rechtskraftdurchbrechung, wobei gilt:
  • Berichtigungsjahr noch nicht verjährt: Steuerwirksamkeit im Berichtigungsjahr (reguläre Bilanzberichtigung)

  • Berichtigungsjahr bereits verjährt: Wenn der Fehler ein Jahr ab 2003 betrifft und noch steuerliche Auswirkungen haben kann: Zu- oder Abschläge im ersten nicht verjährten Jahr (Hinweis: ist dieses Jahr bereits rechtskräftig veranlagt, so stellt die Nicht-Berücksichtigung der Zu- oder Abschläge eine "offensichtliche Unrichtigkeit" iS § 293b BAO und damit einen tauglichen Verfahrenstitel zur Rechtskraftdurchbrechung dar);

 

Beispiel

Im bereits verjährten und rechtskräftig veranlagten Jahr 2006 wurde ein (zumindest steuerlich aktivierungspflichtiger) Herstellungsaufwand in Höhe von 100.000 EUR (Nutzungsdauer 10 Jahre) sofort abgesetzt. Richtig wäre daher eine Aktivierung in 2006 und eine AfA über 10 Jahre in Höhe von jährlich 10.000 EUR. Im Jahr 2014 greift die laufende Außenprüfung (BP-Zeitraum 2010 bis 2012) diesen Sachverhalt auf. Unter der Voraussetzung, dass ein Verfahrenstitel zur Rechtskraftdurchbrechung der Veranlagung 2006 vorliegt, ergeben sich folgende Korrekturen (unter der Annahme, dass die Zeiträume bis 2007 bereits verjährt sind):



Zusammenfassung

Die steuerliche Bilanzberichtigung für Zwecke der Einkommen- und Körperschaftsteuer ist grundsätzlich ungeachtet einer Berichtigung der UGB-Bilanz (Jahresabschluss) vorzunehmen, dh ggfs auch außerbücherlich im Wege der steuerlichen Mehr-Weniger-Rechnung.

Die Steuerwirksamkeit und Technik einer Bilanzberichtigung für noch nicht verjährte Zeiträume erfolgt wie bisher auch weiterhin periodenrichtig. Neu ist hingegen ab 2013, dass unter den obgenannten Voraussetzungen auch eine Bilanzberichtigung für bereits verjährte Zeiträume, diesfalls mit periodenfremder Steuerwirksamkeit, möglich ist. Liegen die Voraussetzungen hingegen nicht vor, so hat eine vorzunehmende Bilanzberichtigung auch nach der neuen Rechtslage keine abgabenrechtlichen Auswirkungen.

Für Rückfragen stehen Ihnen die Verfasser sowie die übrigen Berater der ICON gerne zur Verfügung!