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BILANZSTEUERRECHT | Drohverlustrückstellungen für Mietverträge?

Um mit steuerlicher Wirkung eine sog. Drohverlustrückstellung (Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften gemäß § 9 Abs 1 Z 4 EStG) bilden zu können, müssen die relativ strengen Voraussetzungen des § 9 Abs 3 EStG erfüllt sein. Darunter fällt insbesondere der Nachweis des Bestehens konkreter Umstände,  wonach im jeweiligen Einzelfall mit dem Vorliegen oder Entstehen eines Verlustes ernsthaft zu rechnen ist. Im Falle von schwebenden Geschäften manifestiert sich ein solcher rückstellungsfähiger Verlust in der Unausgewogenheit von Leistung und Gegenleistung. In einem aktuellen Rechtsmittelverfahren hatte der VwGH zu entscheiden, ob die Bildung von Drohverlustrückstellungen aus bestehenden Mietverträgen zulässig ist, wenn aus den vertragsgegenständlichen Mietobjekten lediglich nicht ausreichende Deckungsbeiträge zur Begleichung der Mietzinszahlungen resultieren.
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​​​​​​​Gesetzliche Regelungen zu Drohverlustrückstellungen


Nach Unternehmensrecht sind Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten und für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften zwingend zu bilden, wenn sie am Abschlussstichtag wahrscheinlich oder sicher, aber hinsichtlich ihrer Höhe oder des Eintrittszeitpunktes unbestimmt sind (§ 198 Abs 8 Z 1 UGB). Hinsichtlich der betraglichen Höhe sieht § 211 Abs 1 zweiter Satz UGB vor, dass Rückstellungen grundsätzlich mit dem „Erfüllungsbetrag“ anzusetzen sind, der bestmöglich zu schätzen ist.  

Im Ertragsteuerrecht normiert § 9 Abs 1 Z 4 EStG, dass für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften Rückstellungen gebildet werden können. Somit besteht nach steuerlichen Vorschriften grundsätzlich ein Wahlrecht für die Bildung von Drohverlustrückstellungen. Jedoch bewirkt das Maßgeblichkeitsprinzip für rechnungslegungspflichtige Unternehmen (Gewinnermittlung gemäß § 5 EStG) auch steuerlich eine Verpflichtung zur Dotierung von Drohverlustrückstellungen.

Die steuerwirksame Bildung von Rückstellungen ist gemäß § 9 Abs 3 EStG nur dann zulässig, wenn konkrete Umstände nachgewiesen werden können, nach denen im jeweiligen Einzelfall mit dem Vorliegen oder Entstehen einer Verbindlichkeit bzw eines Verlustes ernsthaft zu rechnen ist. Im Falle einer Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften muss daher eine nachgewiesene Unausgewogenheit zwischen Leistung und Gegenleistung vorliegen. Die Finanzverwaltung führt als Beispiel für eine zulässige Drohverlustrückstellung iZm Mietzinszahlungen an, dass ein Vermieter selbst eine höhere Miete zu bezahlen hat als jene, die er einem Untervermieter weiterverrechnen kann (sog. „Mietmehrkosten“ iS Rz 3490 EStR). Pauschalrückstellungen sind bei GoB-Konformität iSd § 201 Abs 2 Z 7 UGB zulässig, wobei derartige Pauschalvorsorgen für Verbindlichkeitsrückstellungen nunmehr auch steuerlich anerkannt werden (§ 9 Abs 3 EStG idF COVID-19-StMG, BGBl I 2021/3, für Wirtschaftsjahre beginnend ab 1.1.2021). Demgegenüber werden Pauschalvorsorgen für Drohverlustrückstellungen steuerlich auch weiterhin NICHT anerkannt.
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Rechtsmittelverfahren vor dem VwGH


Sachverhalt

Die Revisionswerberin (§ 5-Ermittler) ist im Bereich des Lebensmitteleinzelhandels tätig und bildete Rückstellungen für drohende Verluste aus Mietverträgen (für Zeiträume ohne Kündigungsmöglichkeit). Dabei wurden Drohverlustrückstellungen einerseits für (weiter)laufende Mietzahlungen für Filialen gebildet, die einen negativen Deckungsbeitrag erwirtschafteten (variable Kosten höher als Erlöse) und daraufhin geschlossen wurden. Andererseits wurden darüber hinaus auch Rückstellungen für jene fortgeführten Filialen gebildet, bei denen die Deckungsbeiträge nicht für die Begleichung der Mietzahlungen ausreichten (Verlustfilialen).

Die Rückstellungsbildung für weiterbetriebene Filialen könne aus Sicht der Revisionswerberin durch nicht kostendeckende Deckungsbeiträge der betreffenden Standorte argumentiert bzw nachgewiesen werden. Demnach habe sich durch externe Faktoren (wie etwa Erreichbarkeit, Kundenfrequenz und Konkurrenzsituation) in Verbindung mit nicht kündbaren Bestandsverträgen eine Reihe von Filialen ergeben, bei denen der Deckungsbeitrag nicht zur Begleichung der Mietzahlungen ausreichte (Verlustfilialen).

Im Zuge einer Außenprüfung wurden nur jene Teile der Drohverlustrückstellungen steuerlich anerkannt, bei denen die Filialen bereits geschlossen und weiterhin Mietzahlungen zu leisten waren. Hingegen sei bei den übrigen Drohverlustrückstellungen nach Ansicht der Finanzverwaltung keine konkrete Zuordnung der Verluste zu den Mietverträgen gegeben, weshalb die Rückstellungbildung insoweit steuerlich nicht anerkannt wurde.

Die Revisionswerberin erhob daraufhin Beschwerde beim Bundesfinanzgericht (BFG) und führte aus, dass die Marktmiete der betroffenen Filialen gesunken sei, sie aber dennoch an höhere vertragliche Mieten gebunden ist. Das BFG wies die Beschwerde als unbegründet ab und führte im Wesentlichen aus, dass die vertragliche Bindung der Revisionswerberin an die Mietverträge lediglich ein allgemeines Geschäftsrisiko darstelle und eine steuerliche Rückstellungsbildung daher unzulässig sei. Die Dotierung einer Drohverlustrückstellung sei laut BFG daher bereits dem Grunde nach nicht möglich.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde als zulässig erachtet, da diesbezüglich noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorlag:
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​​​​​​​Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH vom 7.4.2022, Ro 2021/13/0009)

In seinen Erwägungen führt der VwGH einmal mehr aus, dass bei der Bildung von Drohverlustrückstellungen konkrete Umstände nachzuweisen sind, nach denen mit dem Entstehen eines Verlustes ernsthaft zu rechnen ist. Dabei darf eine Gleichwertigkeit der Leistungen nicht mehr gegeben sein. Für diese Beurteilung sind die Verhältnisse am Bilanzstichtag maßgeblich, wobei grundsätzlich jedes einzelne schwebende Geschäft für sich auf die mögliche Bildung einer Drohverlustrückstellung zu überprüfen ist.

Der VwGH bejaht (in Anlehnung an die deutsche Judikatur) sehr wohl die Bildung von Drohverlustrückstellungen bei Mietverträgen, wenn das Mietobjekt im Betrieb nicht mehr genutzt werden kann (zB auch bei einer Stilllegung von Betriebsteilen), aber weiterhin ein aufrechtes Mietverhältnis besteht.

Nach Ansicht des Höchstgerichts liegt aufgrund der weiterhin bestehenden (vollständigen) Verwendung der Mietobjekte ein unveränderter Nutzen der Revisionswerberin aus den Mietverträgen vor. Es sei nicht erkennbar, dass eine Reduktion des Wertes des Sachleistungsanspruches der Gesellschaft, welcher bei Ermittlung einer Drohverlustrückstellung der Zahlungspflicht (Mietzins) gegenüberzustellen wäre, eingetreten ist. Somit liegen keine konkreten Umstände vor, die nachweisen können, dass eine Gleichwertigkeit der Leistungen aus den Mietverhältnissen nicht mehr gegeben ist. Folglich dürfen diese Drohverlustrückstellungen steuerlich NICHT gebildet werden. Die Revision wurde somit als unbegründet abgewiesen.
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FAZIT


Wie sich im oben skizzierten Rechtsmittelfall zeigte, müssen die Voraussetzungen für die Bildung von Drohverlustrückstellungen auch in Zusammenhang mit Bestandsverhältnissen eindeutig erfüllt bzw belegt sein. Im Falle des Absinkens der Marktmiete und der Bindung an eine höhere Miete durch einen Mietvertrag besteht die Gegenleistung zur Mietzinszahlungspflicht im Sachleistungsanspruch des Mieters (dh in der Nutzung des Mietgegenstandes). Um den strengen Voraussetzungen des § 9 Abs 3 EStG gerecht zu werden, muss nachgewiesen werden können, dass eine Reduktion des Wertes dieses Sachleistungsanspruches vorliegt.

Das allgemeine Geschäftsrisiko (zB auch schlechte Standortqualität) ist hingegen NICHT rückstellungsfähig.

Für weitergehende Fragen und Unterstützung zu dieser Thematik stehen Ihnen die Verfasser dieses Beitrages sowie auch die übrigen MitarbeiterInnen unserer Service Line „Corporate Tax​​​​​​​ gerne zur Verfügung!