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BREXIT | Auswirkungen des Handelsabkommens auf Umsatzsteuer und Zoll

Am 24.12.2020 geschah eine Art „Weihnachtswunder“, zumal sich die Europäische Union und das ausscheidende Großbritannien doch noch auf ein Handels- und Kooperationsabkommen einigen und somit einen harten wirtschaftlichen Bruch buchstäblich in letzter Minute abwenden konnten. Das Abkommen findet in der EU seit 1.1.2021 vorläufige Anwendung, bis die internen formellen Rechtssetzungsverfahren abgeschlossen sind. Wenngleich dieses Abkommen den Handel zwischen der EU und Großbritannien unter gewissen Voraussetzungen ohne Zölle und Beschränkungen ermöglicht, so sind seit Jahresbeginn dennoch Zollformalitäten zu beachten. Im folgenden Beitrag möchten wir Sie kompakt darüber informieren, was Sie hinsichtlich umsatzsteuerlicher und zollrechtlicher Themen für die unternehmerische Tätigkeit in bzw mit Großbritannien seit 1.1.2021 jedenfalls wissen und beachten sollten.

Über den sog. „BREXIT“ und die daraus resultierenden steuerlichen Konsequenzen haben wir im Rahmen unseres Newsletters bereits mehrmals informiert und dabei auch schon konkrete Themen der Bereiche Umsatzsteuer und Zoll angesprochen (vgl zuletzt unseren NL-Beitrag  „BREXIT | Änderungen bei Umsatzsteuer & Zoll ab 1.1.2021“ vom 18.11.2020). Damals war allerdings ungewiss, ob noch rechtzeitig vor Ende des vereinbarten Übergangszeitraums ein Handelsabkommen zustande kommen wird. 

Großbritannien hat mit dem Auslaufen der im Austrittsabkommen vereinbarten Übergangsphase am 31.12.2020 nun endgültig den EU-Binnenmarkt und die Zollunion verlassen. Dies bedeutet, dass Großbritannien aus umsatzsteuerlicher Sicht seit 1.1.2021 Drittlandstatus hat und aufgrund des Ausscheidens aus der Zollunion jedenfalls auch Zollformalitäten zu beachten sind. 

Klarstellungen zur Umsatzsteuer 

Durch die Einigung auf ein Handelsabkommen haben sich im Bereich der Umsatzsteuer keine Änderungen im Vergleich zu den im Austrittsabkommen vereinbarten Regelungen ergeben. Dennoch möchten wir nochmals kurz die wesentlichen Punkte zusammenfassen: 

Grenzüberschreitende Warenlieferungen 

Da Großbritannien seit 1.1.2021 nicht mehr Teil des EU-Binnenmarktes ist, handelt es sich bei grenzüberschreitenden Warenlieferungen zwischen Großbritannien und einem EU-Mitgliedstaat um keine steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferungen mehr. Vielmehr stellt eine solche Lieferung bei Erfüllung gewisser Voraussetzungen (insbesondere Vorlage der Ausfuhrnachweise) im Abgangsland eine steuerbefreite Ausfuhrlieferung dar und unterliegt im Bestimmungsland der Einfuhrumsatzsteuer

Sonderstatus Nordirland 

Wie bereits im Austrittsabkommen (Nordirland-Protokoll) vereinbart, hat Nordirland mit 1.1.2021 einen Sonderstatus erlangt. Nordirland (britisches Staatsgebiet) ist zwar grundsätzlich nicht mehr Teil des europäischen Binnenmarktes und auch nicht mehr Teil der Zollunion der EU. Was jedoch den Warenverkehr anbelangt, wird Nordirland auch in Zukunft wie ein EU-Mitgliedstaat behandelt. Dies bedeutet, dass Warenbewegungen zwischen einem EU-Mitgliedstaat und Nordirland weiterhininnergemeinschaftlicheLieferungen darstellen und demgemäß auch die Bestimmungen der EU-Mehrwertsteuersystem-Richtlinie für Reihengeschäfte und Dreiecksgeschäfte zur Anwendung kommen können. 

Um den mit innergemeinschaftlichen Lieferungen zusammenhängenden Meldeverpflichtungen nachkommen zu können, werden eigens für Nordirland gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummern mit dem Länderpräfix XI“ zugeteilt. Die Validierung dieser UID-Nummer für Nordirland ist auch weiterhin über VIES (bzw FinanzOnline) möglich. Sofern bereits eine umsatzsteuerliche Registrierung in Großbritannien vorliegt, ist der britischen Behörde mitzuteilen, dass Warenbewegungen zwischen der EU und Nordirland stattfinden und die UID-Nummer mit dem Länderpräfix „XI“ (statt GB) freigeschaltet wird. 

Werklieferungen/Montagelieferungen 

Zur korrekten Fakturierung von Werkliefer- bzw Montagelieferaufträgen hatten wir bereits ausführlich in unserem NL-Beitrag  „BREXIT | Änderungen bei Umsatzsteuer & Zoll ab 1.1.2021“ vom 18.11.2020 berichtet. Wir möchten jedoch hier nochmals darauf hinweisen, dass im Zusammenhang mit der Verbringung von Waren zur Ausführung von Werklieferaufträgen nach Großbritannien vor allem auch die zollrechtlichen Aspekte zu beachten sind. 

UID-Nummern 

Die britischen UID-Nummern sind seit 1.1.2021 NICHT mehr über VIES (MIAS) bzw FinanzOnline überprüfbar. Sofern der Unternehmerstatus britischer Unternehmer nachgewiesen werden muss (etwa im Zusammenhang mit der Erbringung von B2B-Grundregelleistungen), muss auf Alternativnachweise (z.B. Certificate of Registration) zurückgegriffen werden. 

Vorsteuererstattung 

Da es sich bei der Frist für die isolierte Vorsteuererstattung um eine nicht verlängerbare Fallfrist handelt und die im Austrittsabkommen festgelegte Frist von der üblichen Sechsmonatsfrist für die Vorsteuererstattung in Drittstaaten (vgl dazu unseren NL-Beitrag „VORSTEUERERSTATTUNG | Liquidität und Fallfristen (30.6./30.9.2020)!“ vom 19.4.2020) abweicht, möchten wir nochmals ausdrücklich darauf hinweisen, dass die Frist für die Beantragung britischer Vorsteuern für das Kalenderjahr 2020 bereits am 31.3.2021 endet. Vorsteuererstattungsanträge an Großbritannien sollten daher ehestmöglich gestellt werden. 

Zollrechtliche Auswirkungen 

Anfang Dezember v. J. schien es noch schier unmöglich, und doch haben sich die Brexit-Unterhändler am 24.12.2020 noch auf ein Handels- und Kooperationsabkommen geeinigt. Einen wesentlichen Teil stellt dabei das Freihandelsabkommen dar. Ein verbreiteter Irrglaube ist allerdings, dass durch den Abschluss eines Abkommens der Handel zwischen Großbritannien und den EU-Mitgliedstaaten ungehindert ohne Zollabwicklung weitergeführt werden könnte. Doch dies galt nur während der vereinbarten Übergangsphase bis 31.12.2020, zumal Großbritannien bis dahin noch wie ein Teil des Binnenmarktes und der Zollunion behandelt wurde. Seit 1.1.2021 ist Großbritannien hingegen nicht mehr Teil der Zollunion, weshalb trotz des Abkommens Zollgrenzen zwischen Großbritannien und der EU bestehen und somit auch Zollformalitäten zu beachten sind. Dies bedeutet insbesondere, dass Zollanmeldungen (Einfuhr- und Ausfuhranmeldungen) zu erfolgen haben und für den Warenverkehr Grenzkontrollen vorgesehen sind. 

Auf EU-Seite sind seit 1.1.2021 sämtliche Zollformalitäten analog zum Warenverkehr mit anderen Drittstaaten einzuhalten. Auf britischer Seite wird die Zollabwicklung hingegen schrittweise umgestellt, und die vollständigen Zollformalitäten dürften nach derzeitigem Stand erst für Warenbewegungen ab der zweiten Jahreshälfte 2021 zu beachten sein. 

Zollbefreiungen 

Wesentlicher Teil des Freihandelsabkommens ist die Befreiung von Einfuhrzöllen für Waren, die ihren präferenziellen Ursprung im jeweils anderen Gebiet haben. Die Zollbefreiung gilt somit nicht uneingeschränkt und ohne jegliche Bedingungen, sondern kommt nur in Betracht, wenn die Waren nachweislich die jeweiligen Ursprungsregelungen erfüllen. 

Da für die Berufung auf die Zollbefreiung somit der nachweisliche Warenursprung des jeweils anderen Gebietes vorausgesetzt wird, sind die produktspezifischen Regelungen zur Definition des Warenursprungs des Freihandelsabkommens zu beachten. Die Ursprungsregelungen basieren dabei auf den jüngsten Abkommen der EU, wie beispielsweise den Abkommen zwischen der EU und Japan sowie Kanada. 

Ein zollamtlich bestätigter Präferenznachweis ist nach dem Abkommen nicht vorgesehen. Unternehmen, die als zollrechtlicher Ausführer auftreten, müssen eine Erklärung zum Ursprung der Waren abgeben, und für diese Erklärung ist gemäß Abkommen ein bestimmter Wortlaut vorgesehen. Dies verlangt von den Unternehmen, sich auch mit dem Präferenzrecht auseinanderzusetzen. Die Ausführer von Waren müssen die Erklärung zum Ursprung auf Grundlage von Angaben ausfertigen, die den Ursprung des Erzeugnisses belegen. Dies schließt auch Angaben zur Ursprungseigenschaft von Vormaterialen ein, die zur Herstellung eines Produktes verwendet werden, was seitens der Lieferanten grundsätzlich in Form von Lieferantenerklärungen nachzuweisen ist. 

Da die Einigung über das Abkommen jedoch erst sehr knapp vor Jahresende zustande kam, hat die EU im Rahmen einer Durchführungsverordnung einen Übergangszeitraum festgelegt, der es Ausführern während dieses Zeitraumes gestattet, eine Erklärung zum Ursprung der Waren auf Grundlage der Lieferantenerklärungen auszufertigen, auch wenn diese zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorliegen. Der Lieferant hat die Lieferantenerklärung sodann bis spätestens 31.12.2021 nachzureichen. Befindet sich die Lieferantenerklärung bis dahin noch immer nicht in Besitz des Ausführers, so hat der Ausführer diesen Umstand dem Einführer bis spätestens 31.1.2022 mitzuteilen. 

EORI-Nummern 

Sollten Sie als österreichisches Unternehmen Importabwicklungen in Großbritannien vorzunehmen haben, wird eine britische EORI-Nummer benötigt. Eine solche britische EORI-Nummer kann unter diesem LINK beantragt werden bzw können wir Sie dabei auch gerne unterstützen.

FAZIT

Großbritannien hat am 31.12.2020 den europäischen Binnenmarkt und die Zollunion endgültig verlassen und somit umsatzsteuerlichen Drittlandsstatus erlangt (mit Sonderregelungen für Nordirland). Ungeachtet der „last minute“ erfolgten Einigung auf ein Freihandelsabkommen, sind seit 1.1.2021 Zollformalitäten zu beachten. Eine Zollbefreiung kann nur für Waren mit präferenziellem Ursprung im jeweils anderen Gebiet zur Anwendung kommen, weshalb sich Unternehmer, die als Ausführer von Waren auftreten, nun auch mit dem Präferenzrecht auseinandersetzen und dafür Sorge tragen müssen, dass der Warenursprung nachgewiesen werden kann. 

Für Rückfragen und Unterstützung bei diesen neuen Herausforderungen stehen Ihnen die Verfasser sowie auch die übrigen Ansprechpartner der Service Line "Indirect Tax & Customs"​​​​​​​ gerne zur Verfügung!