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CORONAVIRUS | Handlungsbedarf auch beim Transfer Pricing!

Änderungen der Geschäftstätigkeit haben eine generelle Rückwirkung auf die Verrechnungspreissysteme. Es ist daher dringend anzuraten, auch infolge der aktuellen Covid-19-Pandemie krisenbedingte Verluste, Finanzierungsbeziehungen, Vergütungen für übertragene immaterielle Werte, Rulings sowie die Möglichkeiten der Betriebsstättenbegründung daraufhin zu analysieren, ob ein Handlungsbedarf besteht. Anpassungen der TP-Systeme aufgrund dieser außergewöhnlichen Umstände sollten zeitnah dokumentiert werden. 

Über wesentliche Aspekte der gegenwärtigen Gesundheits- und Wirtschaftskrise im internationalen Steuerrecht haben wir Sie bereits mit unserem NL-Beitrag „CORONAVIRUS | Steuerliche Auswirkungen im internationalen Geschäft“ vom 23.3.2020 informiert. Zu den angesprochenen Kernfragen wurde zwischenzeitig auch ein OECD-Papier veröffentlicht (vgl dazu unseren NL-Beitrag „CORONAVIRUS | OECD zu abkommensrechtlichen Steuerfragen iVm COVID-19“ vom 4.4.2020).

Im nachfolgenden Beitrag wollen wir uns auf wesentliche Aspekte aus Sicht der Verrechnungspreise fokussieren. Aktueller Handlungsbedarf besteht aus steuerlicher Sicht vor allem in folgenden Bereichen:

Betriebsstätten

Die Fremdüblichkeit ist nach § 6 Z 6a EStG auch zwischen Stammhaus und Betriebsstätten zu beachten. Bau- und Montage- und damit zusammenhängende Planungs- und Überwachungstätigkeiten begründen dann eine „Betriebsstätte“ im abkommensrechtlichen Sinne, wenn die im jeweils zur Anwendung kommenden Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) normierte Betriebsstättenfrist überschritten wird. Sollte ein Bau- oder Montageprojekt nur aufgrund der Unterbrechung der Arbeiten in der aktuellen Corona-Krise die DBA-Frist überschreiten, so empfehlen wir, mit der lokalen Finanzverwaltung abzuklären, ob für diesen Sonderfall von der Begründung einer steuerlichen Betriebsstätte ev. abgesehen werden könnte. Wir haben dazu auch beim österreichischen BMF bereits eine entsprechende Anfrage eingebracht. Wenn ein begonnenes Projekt hingegen überhaupt abgebrochen werden muss, ist indes zu prüfen, inwieweit eine De-Registrierung bzw Rückabwicklung möglich ist. 

Die Tätigkeit im „Home Office“ kann nach sechs Monaten ebenfalls zu einer Betriebsstätte des Arbeitgebers führen, wenn bestimmte Rahmenbedingungen erfüllt werden. In dem eingangs erwähnten, am 3.4.2020 veröffentlichten OECD Papier zu abkommensrechtlichen Fragen iZm COVID-19 wird jedoch die Ansicht vertreten, dass ein Home Office dann keine Betriebsstätte begründet, wenn der Mitarbeiter nur wegen der COVID-19-Krise von zuhause aus arbeitet. In diesem Fall fehlt es idR an der Verfügungsmacht des Unternehmens über die Räumlichkeiten sowie auch an der Dauerhaftigkeit. Zudem stellt der Arbeitgeber ja grundsätzlich einen Arbeitsplatz im Unternehmen zur Verfügung, welcher jedoch aufgrund höherer Gewalt vorübergehend nicht genutzt werden kann. 

Krisenbedingte Verluste 

Die OECD-Verrechnungspreisrichtlinien (OECD-VPG 2017) anerkennen, dass vorübergehende Verluste durch die Geschäftsstrategie des Konzerns gerechtfertigt sein können. Hingegen enthalten die OECD-Richtlinien darüber hinaus keine konkreten Aussagen zu krisenbedingten Verlusten. 

Es stellt sich die Frage, welchen Konzerngesellschaften ein Verlust nach dem Fremdvergleichsgrundsatz „zugewiesen“ werden kann und ob die etablierten TP-Systeme die geänderten Marktverhältnisse adäquat abbilden. Grundsätzlich hat jede Konzerneinheit diejenigen Verluste zu tragen, die aus einem ihr zugewiesenen Risiko bzw aus der fehlerhaften Erfüllung einer von der Gesellschaft übernommenen Funktion resultieren. Unbestritten ist, dass dem Strategieträger eine entsprechende Verlusttragungskapazität zukommt. Prinzipiell sind Verluste dem Prinzipal als Träger der wesentlichen Funktionen und Risiken zuzuordnen (zB Abnahmegarantien oder Leerkostenübernahmen für Lohn- und Auftragsfertiger; niedrigere Lieferverrechnungspreise bzw Sonderrabatte gegenüber Vertriebsunternehmen). Hingegen ist die Zuweisung von Verlusten zu einer Routineeinheit nicht selbstverständlich und bedarf einer Analyse im Einzelfall. Ob einem Routineunternehmen jedoch auch in der Krise weiterhin in jedem Fall ein stabiler Gewinnanspruch zustehen soll, ist sicherlich kritisch zu hinterfragen, zumal dadurch der Strategieträger neben dem aufgrund der Wirtschaftslage realisierten Marktverlust einen zusätzlichen TP-Verlust aufgrund der Abgeltung aller Routinefunktionen erleiden würde. Insbesondere wären folgende Anpassungsmaßnahmen zu überlegen: 

  • Die Fremdüblichkeit einer Vergütung wird bei Routineunternehmen vielfach anhand von Datenbankstudien verprobt. Die Auswirkungen der Krise könnten auf Basis des vorhandenen Datenmaterials durch eine Verschiebung zu einem Wert (EBIT-Marge, Gewinnaufschlag) am unteren Ende der Bandbreite berücksichtigt werden. In der Krise ist der Vergleichbarkeitsfaktor „Marktgegebenheiten“ nicht erfüllt, sodass darüber hinaus die Neudurchführung und Anpassung von Datenbankstudien angezeigt sein kann.
  • Es kann dabei angedacht werden, Daten aus früheren Rezessionsperioden (zB Finanzkrise 2008/2009) zu verwenden. Überdies ist zu überlegen, auch Verlustunternehmen oder Unternehmen mit ähnlichen Umsatzrückgängen bzw. Fixkosten/Umsatz-Relationen, welche in Wachstumsjahren mangels Vergleichbarkeit ausgeschieden werden, für Krisenzeiten heranzuziehen.
  • Die Gesellschaft könnte vorübergehend zB auf den vereinbarten Gewinnaufschlag verzichten, während sich der Leisungsempfänger bereit erklärt, für eine etwa gleich lange Zeit nach der Krise einen entsprechend höheren Gewinnaufschlag zu zahlen (Vorteilsausgleich). Eventuell lässt sich dieser höhere Gewinnaufschlag später auch vermeiden, solange über einen längeren Betrachtungszeitraum die Vergütung im Durchschnitt innerhalb der fremdüblichen Bandbreite liegt. Eine zeitnahe schriftliche Dokumentation ist dabei besonders wichtig.
  • Nach dem Konzept des „Residual Loss Split“ könnten Routineunternehmen eine Abgeltung ihrer Routinefunktion erhalten, müssten aber darüber hinaus auch einen Anteil am Residualverlust mittragen. Eine besonders schlüssige Begründung der Aufteilungsfaktoren ist dabei entscheidend.
  • Routineunternehmen könnten mit Funktionen und Risiken angereichert werden. Dabei ist freilich zu bedenken, dass dadurch eine abgeltungspflichtige Funktionsverlagerung eintreten kann. Überdies sind die Folgen einer solchen Struktur nach der Krise zu bedenken. 

Die österreichische Finanzverwaltung steht derartigen Anpassungen kritisch gegenüber und verlangt grundsätzlich die Beibehaltung der vor der Krise ermittelten Werte bzw wird eine Anpassung nur innerhalb der Bandbreite zugestanden. Umso wichtiger ist daher eine sorgfältige Dokumentation (siehe dazu unten). Als Rechtfertigung von krisenbedingten Vertragsänderungen könnte angeführt werden, dass jedes Unternehmen, welches seine Zulieferer oder Abnehmer halten möchte, kurzfristig bereit wäre, Einbußen hinzunehmen. Ein Verzicht auf den maximalen Periodengewinn ist daher gerechtfertigt, wenn damit der Erhalt der Einkunftsquelle gewährleistet ist. Besonders einfache Routineunternehmen mit geringen Funktionen und Risken werden umgekehrt allerdings keine Kontrolle und keine finanzielle Kapazität haben, krisenbedingte Verluste umfassend zu tragen.

Immaterielle Werte   

Insofern Übertragungen von immateriellen Werten auf Zukunftserwartungen im Übertragungszeitpunkt abstellen, ist eine Preisanpassung zu überlegen, wenn die seinerzeitigen Erwartungen infolge der Krise nicht eintreten. Einen diesbezüglichen Hinweis enthalten die OECD-VPG 2017 zu den „schwer zu bewertenden immateriellen Werten“. 

Lizenzgebühren   

Lizenzgebühren werden in der Regel ohnehin an Umsatzerlösen oder Stückzahlen etc bemessen, sodass eine krisenbedingte Reduktion gleichsam „automatisch“ berücksichtigt wird. In bestimmten Situationen kann aber dennoch eine Anpassung der Lizenzvereinbarungen geboten sein.

Konzernfinanzierung   

Nach dem neuen Kapitel X der OECD-VPG 2017 sind die konzerninternen Finanzierungen generell zu überprüfen. 

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache „Hornbach-Baumarkt“
(EuGH-Urteil vom 31.5.2018, C-382-16) dürfen sanierungsbedingte Maßnahmen auch vom Fremdvergleichsgrundsatz abweichen. Im Rahmen einer externen Bankenfinanzierung kann es in der Krise zu höheren Nebengebühren kommen, die allenfalls an verbundene Gesellschaften weiterbelastet werden müssten. Beachten Sie im Rahmen der Konzernfinanzierung insbesondere auch das sog. „Unterkapitalisierungsverhältnis“, welches bei Zinszahlungen in vielen Ländern im übersteigenden Ausmaß zur Nichtabzugsfähigkeit der Aufwendungen führt. In den USA wurde die Zinsschranke in Folge der Corona-Krise indes bereits gelockert (von 30% auf 50% des EBITDA). 

Rulings   

Die Anwendungsvoraussetzungen eines Rulings gemäß § 118 BAO müssen grundsätzlich auch im Rahmen der jährlichen Steuererklärung mitgeteilt werden. Generell ist allerdings bei bilateralen APAs und unilateralen Rulings zu hinterfragen, inwieweit diese im Lichte der nicht eingetretenen Erwartungen anzupassen wären. Es ist hier proaktiv der Kontakt mit den zuständigen Behörden zu suchen. 

Dokumentation

Es ist zu prüfen, ob bestehende Vereinbarungen für Zeiten der Krise ruhend gestellt bzw Verträge neu verhandelt oder gekündigt werden können. Dabei ist zunächst zu hinterfragen, ob solche Maßnahmen in den vorhandenen Verträgen bereits vorgesehen sind. Manche Verträge enthalten (automatische) Anpassungs- oder Kündigungsklauseln. Bietet der Vertrag keine kurzfristige Möglichkeit zur Änderung, so wäre auch ein „Wegfall der Geschäftsgrundlage“ zu prüfen. Jedenfalls kommt aber eine einvernehmlich Vertragsänderung in Betracht, wenn auch fremde Dritte den Vertrag entsprechend modifiziert hätten. 

Es ist auf eine sorgfältige Dokumentation einer solchen Vertragsänderung und deren Beweggründe zu achten. Sammeln Sie Unterlagen zu Ihren Überlegungen und Verhandlungsschritten und ergänzen Sie ihre schriftlichen Verträge. Legen Sie ihre Erwartungen und Entscheidungen im Sinne einer Beweisvorsorge zeitnah und schriftlich dar. Derartige Adaptierungen gelten jedoch grundsätzlich nur für die Dauer der Krise, sodass für die Zeit danach wiederum zeitliche Befristungen, auflösende Bedingungen oder Kündigungsmöglichkeiten in den Vereinbarungen vorzusehen sind.

FAZIT

Die Corona-Krise hat massive Auswirkungen auf die meisten Geschäftsabläufe. Das TP-System stammt aber aus der Zeit vor dieser Krise. Es ist daher unumgänglich, die Verrechnungspreise im Lichte der geänderten Realität zu analysieren, anzupassen und sorgfältig zu dokumentieren. Je besser Sie die aktuellen Umstände der Krise und die daraus resultierenden Entscheidungen dokumentieren, vertraglich regeln und begründen, desto wahrscheinlicher ist es, dass die Finanzverwaltung das krisenbedingte TP-System auch anerkennt. Gerne können wir Sie dabei unterstützen!

 Wir möchten Sie auch noch auf unsere aktuellen WEBINARE hinweisen, die sich insbesondere auch mit Themen derCORONA-Krise“ beschäftigen. Einen Überblick gibt Ihnen unser Veranstaltungskalender

ICON hat eine eigene CoV-Taskforce mit ExpertInnen aus den verschiedenen Service Lines​​​​​​​ zusammengestellt, die für dringende Fragen und Anliegen jederzeit gerne - telefonisch oder per E-Mail – bereitstehen und auch während der Krise unter den üblichen Kontaktdaten erreichbar sind. 

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