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EUROPÄISCHE UNION | Steueroasen werden trocken gelegt!

Auf Grundlage von Schlussfolgerungen des Rates der Europäischen Union (ABl C 64/8 v. 27.2.2020) hat das deutsche BMF Mitte Februar d. J. den Referentenentwurf für ein „Steueroasen-Abwehrgesetz“ (StAbwG) veröffentlicht. Ziel dieses neuen Gesetzes soll es sein, Staaten und Gebiete, die internationale Standards im Steuerbereich nicht erfüllen, durch entsprechende innerstaatliche Abwehrmaßnahmen zu disziplinieren, indem in Deutschland ansässige Personen durch verwaltungsseitige und materiellrechtliche Sanktionen davon abgehalten werden sollen, Geschäftsbeziehungen zu solchen Steuerhoheitsgebieten zu unterhalten. Mit dem StAbwG transformiert Deutschland die Schlussfolgerungen des EU-Rates zur EU-Liste nicht kooperativer Länder und Gebiete für Steuerzwecke, die zuletzt am 18.2.2021 überarbeitet worden war, in innerstaatliches Steuerrecht. Nachdem die EU-Mitgliedstaaten vereinbart haben, die Schlussfolgerungen des Rates bis spätestens 1.7.2021 in nationales Steuerrecht zu übernehmen, dürften vergleichbare Regelungen schon bald auch in Österreich zu erwarten sein.

Die Jagd auf Steueroasen

Ziel des neuen deutschen „Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb (Steueroasen-Abwehrgesetz - StAbwG)“ ist es, Staaten und Gebiete (Steuerhoheitsgebiete), die anerkannte – im Wesentlichen von EU und OECD vorgegebene - Standards in Bereichen steuerlicher Transparenz, unfairem Steuerwettbewerb und bei der Umsetzung der BEPS-Mindeststandards nicht erfüllen, dazu anzuhalten, ihr steuerliches Verhalten entsprechend anzupassen, indem in Deutschland ansässige Steuerpflichtige, die Geschäftsbeziehungen zu solchen Steuerhoheitsgebieten pflegen, „steuerlich belangt“ werden. Das Gesetz hat seine Grundlage in den Schlussfolgerungen des Rates der Europäischen Union zur EU-Liste nicht kooperativer Länder und Gebiete für Steuerzwecke und in den durch die Gruppe „Verhaltenskodex (Unternehmensbesteuerung)“ der EU verhandelten und vom Rat gebilligten Maßnahmen. 

Auch in Österreich ist diese in Anlage I der Schlussfolgerungen des Rates enthaltene Liste nicht kooperativer Steuerhoheitsgebiete („schwarze Liste“) bereits jetzt von steuerlicher Relevanz, etwa im Hinblick auf die Meldepflicht grenzüberschreitender Zahlungen an Empfänger, die in diesen Steuerhoheitsgebieten ansässig sind (§ 5 Z 1 lit b EU-MPfG). Weiters knüpft auch bereits das für die Inanspruchnahme von COVID-19-Förderungen  ab 1.1.2021 verlangte „steuerliche Wohlverhalten“ an diese Liste an und versagt Unternehmen derartige Förderungen und Unterstützungsmaßnahmen, wenn sie ihren Sitz oder eine Niederlassung in einem dieser Staaten haben und dort in einem nach 31.12.2018 beginnenden Wirtschaftsjahr überwiegend Passiveinkünfte iSd § 10a Abs. 2 KStG erwirtschaftet werden (§ 3 Z 3 WohlverhaltensG, BGBl I 2021/11, siehe dazu auch bereits unseren NL-Beitrag „CORONAVIRUS | COVID-19-Steuermaßnahmengesetz ante portas!“ vom 22.12.2020).

Anwendungsbereich des Steueroasen-Abwehrgesetzes

Das geplante deutsche StAbwG ist auf natürliche Personen, Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen anzuwenden (idF als „Personen“ bezeichnet). Das Gesetz gilt für Steuern einschließlich der Steuervergünstigungen, die durch deutsches Bundesrecht oder EU-Recht geregelt sind und die durch Bundes-, Landesfinanzbehörden oder Gemeinden verwaltet werden. Umsatzsteuern, Einfuhr- und Ausfuhrabgaben sowie Verbrauchsteuern sind vom sachlichen Anwendungsbereich des Gesetzes ausgenommen. Das StAbwG soll ungeachtet möglicherweise entgegenstehender Vorschriften in Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) gelten („treaty override“) und als „lex specialis“ auch Vorrang vor der deutschen Abgabenordnung (AO) und anderen Steuergesetzen haben.

Nicht kooperative Steuerhoheitsgebiete

Als „nicht kooperativ“ gilt ein Steuerhoheitsgebiet dann, wenn es in der Anlage I der oa EU-Liste nicht kooperativer Länder und Gebiete für Steuerzwecke (in jeweils aktueller Fassung) genannt ist (§ 3 Abs. 1 Z 2 StAbwG) UND mindestens eine der in den §§ 4 bis 6 StAbwG genannten Voraussetzungen erfüllt, die auf Transparenz im Steuerbereich, fairen Steuerwettbewerb, Substanzanforderungen und die Umsetzung von BEPS-Mindeststandards abstellen (§ 3 Abs. 1 Z 1 StAbwG). Da die in § 3 Abs. 1 Z 1 und Z 2 StAbwG genannten Voraussetzungen kumulativ erfüllt werden müssen, kommen die in den §§ 8 bis 11 StAbwG geregelten Abwehrmaßnahmen und gesteigerten Mitwirkungspflichten (§ 12 StAbwG) nicht zur Anwendung, wenn ein Steuerhoheitsgebiet nicht auf der „schwarzen Liste“ der EU geführt wird. 

Aktuell werden von der EU die folgenden zwölf Staaten an den Pranger gestellt: Amerikanisch-Samoa, die Kaiman-Inseln, Fidschi, Guam, Oman, Palau, Panama, Samoa, die Seychellen, Trinidad und Tobago, die Amerikanischen Jungferninseln und Vanuatu, die zusätzlich die folgenden - in §§ 4 bis 6 StAbwG genannten - Merkmale erfüllen müssen:

a) Keine hinreichende Transparenz in Steuersachen (§ 4 StAbwG)

  • Keine Möglichkeit zum automatischen Informationsaustausch über Finanzkonten in Steuersachen mit Deutschland und allen anderen EU-Mitgliedstaaten (MS) nach dem von der OECD entwickelten Gemeinsamen Meldestandard;
  • Keine Umsetzung des OECD-Standards für Transparenz und effektiven Informationsaustausch auf Ersuchen (EOIR-Standard);
  • Keine Ratifikation des Übereinkommens v. 25.1.1988 idF v. 27.5.2010 über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen. 

b) Unfairer Steuerwettbewerb (§ 5 StAbwG)

Ein Steuerhoheitsgebiet betreibt dann unfairen Steuerwettbewerb, wenn es Regeln anwendet, die gemessen an dem üblicherweise in diesem Steuerhoheitsgebiet geltenden Besteuerungsniveau eine deutlich niedrigere Effektivbesteuerung, einschließlich einer Nullbesteuerung bewirken oder die Offshore-Strukturen begünstigen. Als „unfair“ gelten Vorteile,

  • die ausschließlich Gebietsfremden oder Transaktionen mit Gebietsfremden gewährt werden,
  • die keine Auswirkungen auf die inländische Wirtschaft haben,
  • die keine wirtschaftliche Tätigkeit oder physische Präsenz erfordern,
  • die sich aufgrund einer von internationalen Standards abweichenden Gewinnermittlung ergeben oder
  • ­sich aufgrund eines intransparenten Steuersystems ergeben, das es den Verwaltungsbehörden ermöglicht, gesetzlich nicht vorgesehene Vorteile zu gewähren.

Als „unfair“ gelten auch Regelungen eines Steuerhoheitsgebietes, das eine Körperschaftsteuer von null oder nahezu null erhebt, wenn diese Regelungen zum Ziel haben, Gewinne anzuziehen, ohne dass es einer realen Wirtschaftstätigkeit bedarf. Der Umstand allein, dass ein Steuerhoheitsgebiet keine Steuern erhebt, soll aber nicht als unfairer Steuerwettbewerb gelten. 

c) Nichterfüllung von BEPS-Mindeststandards (§ 6 StAbwG)

Die OECD hat in ihren 15 Handlungsempfehlungen gegen „Base Erosion and Profit Shifting“ (BEPS) vier Aktionspunkte als „Mindeststandards“ definiert, zu deren Umsetzung die OECD die Staatengemeinschaft „politisch“ verpflichtet hat. Soweit ein Steuerhoheitsgebiet Mitglied des inzwischen aus 139 Staaten bestehenden „Inclusive Framework on BEPS“ ist, gilt das als wichtiger Indikator, weil eine Mitgliedschaft die Verpflichtung zur Umsetzung der Mindeststandards impliziert. Als Mindeststandard ausgewiesen sind:

  • BEPS-Aktionspunkt 5: Wirksame Bekämpfung schädlicher Steuerpraktiken unter Berücksichtigung von Transparenz uns Substanz
  • BEPS-Aktionspunkt 6: Verhinderung von Abkommensmissbrauch
  • BEPS-Aktionspunkt 13: Verrechnungspreisdokumentation und länderbezogene Berichterstattung
  • BEPS-Aktionspunkt 14: Verbesserung von Streitbeilegungsmechanismen

Auch dann, wenn ein Steuerhoheitsgebiet mit Deutschland sowie allen anderen MS über keinen Mechanismus zum Austausch länderbezogener Berichte („CbC-Reporting“) verfügt oder in Bezug auf Vertraulichkeit, Datenschutz, sachgemäßer Verwendung oder dem rechtzeitigen und ausreichenden Informationsaustausch der CbC-Reports von den Vorgaben in BEPS Aktionspunkt 13 abweicht, gilt ein Steuerhoheitsgebiet als nicht kooperativ.

Die deutsche Gegenwehr

Ist ein Steuerhoheitsgebiet nach Maßgabe der obigen Ausführungen als „unkooperativ“ zu qualifizieren, sollen in Deutschland wirksame Abwehrmaßnahmen gesetzt werden, wenn ein Steuerpflichtiger Geschäftsbeziehungen oder Beteiligungsverhältnisse in oder mit Bezug zu einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet unterhält. Solche „Geschäftsvorgänge“ zwischen in Deutschland ansässigen Personen und einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet sollen den folgenden Sanktionen unterliegen: 

a) Kein Abzug von Betriebsausgaben und Werbungskosten (§ 8 StAbwG)

Aufwendungen aus Geschäftsvorgängen zu Personen, die in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet ansässig sind, dürfen – soweit sie die Einnahmen aus diesem Gebiet übersteigen - nicht als Betriebsausgabe in Abzug gebracht werden, soweit diese Einkünfte beim Empfänger in Deutschland weder unbeschränkt noch beschränkt steuerpflichtig sind. 

b) Verschärfte Hinzurechnungsbesteuerung (§ 9 StAnwG)

Soweit in Deutschland ansässige, unbeschränkt steuerpflichtige Personen an Gesellschaften beteiligt sind, die in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet ansässig sind, gilt die ausländische Gesellschaft mit ihren sämtlichen Einkünften als „Zwischengesellschaft“ iSd deutschen Außensteuergesetzes (AStG), die grundsätzlich dem deutschen Gesellschafter als steuerpflichtiges Einkommen zuzurechnen sind, soweit die Einnahmen nicht dem Abzugsverbot iSd § 8 StAbwG unterliegen. 

c) Verweigerung der Quellensteuerentlastung (§ 10 StAbwG)

Hat eine ausländische Gesellschaft – zB auf Grundlage eines DBA - Anspruch auf eine vollständige oder teilweise Entlastung von deutschen Abzugsteuern und sind an dieser Gesellschaft mittel- oder unmittelbar natürliche Personen mit einem Anteil von mehr als 10 % beteiligt, die in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet ansässig sind,  soll die Steuerentlastung nicht gewährt werden. 

d) Erweiterung der beschränkten Steuerpflicht (§ 10  StAbwG)

Für Einkünfte, die von Personen bezogen werden, die in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet ansässig sind, soll der Katalog beschränkt steuerpflichtiger Einkünfte (§ 49 dEStG), die der Abzugsbesteuerung (§ 50a dEStG) unterliegen, auch auf Einkünfte erstreckt werden, die diese Personen aus Finanzierungsbeziehungen, aus Versicherungs- oder Rückversicherungsleistungen, der Erbringung von Dienstleistungen (insb Rechts- und Beratungsleistungen, Online-Werbung) und dem Handel mit Waren oder Dienstleistungen erzielen, soweit diese Zahlungen bei einem anderen Steuerpflichtigen im Zuge der Veranlagung zur unbeschränkten oder beschränkten Steuerpflicht als Betriebsausgabe abgezogen werden können. 

e) Verweigerung der Steuerfreistellung von Beteiligungserträgen (§ 11 StAbwG)

Für Gewinnausschüttungen und Gewinne aus der Veräußerung von Beteiligungen an Körperschaften, die in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet ansässig sind, soll die im deutschen Steuerrecht (§ 8b KStG) oder in vergleichbaren DBA-Vorschriften vorgesehene Beteiligungsertragsbefreiung verwehrt werden, es sei denn, die Einkünfte unterliegen bereits dem Abzugsverbot gem. § 8 StAbwG oder der Quellenbesteuerung gem. § 10 StAbwG. 

f) Gesteigerte Mitwirkungspflichten (§ 12 StAbwG)

Neben den materiellrechtlichen Abwehrmaßnahmen des deutschen Fiskus sollen dem Steuerpflichtigen bei Geschäftsvorgängen mit nicht kooperativen Steuerhoheitsgebieten über die in § 90 dAO geregelten Mitwirkungspflichten hinausgehende „gesteigerte“ Offenlegungs- und Dokumentationspflichten auferlegt werden. Die in § 12 Abs. 2 Z 1 bis 8 StAbwG geforderten Aufzeichnungen sind spätestens ein Jahr nach Ablauf des betreffenden Kalender- oder Wirtschaftsjahres zu erstellen und an die zuständige Finanzbehörde bzw zusammen mit dem länderbezogenen Bericht an das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) zu übermitteln. Die deutschen Finanzbehörden sollen den Steuerpflichtigen auch dazu auffordern können, seine Angaben an Eides statt zu versichern und diese zu bevollmächtigen, in seinem Namen mögliche Auskunftsansprüche gegenüber den der Finanzbehörde genannten Personen, zu denen Geschäftsvorgänge bestehen, außergerichtlich und gerichtlich geltend zu machen. 

Die geplanten Abwehrmaßnahmen sollen grundsätzlich bereits ab 1.1.2022 zur Anwendung kommen. Davon abweichend soll - dem Grundsatz des Vertrauensschutzes entsprechend - in Bezug auf Steuerhoheitsgebiete, die per 1.1.2021 noch nicht auf der „schwarzen Liste“ der EU aufscheinen, das neue Gesetz erst ab 1.1.2023 wirksam werden.

Handlungsbedarf auch in Österrreich 

Nachdem sich die EU-Mitgliedstaaten darauf geeinigt haben, die Schlussfolgerungen des Rates der Europäischen Union zur „schwarzen Liste“ nicht kooperativer Länder und Gebiete für Steuerzwecke bis spätestens 1.7.2021 umzusetzen, dürfte demnächst wohl auch eine entsprechende Reaktion des österreichischen Gesetzgebers zu erwarten sein. 

Derzeit finden sich auf der „schwarzen Liste“ der EU nur „exotische“ Staaten. Nachdem diese Liste zweimal jährlich (nämlich im Februar und Oktober) aktualisiert und im Amtsblatt der EU veröffentlicht wird und nicht ausgeschlossen werden kann, dass die „Code of Conduct Group“ die Kennzeichen für nicht kooperative Steuerhoheitsgebiete noch erweitern wird, könnten künftig auch Staaten „blackgelistet“ werden, die auf den ersten Blick nicht als „Tax Haven“ bzw als “ Niedrig- oder Nullsteuerland“ gelten. Die von der EU empfohlenen und im deutschen Gesetzesvorschlag vorgesehenen Maßnahmen zur Abwehr der Gewinnverlagerung sind jedenfalls eine scharfe Waffe, um Geschäftsbeziehungen zu "Steueroasen" nachhaltig zu behindern.

Für weitere Fragen zu diesem Themenkomplex stehen Ihnen der Verfasser sowie auch die übrigen ExpertInnen der Service Line "International Tax"​​​​​​​ gerne zur Verfügung!