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KAPITALGESELLSCHAFTEN | Verdeckte Ausschüttung trotz Gewinnlosigkeit!

Verdeckte Vorteilszuwendungen einer Kapitalgesellschaft an ihre Gesellschafter sind ertragsteuerlich grundsätzlich als „verdeckte Ausschüttungen“ (ggfs mit KESt-Folgen) zu behandeln bzw nur in besonderen Ausnahmefällen als ggfs nachzuweisende „Einlagenrückzahlungen“ umqualifizierbar. Dies gilt – wie der VwGH nunmehr klargestellt hat – auch bei Gewinnlosigkeit einer ihre Gesellschafter fremdunüblich begünstigende Gesellschaft, die über einen hinreichend hohen disponiblen Einlagenstand am Evidenzkonto verfügt, hingegen keinen ausschüttungsfähigen Bilanzgewinn aufweist.

In der Körperschaftsteuerpraxis kommt der Frage, ob die verdeckte Vorteilszuwendung einer Kapitalgesellschaft (zB GmbH oder AG) an ihre Gesellschafter als „verdeckte Ausschüttung“ iS § 8 Abs 2 KStG zu qualifizieren ist oder aber (alternativ) als „Einlagenrückzahlung“ iS § 4 Abs 12 EStG behandelt werden kann, erhebliche Bedeutung zu, weil daran unterschiedliche ertragsteuerliche Rechtsfolgen geknüpft sind (häufig geht es dabei um die mögliche Vermeidung des Anfalls von Kapitalertragsteuer).

Um diese Kernfrage ging es auch in einem mehrere Jahre dauernden Rechtsmittelverfahren, in dem zunächst das Bundesfinanzgericht (BFG) zu dem Ergebnis kam, dass verdeckte Vorteilszuwendungen einer gewinnlosen GmbH mit entsprechend hohen Einlagenständen ggfs auch nachträglich noch als Einlagenrückzahlung zu behandeln wären. Diese Rechtsansicht wurde jedoch nunmehr vom Verwaltungsgerichtshof (VwGH) korrigiert:
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Sachverhalt


Eine in den USA ansässige Kapitalgesellschaft (US-Großmuttergesellschaft) hielt eine Beteiligung an einer österreichischen GmbH (AT-Tochtergesellschaft und Gruppenträger), die ihrerseits an einer weiteren österreichischen GmbH (AT-Enkelgesellschaft und Gruppenmitglied) beteiligt war.

In dieser sohin mehrstöckigen Konzernstruktur erzielte die AT-Enkelgesellschaft aus einem Liegenschaftsverkauf Einnahmen von 20 Mio EUR und verwendete davon einen Teilbetrag iHv 12,5 Mio EUR zur Finanzierung eines (relativ formlosen und unbesicherten) Darlehens an die US-Großmuttergesellschaft.

Einige Monate später wurde über die Darlehensnehmerin in den USA ein Insolvenzverfahren eröffnet und die sohin uneinbringlich gewordene Darlehensforderung bei der AT-Enkel-Gesellschaft aufwandswirksam abgeschrieben.
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Steuerliche Würdigung im Rechtsmittelverfahren


Die österreichische Finanzverwaltung (Groß-BP) wertete die gegenständliche „Darlehensgewährung“ der inländischen Enkelgesellschaft an ihre ausländische Großmuttergesellschaft mangels Fremdüblichkeit als verdeckte Ausschüttung (vA), wobei – aufgrund der maßgeblichen Konzernstruktur - zunächst eine vA der inländischen Enkelgesellschaft an deren Muttergesellschaft und in weiterer Folge eine vA der inländischen Muttergesellschaft an die ausländische Großmuttergesellschaft unterstellt wurde (stufenweise Durchleitung).

Daraus folgte zunächst, dass die aufwandswirksam erfolgte Abwertung des Darlehens (Wertberichtigung bzw Abschreibung) das steuerliche Ergebnis der österreichischen Enkelgesellschaft nicht vermindern konnte (Hinzurechnung). Die steuerlich fingierte Ausschüttung der Enkelgesellschaft an ihre Muttergesellschaft (Stufe 1) war jedoch aufgrund der Beteiligungsertragsbefreiung nicht körperschaftsteuerpflichtig (§ 10 Abs 1 Z 1 KStG) und konnte auf dieser Ebene zudem die KESt-Befreiung in Anspruch genommen werden (§ 94 Z 2 EStG).

Sodann wurde der österreichischen Muttergesellschaft – mittels Haftungsbescheid - für die fiktive Weiterleitung des „Darlehens“ an die US-Gesellschaft (Stufe 2) eine Kapitalertragsteuer in Höhe von 5 % (reduzierter Steuersatz gemäß Art 10 Abs 2 DBA Österreich-USA) vorgeschrieben und die Muttergesellschaft damit zur KESt-Haftung iHv 625.000 EUR herangezogen (5 % der vA-Bemessungsgrundlage von 12,5 Mio EUR).

Gegen den Haftungsbescheid wurde Beschwerde erhoben und vorgebracht, dass weder die Enkelgesellschaft noch ihre Muttergesellschaft im betreffenden Jahr Gewinne erwirtschaftet haben (körperschaftsteuerliche Unternehmensgruppe), die verdeckte Ausschüttung jedoch in ausreichend hohen Einlagenständen auf dem Evidenzkonto Deckung fände, sodass die Outbound-Ausschüttung von Österreich in die USA als Einlagenrückzahlung zu qualifizieren sei.


Entscheidung des Bundesfinanzgerichts (BFG 28.12.2018, RV/7105237/2015)

Das BFG gab der Beschwerde Folge und argumentierte, dass mangels steuerlicher Gewinne und im Hinblick auf hinreichend hohe Einlagenstände nur Einlagen zugewendet werden konnten, sodass zwingend eine steuerneutrale Einlagenrückzahlung und demgemäß kein KESt-pflichtiger Beteiligungsertrag anzunehmen sei (siehe zum BFG-Verfahren bereits unseren ausführlichen NL-Beitrag „KAPITALGESELLSCHAFTEN | Verdeckte Ausschüttung als Einlagenrückzahlung?​​​​​​​“ vom 15.3.2019).


Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 30.6.2022, Ra 2019/13/0051)

​​​​​​​Im Wege einer ao Amtsrevision der Finanzverwaltung wurde die gegenständliche Rechtsfrage dem VwGH zur Letztentscheidung vorgelegt und hat das Höchstgericht das angefochtene BFG-Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes wie folgt aufgehoben:

Der VwGH hat im Gegensatz zum BFG zu Recht erkannt, dass die fragliche fremdunüblicheDarlehensgewährung“ als verdeckte Ausschüttung zu qualifizieren sei. Dies ungeachtet der Gewinnlosigkeit der zuwendenden GmbH, zumal dies für sich kein Nachweis für eine Einlagenrückzahlung sei. Die Kernaussagen des VwGH lassen sich durch folgende Rechtssätze zusammenfassen:

  • Verdeckte Ausschüttungen setzen das Vorliegen eines Gewinns NICHT voraus (vgl Jakom/Marschner EStG, 2018, § 27 Tz 47; Doralt/Ruppe, Steuerrecht I11, Tz 977).
  • Bei verdeckten Vorteilszuwendungen einer Gesellschaft an ihre Gesellschafter ist grundsätzlich von einer verdeckten Ausschüttung auszugehen, außer es wird der Nachweis erbracht, dass eine Einlagenrückzahlung vorliegt (vgl etwa VwGH 5.2.2021, Ro 2019/13/0027; VwGH 22.11.2018, Ra 2018/15/0037).
  • Weder vermag das Fehlen eines Gewinns noch das Vorhandensein ausreichender Einlagen das Vorliegen einer nicht KESt-pflichtigen Einlagenrückzahlung rechtlich zu begründen.
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  • Und außerdem: Die Behandlung eines Vorgangs bei der Gewinnermittlung der Gesellschaft für Zwecke der Körperschaftsteuer und dessen Behandlung bei den Gesellschaftern für Zwecke der Kapitalertragsteuer kann auch unterschiedlich sein. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass ein für Körperschaftsteuerzwecke der Gesellschaft als verdeckte Ausschüttung qualifizierter Vorgang bei den Gesellschaftern für Zwecke der Kapitalertragsteuer als steuerneutrale Einlagenrückzahlung zu beurteilen ist.

Der VwGH hat also auch in diesem Fall einer konzerninternen fremdunüblichen Darlehensgewährung den Grundsatz bestätigt, dass verdeckte Vorteilszuwendungen idR als verdeckte Ausschüttungen zu werten seien. In besonderen Ausnahmefällen könne zwar der Nachweis (!) geführt werden, dass eine Einlagenrückzahlung vorliegt, wobei jedoch die im Rechtsmittelfall gegebene Gewinnlosigkeit bzw Verlustsituation der zuwendenden GmbH keinen derartigen Nachweis darstellt.
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​​​​​​Weitere Hinweise und Anmerkungen


Dass eine Gewinnlosigkeit nicht per se erlaubt, eine verdeckte Ausschüttung in eine Einlagenrückzahlung umzuinterpretieren, kann etwa auch an dem plakativen Beispiel veranschaulicht werden, wonach eine mit Mindeststammkapital von 35.000 EUR gegründete GmbH unmittelbar nach der Gründung, also noch vor einer Gewinnerwirtschaftung, einen wertlosen Vermögensgegenstand von ihrem Gesellschafter zB zu einem Preis von 500.000 EUR erwirbt und den Kaufpreis mittels Bankkredit finanziert. Dies wäre natürlich eine KESt-pflichtige vA, wenngleich die GmbH bis dato noch niemals Gewinne erzielt hatte. – Demgegenüber wäre als besonderer Ausnahmefall für eine Einlagenrückzahlung mit erfolgreicher Nachweisführung ins Treffen zu führen, dass sich der Gesellschafter einer neugegründeten GmbH, die noch keinerlei Geschäftstätigkeit entfaltete, den aus der Stammkapitaleinzahlung resultierenden Bargeldbestand gleich wieder durch Entnahme aus der Kasse aneignete, zumal hier kein Zweifel bestand, dass es sich um die Rückzahlung der vorangegangenen Einlageneinzahlung handeln mußte (vgl VwGH 19.2.1991, 87/14/0136; ZORN in RdW 2022/472).

Die in der aktuellen VwGH-Entscheidung bestätigte Prämisse, wonach verdeckte Vorteilszuwendungen grundsätzlich als verdeckte Ausschüttungen zu behandeln sind, steht auch im Einklang mit der Verwaltungspraxis, dargelegt im Einlagenrückzahlungs- und Innenfinanzierungserlass der Finanzverwaltung (BMF-AV Nr. 136/2017; siehe dazu auch unseren NL-Beitrag  AUSSCHÜTTUNGEN | Finaler Einlagenrückzahlungs- und IF-Erlass veröffentlicht! ​​​​​​​ vom 23.10.2017): Im Falle einer offenen Ausschüttung gilt grundsätzlich ein Wahlrecht, ob auch steuerlich eine Gewinnausschüttung oder aber eine Einlagenrückzahlung iS § 4 Abs 12 EStG erfolgte (Wahlrechtsausübung mittels KESt-Anmeldung, dh bis längstens eine Woche nach dem Bilanzstichtag). Insoweit jedoch eine unternehmensrechtliche Gewinnausschüttung in den Evidenzkonten ausschließlich in den disponiblen Einlagen Deckung findet, nicht aber in der disponiblen Innenfinanzierung, liegt steuerlich eine zwingende Einlagenrückzahlung vor (Punkt 1.3.1 des Erlasses). – Demgegenüber sei eine verdeckte Ausschüttung grundsätzlich - ungeachtet eines positiven oder negativen Innenfinanzierungsstandes – als solche zu behandeln (Punkt 3.3).

Laut VwGH kann es jedoch auch für „verdeckte Ausschüttungen“ ein eingeschränktes Wahlrecht geben, diese – unter den verlangten Voraussetzungen (oa Nachweisführung und entsprechender Einlagenstand auf Evidenzkonto) - als steuerliche Einlagenrückzahlungen zu behandeln, wobei eine diesbezügliche Wahlrechtsausübung jedoch nur durch die vertretungsbefugten Organe bis zum Ende des betreffenden Kalenderjahres möglich ist und bis dahin auch die Finanzverwaltung Kenntnis erlangen müßte (VwGH 5.2.2021, Ro 2019/13/0027; Rz 606 KStR idF WE 2021). 

EXKURS Gesellschaftsrecht: Es sei an dieser Stelle auch noch darauf hingewiesen, dass die gesellschaftsrechtlichen Implikationen für die Vertretungsorgane (Geschäftsführung) einer vorteilsgewährenden Kapitalgesellschaft noch wesentlich gravierender als die steuerlichen Konsequenzen sein können. Der steuerliche Begriff der verdeckten (Gewinn-)Ausschüttung geht oftmals mit der gesellschaftsrechtlich verbotenen Einlagenrückgewähr einher (§ 82 GmbHG bzw § 52 AktG). Wird außerhalb eines (ausschüttungsfähigen) Bilanzgewinnes und somit entgegen den einschlägigen Vorschriften des GmbH-Gesetzes Gesellschaftsvermögen verteilt, so sind die Geschäftsführer für diesbezügliche Obliegenheitsverletzungen der Gesellschaft gegenüber schadenersatzpflichtig (Geschäftsführerhaftung gemäß § 25 GmbHG).
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​​​​​​​​​​​​​​FAZIT


​​​​​​​Bei Darlehensgewährungen im Konzern (bzw auch gegenüber anderen nahestehenden Personen) ist stets darauf zu achten, dass der Grundsatz der Fremdüblichkeit eingehalten wird. Dazu zählt neben einer angemessenen Verzinsung und der Vereinbarung verbindlicher Tilgungszeitpunkte insbesondere auch die Prüfung der Bonität der empfangenden Gesellschaft (Darlehensnehmerin), selbst wenn es sich dabei um die Mutter- oder eine Großmuttergesellschaft handelt.

Aus fremdunüblichen Gestaltungen können hingegen verdeckte Vorteilszuwendungen der Gesellschaft an ihre Gesellschafter resultieren, die gesellschaftsrechtlich eine verbotene Einlagenrückgewähr und ertragsteuerlich grundsätzlich eine verdeckte Ausschüttung iS § 8 Abs 2 KStG darstellen. Nur in sehr eingeschränktem Umfang ist diesfalls auch eine steuerliche Umqualifizierung als Einlagenrückzahlung iS § 4 Abs 12 EStG denkbar. Die Grenzen dafür hat der Verwaltungsgerichtshof zuletzt im oben erläuterten Erkenntnis vom 30.6.2022, Ra 2019/13/0051, dargelegt. Vermögensminderungen durch verdeckte Ausschüttungen mindern nicht das steuerliche Ergebnis und können – je nach rechtlichem Status des Vorteilsempfängers – auch zur Vorschreibung einer Kapitalertragsteuer (zulasten der entreicherten Gesellschaft) führen.

Literaturhinweis: Die obigen Themenbereiche „verdeckte Ausschüttungen“ und „Einlagenrückzahlungen“ gehören zu den Kernbereichen des Körperschaftsteuerrechts und werden auch im soeben erschienenen bzw aktualisierten Buch des LINDE-Verlages,

an dem auch ICON-Partner als Co-Autoren mitgewirkt haben, umfassend behandelt.
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Für weitergehende Fragen zu dieser Thematik stehen Ihnen die Verfasser dieses Beitrages sowie auch die übrigen ExpertInnen der Service Line "Corporate Tax"​​​​​​​ gerne zur Verfügung!
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