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KÖRPERSCHAFTSTEUER | Umsetzung der EU-Zinsschranke doch bis 31.12.2018?

Die sog. Anti-BEPS-Richtlinie der Europäischen Union verpflichtet die EU-Mitgliedstaaten, bis spätestens 31.12.2018 verschiedene Vorschriften zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken in nationales Recht umzusetzen, insbesondere auch die sog. „Zinsschranke“, wonach die Abzugsfähigkeit der jährlichen Fremdkapitalzinsen künftig mit 30 % des EBITDA limitiert werden soll. In Zusammenhang mit dieser nicht unproblematischen Regelung erlaubt die Richtlinie den Mitgliedstaaten nicht nur verschiedene Wahlrechte, sondern bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen auch eine verlängerte Umsetzungsfrist bis spätestens 1.1.2024. Das österreichische BMF ging bislang davon aus, aufgrund der in unserem Körperschaftsteuergesetz bereits bisher bestehenden Zinsabzugsverbote diese verlängerte Übergangsfrist in Anspruch nehmen zu können. Am 7.12.2018 hat die EU-Kommission nunmehr fünf Mitgliedstaaten benannt, die aufgrund gleichermaßen wirksamer nationaler Vorschriften die Umsetzung der EU-Zinsschranke noch hinausschieben dürfen. Österreich findet sich nicht unter den genannten Staaten und müßte daher die Implementierung bis zum 31.12.2018 bewerkstelligen. Da die Ansicht der EU-Kommission aus österreichischer Sicht fraglich ist und die kurzfristige Umsetzung der Zinsschrankenregelung im österreichischen Steuerrecht bis Jahresende völlig unrealistisch erscheint, stellt sich die Frage, wie Österreich auf diese Situation reagieren wird und welche Rechtsfolgen damit verbunden sein könnten?  

Die „Richtlinie (EU) 2016/1164 des Rates vom 12.7.2016 mit Vorschriften zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken mit unmittelbaren Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmarkts“, auch kurz „EU-Anti-BEPS-Richtlinie“ oder „ATAD“ (Anti-Tax Avoidance Directive) genannt, verpflichtet die EU-Mitgliedstaaten, innerhalb der jeweils vorgesehenen Fristen bestimmte Vorschriften in nationales Steuerrecht umzusetzen. Es sind dies insbesondere Regelungen zur Begrenzung der Abzugsfähigkeit von Zinszahlungen (sog. „Zinsschranke“ gemäß Artikel 4), Übertragung von Vermögenswerten und Wegzugsbesteuerung (Artikel 5), allgemeine Vorschriften zur Verhinderung von Missbrauch (Artikel 6), Vorschriften für beherrschte ausländische Unternehmen und Berechnung von deren Einkünfte (CFC Rules bzw Hinzurechnungsbesteuerung gemäß Artikel 7 und 8), sowie für sog. „hybride Gestaltungen“ (Artikel 9). 

Begrenzung der Abzugsfähigkeit von Zinszahlungen (Artikel 4 ATAD)

Gemäß Artikel 4 ATAD sind bei Körperschaftsteuersubjekten „überschüssige Fremdkapitalkosten“ (= Aufwandsüberhang) in dem Steuerzeitraum, in dem sie anfallen, nur bis zu 30 % des Ergebnisses des Steuerpflichtigen vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) abzugsfähig. Von dieser Grundnorm bestehen jedoch mehrere Optionen, welche die Zinsabzugsbeschränkung einschränken, abmildern oder ausschließen, sodass sich je nach Inanspruchnahme bzw Umsetzung der nachfolgend skizzierten Optionsmöglichkeiten die Steuerwirkung in den einzelnen Mitgliedstaaten entsprechend unterscheiden wird.

Die div. optionalen Regelungen, die strenger aber nicht milder gefasst werden dürfen (Mindestschutzniveau der Zinsschranke), können wie folgt kategorisiert werden (vgl DESENS in SWI 2018, S. 461): Abmilderung durch Rück- und Vortragsmöglichkeiten der überschüssigen Fremdkapitalkosten eines Jahres; Einschränkung durch Gruppenbildung; Einschränkung bzw Ausnahme durch Freibetrag bzw Freigrenze (iHv max. 3 Mio EUR); Ausnahme durch sog. Stand-Alone-Klausel (ev. vollständiger Abzug für selbständige Unternehmen); Ausnahme durch sog. Eigenkapital-Escape oder Abmilderung durch sog. Konzern-EBITDA-Escape für Mitglieder konsolidierter Gruppen; Ausnahmen für Altdarlehen (vor 17.6.2016), öffentliche Infrastrukturprojekte und Finanzunternehmen.

Umsetzungsfristen

Gemäß Artikel 4 ATAD sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, die EU-Zinsschrankenregelung grundsätzlich bis zum 31.12.2018 in nationales Recht umzusetzen.

Gemäß Artikel 11 Absatz 6 ATAD dürfen Mitgliedstaaten, die bereits per 8.8.2016 über nationale gezielte Vorschriften zur Verhütung vonBEPS“ verfügen, die „gleichermaßen wirksam“ sind wie die ATAD-Zinsschranke, ihre gezielten Vorschriften noch länger anwenden, und zwar bis zum Ende des ersten abgeschlossenen Steuerjahres, das auf den Tag folgt, an dem die Vereinbarung zwischen den OECD-Mitgliedern über einen Mindeststandard in Bezug auf den BEPS-Aktionspunkt 4 auf der amtlichen Website veröffentlicht wird, spätestens aber bis zum 1.1.2024 (sog. „Grandfathering“).

In Artikel 10 Absatz 3 der Richtlinie heißt es weiters: „Die in Artikel 11 Absatz 6 genannten Mitgliedstaaten übermitteln der Kommission vor dem 1.7.2017 alle Informationen, die erforderlich sind, um die Wirksamkeit der nationalen gezielten Vorschriften zur Verhütung von Risiken der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung (Base Erosion and Profit Shifting — BEPS) zu bewerten.“ 

Umsetzung der ATAD in Österreich

Österreich ist der bis Ende diesen Jahres gebotenen Umsetzung der ATAD-Regelungen grundsätzlich im Jahressteuergesetz 2018 nachgekommen (siehe dazu auch unsere div. Newsletters, zuletzt den NL-Beitrag „JSTG 2018 | Die neue Hinzurechnungsbesteuerung im KStG“ vom 19.9.2018). 

Die ATAD-Zinsschranke wurde im österreichischen JStG 2018 allerdings (noch) NICHT umgesetzt. Dies deshalb, weil das österreichische BMF bis dato davon ausgegangen ist, dass die im österreichischen Körperschaftsteuerrecht bereits seit längerem kodifizierten Zinsabzugsverbote für konzernintern erworbene fremdfinanzierte Beteiligungen (§ 12 Abs 1 Z 9 KStG) sowie – insbesondere - für Zinszahlungen an ausländische niedrigbesteuerte Konzerngesellschaften (§ 12 Abs 1 Z 10 KStG) „gleichermaßen wirksam“ seien wie die ATAD-Zinsschranke und letztere daher erst bis (spätestens) 1.1.2014 in österreichisches Recht umzusetzen sei (gemäß Artikel 11 Abs 6 ATAD; vgl dazu auch bereits unseren NL-Beitrag „EUROPÄISCHE UNION | Umsetzung ATAD-Zinsschranke in den Mitgliedstaaten“ vom 16.8.2018). Die österreichische Einschätzung wird jedoch von der EU-Kommission offenbar NICHT geteilt: 

Mitteilung der EU-Kommission 

Denn im Amtsblatt der Europäischen Union vom 7.12.2018, C 441/1, findet sich eine Mitteilung der EU-Kommission betreffend „Maßnahmen, die als gleichermaßen wirksam wie Artikel 4 der Richtlinie zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken angesehen werden“, woraus hervorgeht, dass nur die nachfolgend angeführten fünf EU-Mitgliedstaaten bereits Regelungen in ihrem nationalen Steuerrecht vorgesehen haben, welche nach Ansicht der EU „gleichermaßen wirksamsind wie die ATAD-Zinsschranken (gemäß Artikel 4) und demgemäß als hinreichend gezielte nationale Vorschriften zur Verhütung von BEPS erachtet werden und diese Mitgliedstaaten für die Umsetzung der ATAD-Zinsschranke in nationales Recht daher die verlängerte Übergangsfrist bis spätestens 1.1.2024 anwenden dürfen: 

  • Griechenland
  • Frankreich
  • Slowakei
  • Slowenien
  • Spanien 

Als Kriterien für die verlangte „gleiche Wirksamkeit“ hat die EU-Kommission die rechtliche Ähnlichkeit (Begrenzung der Abzugsfähigkeit überschüssiger Fremdkapitalkosten im Hinblick auf Rentabilitätsfaktoren der Steuerpflichtigen) sowie die wirtschaftliche Gleichwertigkeit (nicht deutlich weniger Steuereinnahmen, ähnlich hohe oder höhere Steuerschuld bei Anwendung für alle Unternehmen außer KMU) der von den Mitgliedstaaten ins Treffen geführten Maßnahmen im Vergleich mit der ATAD-Zinsschranke untersucht. Dabei ist die Kommission offenbar zu dem Schluss gekommen, dass das österreichische Körperschaftsteuerrecht diese Kriterien nicht hinreichend erfüllt. 

Zusammenfassung und Ausblick 

Die bisherige Meinung des österreichischen BMF, wonach die in unserem Körperschaftsteuergesetz bereits enthaltenen einschlägigen Zinsenabzugsbeschränkungen (gemäß § 12 Abs 1 Z 9 und 10 KStG) als „gleichermaßen wirksam“ anzusehen seien und für die Umsetzung der ATAD-Zinsschranke daher in Österreich ebenfalls noch bis 1.1.2024 Zeit sei (und dies daher im Jahressteuergesetz 2018 unterlassen wurde), hat die EU-Kommission offenbar NICHT geteilt, zumal Österreich in der im Amtsblatt der Europäischen Union vom 7.12.2018 veröffentlichten diesbezüglichen Mitteilung der Kommission nicht erwähnt wird.

 Daraus kann gefolgert werden, dass grds auch Österreich verpflichtet wäre, eine ATAD-konforme Zinsschranke bereits bis 31.12.2018 in nationales Recht umzusetzen. Ob, wie und wann Österreich auf diese wohl ziemlich überraschende Entscheidung reagiert, bleibt freilich abzuwarten und zieht div. Rechts- bzw Folgefragen nach sich, wie zB: Riskiert Österreich bei nicht fristgerechter Umsetzung ein Vertragsverletzungsverfahren, im Zuge dessen die strittige Frage der Vergleichbarkeit iSd ATAD-Richtlinie endgültig durch den EuGH geklärt werden könnte? Könnte die Nichtumsetzung uU sogar eine verbotene Beihilfe darstellen? Verfassungsrechtliche Probleme bei rückwirkender Einführung einer EU-konformen Zinsschrankenregelung erst im Laufe des nächsten Jahres? 

Über die weitere Entwicklung in dieser Angelegenheit werden wir Sie selbstverständlich auf dem Laufenden halten. Für Rückfragen stehen Ihnen die Verfasser gerne zur Verfügung!