NEWS  |   |  

TEUERUNGS-ENTLASTUNGSPAKET | Weitere Maßnahmen im Abgabenbereich

Aufgrund der nachhaltigen Preissteigerungen in immer mehr Wirtschafts- und Lebensbereichen und der damit einhergehenden Rekordinflation hat die Bundesregierung nunmehr ein weiteres, sehr umfangreiches Maßnahmenpaket geschnürt, dessen Gesamtvolumen bis zum Jahr 2026 mit mehr als 28 Mrd EUR (!) beziffert wird. Der geplante Maßnahmenmix betrifft zu einem erheblichen Teil auch den Steuer- und Abgabenbereich. Nachdem Mitte Juni d. J. die Beschlussfassung im Ministerrat erfolgte, wurden auch bereits die ersten Gesetzesentwürfe (Initiativanträge) zur parlamentarischen Behandlung eingebracht. Wenngleich die tatsächliche Gesetzwerdung abzuwarten ist (die Beschlussfassung im Nationalrat soll am 23.6.2022 erfolgen), möchten wir Ihnen im nachfolgenden Beitrag bereits einen Überblick über dieses Vorhaben geben.

Über die ersten beiden Maßnahmenpakete mit einem angeblichen Volumen von rund 4 Mrd EUR, deren Fokus zunächst auf der dramatischen Energiepreisentwicklung lag und die zwischenzeitig zur Gänze legistisch umgesetzt sind (zuletzt mit BGBl I Nr. 63/2022 vom 13.5.2022), haben wir Sie im Rahmen unseres Newsletters bereits informiert (NL-Beitrag „ENERGIEPAKET | Entlastungsmaßnahmen im Abgabenbereich“ vom 18.4.2022).

Aufgrund der nachhaltig problematischen Preisentwicklung in immer mehr Bereichen und der daraus resultierenden hohen Inflationsraten (derzeit rund 8 %) hat die Bundesregierung Mitte Juni d. J. ein weiteres „Maßnahmenpaket gegen die Teuerung“ zur Stärkung der Kaufkraft aller Menschen und auch Unternehmen sowie zur Vermeidung sozialer Härten in Österreich angekündigt. Mit diesem umfangreichen 3. Maßnahmenpaket sollen kurzfristig wirksame Maßnahmen bereits für das laufende Jahr 2022 eine Entlastung von rund 6 Mrd EUR bringen und wird das Gesamtvolumen bis zum Jahr 2026 mit über 28 Mrd EUR angegeben. Die nachfolgend dargelegten Eckdaten finden sich in einem Ministerratsvortrag (MR 22/14 vom 15.6.2022) unter dem Titel

 

„Großes Entlastungspaket: Kurzfristige und dauerhafte Maßnahmen zur Abfederung der Teuerung“

 

auf welchem der am 15.6.2022 gefasste Regierungsbeschluss im Ministerrat basiert und der auch die Grundlage für die legistische Umsetzung darstellt. Laut diesem Vortrag an den Ministerrat ist grundsätzlich ein dreistufiger Prozess wie folgt geplant:

  • Sommer 2022: Im erster Schritt Entlastung der am stärksten von der Teuerung betroffenen Menschen, nämlich Personen mit geringem Einkommen und Familien;
  • Herbst 2022: Entlastung soll in der Breite der Bevölkerung greifen, zumal die Teuerung auch bereits im Mittelstand deutlich spürbar ist.
  • Ab Jahresbeginn 2023: Strukturelle Entlastungen für eine dauerhafte Stärkung der Kaufkraft;

 

Kurzfristig wirksame Maßnahmen (ab 2022)
 

  • Entlastung fürvulnerableGruppen (rund 240 Mio EUR)

BezieherIinnen von Sozialhilfe, Arbeitslosengeld, Ausgleichszulage, Studienbeihilfe, Übergangsgeld sowie Rehabilitations-, Kranken- und Wiedereingliederungsgeld sollen – zusätzlich zu den bereits erfolgten Zahlungen in Höhe von jeweils 150 Euro – einen weiteren „Teuerungsausgleich“ in Höhe von 300 Euro erhalten (Auszahlung ab September). - Darüber hinaus soll der bestehende „Wohnschirm“ zur Unterstützung bei steigenden Wohnkosten und zur Verhinderung von Delogierungen um 60 Mio Euro aufgestockt werden.

  • Teuerungsabsetzbetrag zur Entlastung für kleine und mittlere Einkommen (rund 1,5 Mrd EUR)

Entlastung von Erwerbstätigen und PensionistIinnen mit niedrigen Einkommen durch einen einmaliger „Teuerungsabsetzbetrag“ iHv bis zu 500 Euro für das Jahr 2022. Entsprechende Erhöhung der begrenzten Rückerstattung von SV-Beiträgen (bei ArbeitnehmerIinnen einmalig von 55 % auf 70 % und bei PensionistIinnen von 80 % auf 100 %), wodurch bei einem monatlichen Bruttoeinkommen zwischen 1.100 und 1.800 Euro die volle Höhe des Teuerungsabsetzbetrages geltend gemacht werden kann (mit „Einschleifregelung“ für höhere und niedrigere Einkommen).

  • Verschiebung der CO2-Bepreisung

Aufgrund der gegenwärtigen Preissteigerungen fossiler Kraftstoffe soll die mit der „ökosozialen Steuerreform“ beschlossene Einführung einer Bepreisung auf CO2 ((siehe dazu bereits unseren ausführlichen NL-Beitrag „STEUERREFORM | Ökosoziale Entlastungen und Belastungen ab 2022!“ vom 27.10.2021) von 1.7.2022 auf nunmehr 1.10.2022 verschoben werden und damit erst zeitnahe zur Auszahlung des – für 2022 zudem deutlich erhöhten – Klimabonus schlagend werden (siehe dazu im nächsten Punkt.)

  • Boni zur Entlastung der breiten Bevölkerung (rund 2,8 Mrd EUR)

Zunächst soll der „Klimabonus“ – für das Jahr 2022 einmalig bzw einheitlich - auf 250 Euro erhöht werden (pauschale Erhöhung, ohne regionale Staffelung). Zusätzlich sollen alle Bezieher auch einen „Anti-Teuerungsbonus“ iHv ebenfalls 250 Euro erhalten, dh in Summe 500 Euro. Der Anti-Teuerungsbonus ist zudem bis zur ESt-Tarifstufe von 50 % steuerfrei. Kinder bis zu ihrem 18. Lebensjahr erhalten analog zur Klimabonusregelung 50% des Gesamtbetrages (insgesamt 250 Euro pro Kind).

  • Entlastung für Familien (rund 630 Mio EUR)

Bereits im August d. J. soll einmalig eine „Sonder-Familienbeihilfe“ iHv 180 Euro pro Kind ausbezahlt werden. Darüber hinaus soll die Erhöhung des ohnehin geplanten „Familienbonus Plus“ von 1.500 auf 2.000 Euro pro Jahr von 1.7.2022 rückwirkend auf 1.1.2022 vorgezogen werden. Außerdem soll der Kindermehrbetrag - zusätzlich zur bereits vorgesehenen Erhöhung auf 450 Euro - schon für 2022 auf 550 Euro erhöht werden.

  • Steuerfreie Teuerungsprämien von Arbeitgebern (rund 600 Mio EUR)

Zahlen Arbeitgeber an ihre Arbeitnehmer anläßlich der Preissteigerungen zusätzlichen Arbeitslohn, sollen derartige Zahlungen steuerlich begünstigt werden: Solche zusätzlichen Zahlungen sollen – in den Kalenderjahren 2022 bzw 2023 – als „Teuerungsprämie“ bis zu einem Betrag von insgesamt 3.000 Euro steuer- und sozialversicherungsfrei sein bzw auch keine weiteren Lohnnebenkosten anfallen. Von diesen maximal 3.000 Euro sind 1.000 Euro an eine entsprechende KV-Regelung (lohngestaltende Vorschrift) gebunden, während 2.000 Euro auch einzelnen Arbeitnehmern gewährt werden können. Allerdings soll die Deckelung von max. 3.000 Euro auch Zahlungen der neuen Mitarbeitergewinnbeteiligung gemäß § 3 Abs 1 Z 35 EStG includieren (vgl zuletzt unseren NL-Beitrag „ÖKOSOZIALE STEUERREFORM | Gesetzesbeschluss im Nationalrat“ vom 23.1.2022), wobei es aber möglich sein soll, Gewinnbeteiligungen nachträglich in Teuerungsprämien umzuqualifizieren und dadurch die SV- und LNK-Freiheit lukrieren zu können.

  • Strompreiskompensation (rund 235 Mio EUR)

Die starke Strompreiserhöhung in Europa aufgrund des Russland-Ukraine-Konflikts sowie infolge der wirtschaftlichen Entwicklung und der Zertifikatepreise im europäischen Emissionshandel trifft insbesondere energieintensive Unternehmen mit hohem Stromverbrauch, die im internationalen Wettbewerb stehen. Eine „Strompreiskompensation“ im Jahr 2022 soll einen Teil der indirekten CO2-Kosten, die durch die Weitergabe der Kosten von Treibhausgasemissionen über die Strompreise tatsächlich entstehen, rückvergüten. Die Mittel zur Bedeckung dieser Förderungen sind mit 75% der Einnahmen aus den Versteigerungserlösen des Jahres 2021 begrenzt.

  • Direktzuschuss für besonders energieintensive Unternehmen (bis zu 500 Mio EUR)

Unternehmen, die aufgrund der hohen Preise besonders unter hohen Energiekosten leiden, sollen für das Jahr 2022 durch einen Zuschuss zu den Mehrkosten in einem Gesamtvolumen von 400 bis 500 Mio Euro für Energie entlastet werden. Die genaue Ausgestaltung soll im Einklang mit den beihilferechtlichen Möglichkeiten im Befristeten Beihilfenrahmen der EU-Kommission erfolgen.


Strukturelle Entlastungen (ab 2023)
​​​​​​​

  • Abschaffung derkalten Progression(rund 16 Mrd EUR bis 2026!)

Da die Inflation voraussichtlich auch in den nächsten Jahren höher als in den vergangenen Jahren sein wird und damit der Effekt konstanter Grenzbeträge der einkommensteuerlichen Progressionsstufen künftig noch stärker auf die Einkommen wirken würde, soll diese sog. „kalte Progression“ ab 2023 vollständig abgeschafft bzw das Volumen der kalten Progression den betroffenen Einkommensteuerpflichtigen grundsätzlich in vollem Ausmaß zurückgegeben werden. Ein eigenes Gesetz zur Abschaffung der kalten Progression soll vorsehen, dass Grenzbeträge der Progressionsstufenmit Ausnahme der höchsten ESt-Tarifstufe von 55 % - sowie negativsteuerfähige Absetzbeträge (Verkehrsabsetzbetrag samt Zuschlag, Pensionisten-, Unterhalts-, Alleinerzieher- und -verdienerabsetzbetrag) automatisch um 2/3 der Inflation im Zeitraum Juli bis Juni jeweils ab 1. Jänner des Folgejahres angehoben werden. Damit soll auch eine höhere soziale Treffsicherheit gewährleistet werden. Um zudem auch auf die sich im Zeitablauf verändernden gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen reagieren zu können, soll die Bundesregierung weiters gesetzlich verpflichtet werden, jährlich im Ausmaß des restlichen Volumens von 1/3 der Wirkung der kalten Progression dem Nationalrat einen Gesetzesvorschlag vorzulegen, worin entsprechende Entlastungsmaßnahmen für Erwerbstätige und/oder Pensionisten im verbleibenden Volumen enthalten sind. Das maßgebliche Volumen soll jährlich durch einen wissenschaftlichen „Progressionsbericht“ festgestellt werden. Die Berechnungsmethodik soll durch Studien von WIFO und IHS festgelegt und alle zwei Jahre evaluiert werden. Sowohl die automatische Entlastung durch Anpassung der Tarifstufen als auch die „diskretionäre“ Entlastung sollen ab 1. Jänner jeden Jahres wirken.

Mit der Abschaffung der kalten Progression soll die Steuerentlastung nachhaltig abgesichert und mit dieser Maßnahme zugleich einer der zentralen steuerpolitischen Forderungen der letzten Jahre entsprochen werden.

  • Valorisierung von Sozialleistungen (rund 4 Mrd EUR bis 2026)

Analog zu den Effekten der „kalten Progression“ sinkt die reale Kaufkraft auch bei nicht indexierten Sozialleistungen und anhaltend hohen Inflationsraten. Vor diesem Hintergrund sollen ab 1.1.2023 das Reha-, Kranken- und Umschulungsgeld, die Studien- und Familienbeihilfe sowie der Kinderabsetzbetrag und das Kinderbetreuungsgeld (inkl. Familienzeitbonus) valorisiert werden. Basis für diese jährliche Valorisierung ist wiederum die Inflation im Zeitraum Juli bis Juni.

  • Senkung der Lohnnebenkosten (rund 1,8 Mrd EUR bis 2026)

Um den Wirtschaftsstandort Österreich mittelfristig zu attraktivieren und insbesondere in Zeiten hoher Inflation die Lücke der Abgabenlast zum Nettoeinkommen zu reduzieren, sollen die Lohnnebenkosten dauerhaft um 0,3 %-Punkte gesenkt werden (Absenkung UV-Beitrag um 0,1 %-Punkte, FLAF-Beitrag um 0,2 %-Punkte auf 3,7 %). Die Verminderung des FLAF-Beitrages wird auch als wichtiges Signal für lohngestaltende Maßnahmen in den nächsten zwei Jahren angesehen.

 

Weitere Vorgangsweise und legistische Umsetzung

 

Für die legistische Umsetzung der kurzfristigen Maßnahmen wurden die konkreten Gesetzesentwürfe bereits im Form von zwei Initiativanträgen dem Nationalrat zur parlamentarischen Behandlung zugewiesen, und zwar einerseits das umfangreiche sog. „Teuerungs-Entlastungspaket“ (mit dem die betroffenen Gesetze wie EStG, ASVG ua, FLAG, KommStG, Nationales Emissionszertifikatehandelsgesetz 2022 usw geändert und zwei neue Gesetze (nämlich ein „Lebenshaltungs- und Wohnkosten-Ausgleichs-Gesetz“ (LWA-G) und ein Gesetz über den Teuerungsausgleich für Studierende) erlassen werden sollen). Andererseits ist auch das neue Klimabonusgesetz (KliBG) entsprechend zu novellieren.

Die Beschlussfassung dieser Gesetzespakete im Plenum des Nationalrates soll im Rahmen einer eigens einberufenen Sondersitzung am 23.6.2022 erfolgen.

Für die mittel- und längerfristigen Maßnahmen, insbesondere die legistische Umsetzung der Abschaffung der „kalten Progression“, liegen bis dato noch KEINE Gesetzesentwürfe vor.

 

FAZIT

 

Das prognostizierte Entlastungsvolumen durch dieses umfassende Maßnahmenpaket gegen Teuerung und Inflation (Gesamtvolumen von über 28 Mrd EUR bis zum Jahr 2026) ist wahrlich beachtlich.

Unter den bereits in legistischer Umsetzung befindlichen kurzfristigen Maßnahmen finden sich auch einige, die bereits im Rahmen der ökosozialen Steuerreform konzipiert wurden (vgl dazu zuletzt unseren NL-Beitrag „ÖKOSOZIALE STEUERREFORM | Gesetzesbeschluss im Nationalrat“ vom 23.1.2022) und nunmehr lediglich die Beträge und/oder Inkrafttretenszeitpunkte geändert werden. Die Beschlussfassung aller kurzfristigen Maßnahmen („Teuerungs-Entlastungspaket“ sowie Novellierung des KliBG) durch den Nationalrat soll im Rahmen einer für 23.6.2022 anberaumten Sondersitzung erfolgen. Die Gesetzwerdung (Kundmachung im Bundesgesetzblatt) bleibt abzuwarten.

Bei den mittel- und längerfristigen Strukturmaßnahmen darf insbesondere die „technische“ Ausgestaltung der – seit vielen Jahren diskutierten - Abschaffung derkalten Progression“ (automatische jährliche Anpassung der ESt-Tarifstufen an die Inflation) mit Spannung erwartet werden.

Für weitere Fragen zu diesen Themen stehen Ihnen die Verfasser sowie auch die übrigen ExpertInnen unserer Service Lines, insbesondere "Corporate Tax​​​​​​​", gerne zur Verfügung.