NEWS  |   |  

UMSATZSTEUER | Aufgepasst bei der Vertragsgestaltung (Teil 2)

Im ersten Teil dieser Newsletterreihe haben wir bereits darauf aufmerksam gemacht, dass bei der Vertragsgestaltung besondere Vorsicht geboten ist. Je nachdem, was geschuldet wird, ist eine entsprechende Einstufung der Leistung vorzunehmen. Im Projektgeschäft ist die Unterscheidung zwischen einer grenzüberschreitenden bewegten Lieferung und einer ruhenden Lieferung im Bestimmungsland von großer Bedeutung. Diese Unterscheidung kann in der Praxis häufig nicht eindeutig aus den Verträgen abgeleitet werden. Im folgenden Beitrag werden wir die Probleme einer widersprüchlichen Vertragsgestaltung anhand eines Anlagenbauvertrages zwischen einem österreichischen Auftragnehmer und einem italienischen Auftraggeber aufzeigen.

 

Ausgangssituation


​​​​​​​Ein österreichisches Unternehmen wurde von einem italienischen Unternehmen mit der Lieferung inkl. Montageüberwachung und Inbetriebnahme einer Anlage beauftragt. Gemäß dem europäischen Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung und der in Italien vorherrschenden Sichtweise handelt es sich bei den Leistungen des österreichischen Unternehmens grundsätzlich um eine einheitliche Leistung. Diese einheitliche Leistung besteht in der Lieferung und Übergabe einer funktionsfähigen Anlage (bzw. von Anlagenteilen). Es besteht im Binnenmarkt der Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung in jenen Fällen, bei denen eine Trennung der einzelnen Liefer- und Dienstleistungskomponenten wirklichkeitsfremd wäre, wenn gegenüber dem Kunden ein komplettes und funktionstüchtiges Werk geschuldet wird.

Sobald eine Montage ausschlaggebend für die Marktgängigkeit und die Funktionsfähigkeit der gelieferten Gegenstände ist und die Abnahme des Kunden und damit auch die Verschaffung der Verfügungsmacht von einer ordnungsgemäßen Durchführung dieser Arbeiten in Italien abhängt, ist der umsatzsteuerrechtliche Leistungsort dort gelegen, wo diese Verschaffung der Verfügungsmacht tatsächlich stattfindet. Sie kann daher im Umkehrschluss nicht am Beginn der Beförderung und Versendung der Anlagenteile in Österreich gelegen sein.

Sind die Montagearbeiten wirtschaftlich und technisch bedeutend, ist der Zusammenbau somit wesentlicher Leistungsinhalt und werden die Montagearbeiten selbst durchgeführt, ist von einer einheitlichen Montagelieferung im Sinne des Art. 36 RL 2006/112/EG auszugehen. In Art. 36 RL 2006/112/EG ist der Montageort als Leistungsort geregelt. Die Montagelieferung ist demnach in Italien steuerbar und steuerpflichtig. Im italienischen Recht wurde mit Art. 17 Italian VAT Code ein allgemeines Reverse Charge Verfahren für ausländische Unternehmer normiert. Das italienische Reverse Charge Verfahren kommt zur Anwendung, wenn im Sinne des Art. 17 Abs. 2 Italian VAT Code Lieferungen oder sonstige Leistungen von nicht in Italien ansässigen Unternehmern an in Italien ansässige Kunden erbracht werden. Dadurch, dass im italienischen Recht im Anwendungsbereich des Reverse Charge Verfahrens allgemein von Lieferungen gesprochen wird und folglich sämtliche Liefertatbestände hiervon abgedeckt werden, fallen sowohl in Italien steuerbare Montagelieferungen, als auch in Italien steuerbare Gegenstandslieferungen darunter.

Auf die wesentlichen rechtlichen Grundlagen zur Bestimmung der Leistungsart und des damit verbundenen Leistungsortes, insbesondere bei Lieferungen im Zusammenhang mit Projekten im Ausland, sind wir im ersten Teil UMSATZSTEUER | Aufgepasst bei der Vertragsgestaltung (Teil 1) bereits eingegangen.
​​​​​​​

Vertragsanpassung: Montage durch den Kunden


​​​​​​​Auf Wunsch des Kunden wurde der Vertrag über die Lieferung inkl. Montageüberwachung und Inbetriebnahme der Anlage dahingehend geändert, als dass die Montage (aus Kostengründen) nicht mehr vom Lieferanten oder in dessen Auftrag durchgeführt wird. Stattdessen stellt der Kunde das Montagepersonal selbst bei und der Lieferant erbringt zusätzlich zur Lieferung nur die Montageüberwachung. Die weiterführenden vertraglichen Bestimmungen bleiben unverändert.

Es stellt sich die Frage, ob diese Überwachungsleistung einer selbst durchgeführten Montage von der Wertigkeit gleichzustellen ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Lieferant die Verantwortung/Haftung für die Ausführung der Montage trägt bzw. im Rahmen der Überwachung sogar mitgearbeitet wird und das Risiko für den Lieferanten vergleichbar bzw. gleich ist, als wenn die Montage mit eigenem Personal durchgeführt wird. In der Praxis wird bei der Übergabe an den Kunden nicht unterschieden, wer die Montage durchgeführt hat. Stattdessen ist sowohl für den Lieferanten als auch für den Kunden die ordnungsgemäße Erfüllung des Vertrages und die Funktionalität der Anlage nach der Montageleistung relevant. Diese entscheidet letzten Endes, ob die Verschaffung der Verfügungsmacht tatsächlich erfolgt und somit das Risiko auf den Kunden übergeht. Je nachdem, ob eine Montageüberwachung in ihrer tatsächlichen Ausgestaltung und Durchführung einer Montageleistung gleichgestellt werden kann ist zu entscheiden, ob die Leistung als eine einheitliche Montagelieferung gemäß Art. 36 RL 2006/112/EG einzuordnen ist.

Wenn vertraglich ein funktionsfähiger Gegenstand geschuldet wird, der Leistende aber nur eine Überwachungsleistung erbringt, die für die Montagetätigkeit keine gewichtige Bedeutung hat, wird Art. 36 RL 2006/112/EG nicht anwendbar sein. Ungeachtet dessen, führt die Verschaffung der Verfügungsmacht durch eine protokollierte Abnahme zu einer ruhenden Lieferung in Italien. Diese ist im Sinne des Art. 31 RL 2006/112/EG in Italien steuerbar und steuerpflichtig. Die Versendung/Beförderung jener Gegenstände, die für die Ausführung der ruhenden Lieferung nach Italien verbracht wurden, wären in diesem Fall in Form einer innergemeinschaftlichen Verbringung (in Italien als innergemeinschaftlicher Erwerb) zu erklären. Im Rahmen einer Lieferung gemäß Art. 31 RL 2006/112/EG ist keine vorübergehende Verwendung vorgesehen (Ausnahme von der Meldepflicht).

Der Leistungsort ist also in beiden Fällen in Italien gelegen. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass in beiden Fällen eine betriebsbereite Anlage in Italien übergeben werden muss, deren Abnahme durch den Kunden durch einen definierten Übergabeprozess (meist mit Funktionsprüfung) erfolgt. Es entsteht daher der vertraglich geschuldete Liefergegenstand in beiden Fällen erst in Italien. Die Montageüberwachung und die später folgende Inbetriebnahme und Übergabe der Anlage an den Kunden, können nicht als eigenständige Leistungen angesehen werden, sondern sind integraler Bestandteil des Gesamtvertrages.​​​​​​​
​​​​​​​

Vertragsanpassung: Verschaffung der Verfügungsmacht mit Lieferung


​​​​​​​Aufgrund eines weiteren Wunschs des Kunden, betreffend die vertraglichen Bestimmungen, ist es erneut zu einer Vertragsabänderung gekommen. Um eine Förderung im laufenden Geschäftsjahr noch geltend machen zu können, wurde der Vertrag dahingehend geändert, als dass die Anlagenteile vorab geliefert und bezahlt wurden und dem Kunden die Verfügungsmacht somit vor Fertigstellung der funktionsfähigen Anlage verschafft wurde.

Die Voraussetzungen für das Vorliegen einer einheitlichen Leistung gemäß dem europäischen Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung, ursprünglich bestehend aus der Lieferung und Übergabe einer funktionsfähigen Anlage, sind nicht mehr gegeben. Stattdessen liegen eigenständige Lieferungen von Gegenständen vor. Diese Lieferungen stellen grundsätzlich steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen mit Leistungsort in Österreich dar. Mit den weiterführenden vertraglichen Bestimmungen (Gewährleistungsfrist, Zahlungsbedingungen, … ), welche nach wie vor auf eine einheitliche Montagelieferung abstellen, lässt sich die Leistungskategorisierung als eigenständige innergemeinschaftliche Lieferungen aber nicht vereinbaren.
​​​​​​​

Lösung des Vertragsdilemmas nach italienischem Recht


​​​​​​​Als Lösung für die Abwicklung wurde auf eine Sonderbestimmung in Italien zurückgegriffen. In Italien ist es zulässig, eine innergemeinschaftliche Lieferung über die “Zwischenschaltung” eines Fiskalvertreters abzuwickeln. Dies führt im beschriebenen Fall zu folgender umsatzsteuerlicher Abwicklung:

  1. Der österreichische Lieferant führt ein innergemeinschaftliches Verbringen an den italienischen Fiskalvertreter aus (anstelle einer innergemeinschaftlichen Lieferung an den Kunden)
  2. Der italienische Fiskalvertreter erbringt eine in Italien steuerbare und steuerpflichtige Lieferung an den Kunden. Die Steuerschuld geht auf den Kunden über. Dies gilt auch dann, wenn die Lieferung direkt vom österreichischen Lieferanten an den Endkunden erfolgt.

Hierbei handelt es sich um eine nationale Bestimmung, welche nur in Italien Anwendung findet, wenn die entsprechenden Kriterien erfüllt werden. Da eine bewegte Lieferung immer dort als ausgeführt gilt, wo der Warentransport beginnt, ist diese Abwicklung grundsätzlich nicht EU-rechtskonform. Ein Tax Ruling aus 2023 (vgl. Agenzia delle Entrate, Tax Ruling Nr. 57/2023 vom 17.01.2023) bestätigt jedoch diese nationale Sichtweise. Ungeachtet dessen, kann und wurde diese Variante nur als “Reparaturmaßnahme” der missglückten Vertragssituation verwendet und darf aus Risikosicht keine Standardvariante darstellen.

 

FAZIT


​​​​​​​Für eine eindeutige Leistungskategorisierung und der damit verbundenen Bestimmung des Leistungsorts sowie der korrekten steuerlichen Abwicklung ist die vertragliche Gestaltung entscheidend. Ein Auseinanderklaffen von tatsächlicher Abwicklung und vertraglicher Grundlage kann erhebliche Folgen nach sich ziehen und führt im Regelfall zu Steuerproblemen, die meist nicht so einfach saniert werden können. Um dem vorzubeugen ist es wichtig, etwaige Kundenwünsche hinsichtlich der vertraglichen Ausgestaltung von Projekten kritisch zu hinterfragen und sich schon im Vorhinein mit möglichen Konsequenzen aus der Vertragsabänderung auseinanderzusetzen.

Sollten Sie Unterstützung bei der Überprüfung Ihrer Verträge sowie der Leistungskategorisierung benötigen oder anderweitige Fragen zum angesprochenen Themenbereich haben, stehen Ihnen die Verfasser dieses Beitrages und die übrigen Mitarbeiterinnen unserer Service Line “Indirect Tax and Customs” gerne zur Verfügung!