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WIRTSCHAFTSPRÜFUNG | Haftung des Abschlussprüfers

Die Haftung des Abschlussprüfers ist ein zentraler Aspekt im Berufsrecht der Wirtschaftsprüfung, der erheblichen Einfluss auf das Vertrauen und die Sicherheit der Finanzberichterstattung hat, was durch die medienwirksamen Bilanzskandale der jüngsten Zeit (Commerzialbank Mattersburg oder Wirecard) besonders sichtbar wurde. Abschlussprüfer tragen durch ihre Prüfungsergebnisse maßgeblich zur Entscheidungsfindung verschiedener Stakeholder bei. In ihrer Rolle als unabhängige Instanz müssen sie die Ordnungsmäßigkeit und Verlässlichkeit der Jahresabschlüsse bestätigen, wobei sie für Fehler oder Versäumnisse haftbar gemacht werden können...

Begriffsdefinitionen

Unter Haftung versteht man das Einstehen für ein eigenes oder fremdes Verschulden. Im Fall des Abschlussprüfers1) bedeutet dies, dass er für etwaige Schäden haftet, die durch unsachgemäße Prüfungsverfahren oder eine Vernachlässigung von Prüfpflichten entstanden sind. Die folgenden Ausführungen betreffen sinngemäß auch Konzernabschlussprüfer. Auf spezielle Vorschriften bei Banken- und Versicherungsprüfungen wird in diesem Beitrag nicht eingegangen. Die Haftung unterteilt sich in:

“Innenhaftung”: Diese basiert auf vertraglichen Verpflichtungen gegenüber der Gesellschaft und setzt voraus, dass der Prüfer seine Pflichten gegenüber dem Auftraggeber (Gesellschaft) verletzt hat.

“Dritthaftung”: In bestimmten Fällen kann der Abschlussprüfer auch gegenüber Dritten, wie Gläubigern oder Anteilseignern, haften, wenn ein Prüfungsfehler oder ein irreführender Bestätigungsvermerk zu deren wirtschaftlichem Schaden führt.

Mit zunehmenden Anforderungen an die Transparenz und Genauigkeit der Berichterstattung steigt die Bedeutung der Abschlussprüferhaftung. Die Verschärfung der regulatorischen Anforderungen und die Entwicklung juristischer Präzedenzfälle verlangen vom Abschlussprüfer höchste Sorgfalt und Professionalität, um sowohl rechtlichen als auch berufsethischen Standards gerecht zu werden.

Grundlagen der Abschlussprüferhaftung

Die rechtlichen Grundlagen der Abschlussprüferhaftung sind im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB), im Unternehmensgesetzbuch (UGB) und in den Allgemeinen Auftragsbedingungen (AABs) verankert:

Haftung gemäß § 1299 ABGB

Gemäß § 1299 ABGB haftet der Abschlussprüfer als Sachverständiger. Das bedeutet, dass die Sorgfaltsanforderungen besonders hoch angesetzt sind und den Prüfer persönlich verantwortlich machen. Im Schadensfall muss der Schädiger (Abschlussprüfer) beweisen, dass ihn kein Verschulden trifft. Für sogenannte Erfüllungsgehilfen (Angestellte) haftet der Berufsberechtigte wie für eigenes Verschulden. Gibt der vertretene Berufsberechtigte hingegen dem Auftraggeber die Vertretung bekannt, so haftet dieser nur für die Auswahl des Vertreters (Auswahlhaftung gemäß § 1010 ABGB). Die Höhe der Haftung ergibt sich aus der Verschuldensform und wird in nachfolgender Tabelle zusammenfassend dargestellt:

Verschuldensform Definition Haftung
Vorsatz Handeln im vollen Bewusstsein der Rechtswidrigkeit positiver Schaden + entgangener Gewinn
Grobe Fahrlässigkeit Handeln mit grober Verletzung der Sorgfaltspflicht positiver Schaden + entgangener Gewinn
Leichte Fahrlässigkeit Versehen positiver Schaden (gänzlich ausschließbar)

 

Haftung gemäß § 275 UGB

Diese zentrale Norm verpflichtet den Abschlussprüfer zu einer gewissenhaften und unparteiischen Prüfung. Obwohl hier nur von der Haftung gegenüber der Gesellschaft selbst und mit der Gesellschaft verbundenen Unternehmen die Rede ist, hat die Rechtsprechung diese Norm bereits in vielerlei Hinsicht auf das Verhältnis zu Dritten umgelegt. Im Vergleich zur Sachverständigenhaftung gemäß ABGB sieht das UGB hier besondere Haftungsregelungen vor, wobei sich diese grundsätzlich nur auf sogenannte Pflichtprüfungen gemäß § 268 ff UGB beziehen. Bei der Prüfung des Jahresabschlusses eines nicht prüfungspflichtigen Unternehmens (sogenannte freiwillige Prüfung) ist eine separate Vereinbarung der Haftungsobergrenze erforderlich, (siehe dazu Fachgutachten KFS/PE 13 “Begrenzung der Haftung des Abschlussprüfers bei Abschlussprüfungen, die keine Pflichtprüfungen gemäß § 268 UGB sind”). Im Gegensatz dazu gibt es auch zahlreiche Bestimmungen, die auf die sinngemäße Anwendung des § 275 UGB verweisen (z.B. Prüfungen iZm Spaltungen (§ 5 Abs 3 SpaltG), Gründungsprüfungen (§ 42 AktG, § 6a Abs 4 GmbH), Prüfungen von Sacheinlagen (§ 150 Abs 3 AktG, § 5 Abs 6 GmbHG).

Die Besonderheiten der Bestimmungen des § 275 UGB betreffen im Wesentlichen folgende Punkte:

  • Betraglich festgelegte Haftungshöchstgrenzen (§ 275 Abs 2 UGB) auf die in der nachfolgenden Tabelle festgelegten Beträge, welche je nach Verschuldensform und Größe der geprüften Gesellschaft unterschiedlich hoch ausfallen können. Diese Grenzen gelten nicht bei Vorsatz und für Abschlussprüfer, die in Kenntnis oder grober Unkenntnis ihrer Ausgeschlossenheit Prüfungsaufträge angenommen haben.
Verschuldensform Größe der geprüften Gesellschaft Haftung bis zu
Leichte und grobe Fahrlässigkeit Kleine und mittelgroße Gesellschaften (§ 221 Abs 2 UGB) 2 Mio EUR
Leichte und grobe Fahrlässigkeit große Gesellschaften (§ 221 Abs 3 UGB) 4 Mio EUR
Leichte und grobe Fahrlässigkeit große Gesellschaften (§ 221 Abs 3 UGB), bei denen 
eines der in Euro ausgedrückt Größenmerkmale
um das Fünffache überschritten wird ("Fünffach-große")
8 Mio EUR
Leichte und grobe Fahrlässigkeit große Gesellschaften (§ 221 Abs 3 UGB), bei denen 
eines der in Euro ausgedrückt Größenmerkmale
um das Zehnfache überschritten wird ("Zehnfach-große")
12 Mio EUR
  • Verjährungsfrist von 5 Jahren (§ 275 Abs 5 UGB) als lex specialis zur allgemeinen Verjährungsvorschrift des § 1489 ABGB
  • Gesamtschuldnerische (solidarische) Haftung bei einer gemeinsamen Prüfung durch mehrere Abschlussprüfer ("joint audit")

Haftungsregelungen der AAB (Allgemeine Auftragsbedingungen):

Die Allgemeinen Auftragsbedingungen erlauben es, die Haftung des Abschlussprüfers im Rahmen der gesetzlichen Grenzen zu beschränken. Die AABs können im Prüfungsvertrag individualisiert werden und sind oft so ausgestaltet, dass sie die Haftung des Prüfers auf bestimmte Fehler oder Situationen beschränken. Dies muss jedoch ausdrücklich vereinbart und auf eine klare Kommunikation mit dem Auftraggeber gestützt werden. Im Regelfall werden die Haftungsbedingungen wie folgt festgelegt:

Verschuldensform Definition Haftung
Vorsatz Handeln im vollen Bewusstsein der Rechtswidrigkeit volle Haftung
Grobe Fahrlässigkeit Handeln unter auffallender und ungewöhnlicher Vernachlässigung der Sorgfaltspflicht beschränkt: Zehnfache der Mindestversicherungssumme
Leichte Fahrlässigkeit Versehen Kann durch AAB für Abschlussprüfungen nicht ausgeschlossen werden!


Pflichten des Abschlussprüfers

Der Abschlussprüfer hat umfassende Pflichten, deren Verletzungen zu rechtlichen Folgen führen können. Diese Pflichten und mögliche Haftungsrisiken werden nachfolgend erläutert:

Verschwiegenheit und Verwertungsverbot (gemäß § 275 Abs 1 UGB iVm § 80 WTBG)

Abschlussprüfer, seine Gehilfen und die bei der Prüfung mitwirkenden gesetzlichen Vertreter einer Prüfungsgesellschaft sind zur Verschwiegenheit verpflichtet und dürfen nicht unbefugt Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse verwerten. Darüber hinaus umfasst die Verschwiegenheitsverpflichtung auch jegliche Informationen, an denen die geprüfte Gesellschaft ein sachlich begründetes Geheimhaltungsinteresse hat. Die Verschwiegenheitspflicht gilt umfassend und erstreckt sich auf alle Informationen, die der Abschlussprüfer im Rahmen seiner Tätigkeit erlangt, unabhängig davon, ob diese direkt mit dem Prüfungsgegenstand in Verbindung stehen oder nicht. Diese Pflicht zur Vertraulichkeit dient nicht nur dem Schutz der geprüften Gesellschaft, sondern stärkt auch das Vertrauen der Öffentlichkeit und anderer Stakeholder in den Berufsstand der Wirtschaftsprüfer. Verstöße gegen das Verwertungsverbot können erhebliche rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen und die Glaubwürdigkeit des Prüfers massiv beeinträchtigen.

Sorgfaltspflicht (gemäß § 275 Abs 2 UGB iVm § 71 Abs 1 WTBG)

Der Abschlussprüfer muss mit der gebotenen Sorgfalt handeln und ist zur gewissenhaften und unparteiischen Prüfung verpflichtet. Diese Pflicht bezieht sich auch auf die Dokumentation und das Festhalten aller Prüfungsprozesse, um eine spätere Überprüfung zu ermöglichen. Es wird erwartet, dass der Prüfer eine risikobasierte Prüfung durchführt und besondere Aufmerksamkeit auf potenzielle Risikobereiche legt. Als gewissenhaft ausgeführte Tätigkeit wird verstanden, dass die ausführende Person nach bestem Wissen und Gewissen alles für die Zweckerreichung Nötige tut. Die Verpflichtung zur Unparteilichkeit beschreibt, dass die Beurteilung eines vollständig erhobenen Sachverhalts allein auf Basis von objektiv-sachlichen Motiven und keinen fremden Interessen zu erfolgen hat. Der Abschlussprüfer muss mit der gebotenen Sorgfalt handeln und ist zur gewissenhaften und unparteiischen Prüfung verpflichtet. Diese Pflicht bezieht sich auch auf die Dokumentation und das Festhalten aller Prüfungsprozesse, um eine spätere Überprüfung zu ermöglichen. Es wird erwartet, dass der Prüfer eine risikobasierte Prüfung durchführt und besondere Aufmerksamkeit auf potenzielle Risikobereiche legt. Als gewissenhaft ausgeführte Tätigkeit wird verstanden, dass die ausführende Person nach bestem Wissen und Gewissen alles für die Zweckerreichung Nötige tut. Die Verpflichtung zur Unparteilichkeit beschreibt, dass die Beurteilung eines vollständig erhobenen Sachverhalts allein auf Basis von objektiv-sachlichen Motiven und keinen fremden Interessen zu erfolgen hat.

Pflicht zur Unabhängigkeit (gemäß § 271 ff UGB § 71 Abs 1 WTBG)

Abschlussprüfer müssen ihre Aufgaben ohne äußere Einflussnahme und ohne Interessenkonflikte ausführen. Gemäß dieser Vorschrift müssen sie bei der Durchführung ihrer Prüfungen stets objektiv und frei von jeglichen Bindungen sein, die ihre Unparteilichkeit und professionelle Urteilsfähigkeit beeinträchtigen könnten. Jede Situation, die potenziell zu Interessenkonflikten führen könnte, ist zu vermeiden. Dazu gehören auch persönliche Beziehungen oder finanzielle Interessen an der geprüften Gesellschaft. Diese Unabhängigkeit ist ein Grundpfeiler der Berufsausübung und garantiert, dass die Prüfungsberichte und -ergebnisse verlässlich sind und das Vertrauen der Öffentlichkeit und der Marktteilnehmer in die geprüften Abschlüsse gestärkt wird. Verstöße gegen diese Unabhängigkeitspflicht können das Prüfungsverfahren erheblich beeinträchtigen und sind daher durch das Gesetz streng geregelt und sanktioniert.

Redepflicht gemäß § 273 Abs 2 bis 4 UGB

Der Abschlussprüfer ist dazu verpflichtet, den gesetzlichen Vertretern sowie den Mitgliedern des Aufsichtsrats unverzüglich Bericht zu erstatten, wenn er im Rahmen seiner Prüfung Tatsachen feststellt, die den Fortbestand des Unternehmens gefährden oder seine wirtschaftliche Entwicklung erheblich beeinträchtigen könnten. Diese gesetzliche Verpflichtung soll sicherstellen, dass die zuständigen Organe des Unternehmens sowie gegebenenfalls die Öffentlichkeit frühzeitig über bedrohliche Entwicklungen informiert werden. Dazu zählen etwaige Anzeichen für eine drohende Insolvenz, schwerwiegende Liquiditätsprobleme oder Risiken, die die Ertragslage nachhaltig beeinträchtigen könnten. Ebenso müssen schwerwiegende Verstöße der gesetzlichen Vertreter oder von Arbeitnehmern gegen Gesetz, Gesellschaftsvertrag oder Satzung unverzüglich berichtet werden. Die Redepflicht dient somit dem Schutz der Stakeholder und fördert die Transparenz und Stabilität in der Unternehmensführung. Ein Verstoß gegen diese Pflicht kann schwerwiegende Konsequenzen für den Prüfer und das Unternehmen nach sich ziehen. 

Voraussetzungen für eine Haftung bei Pflichtverletzungen

Für die Haftung des Abschlussprüfers müssen verschiedene Voraussetzungen gegeben sein, um Schadenersatzansprüche zu begründen. Diese Voraussetzungen umfassen typischerweise das Vorliegen eines Schadens, die Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden, die Rechtswidrigkeit des Handelns sowie ein Verschulden des Prüfers. Ebenso ist die Frage der Beweislast zu klären, um festzulegen, wer die Verantwortung für den Nachweis der Pflichtverletzung trägt.

Schaden

Ein zentraler Aspekt bei der Überprüfung von Pflichtverletzungen ist der dadurch entstandene Schaden. Üblicherweise handelt es sich bei den Schäden, die einer geprüften Gesellschaft entstehen um Vermögensschäden, welche durch eine unsorgfältige oder parteiische Prüfung verursacht wurden. Solche Schäden gehen meist auf einen fehlerhaften Jahres- oder Konzernabschluss zurück, der von den gesetzlichen Vertretern aufgestellt und durch die pflichtwidrige Prüfung des Prüfers nicht aufgedeckt wurde. Investoren oder Gläubiger, die aufgrund solcher Berichte Entscheidungen treffen, können durch eine Fehleinschätzung Verluste erleiden.

Besonders relevant in der Praxis sind Fälle, in denen der Abschlussprüfer seine gesetzliche Redepflicht gemäß § 273 Abs 2 UGB verletzt. Kommt der Prüfer dieser Verpflichtung nicht nach, kann das dazu führen, dass die gesetzlichen Vertreter und der Aufsichtsrat keine Möglichkeit haben, notwendige Maßnahmen zur Schadensabwehr zu ergreifen, was eine Haftung des Prüfers begründet.

Verletzt der Prüfer oder einer seiner Gehilfen die Verschwiegenheitspflicht, können der Gesellschaft Schäden erwachsen (z.B. durch der Konkurrenz bekannt gewordene Geschäftsgelegenheiten). Da Pflichtprüfungen durchwegs beidseitig unternehmensbezogene Geschäfte sind, umfasst der ersatzfähige Schaden nicht nur den positiven Schaden, sondern auch den entgangenen Gewinn (§ 349 UGB). 

Kausalität

Damit ein Prüfer für einen entstandenen Schaden haftbar gemacht werden kann, muss nach schadenersatzrechtlichen Grundsätzen die Kausalität zwischen der Pflichtverletzung des Prüfers und dem eingetretenen Schaden gegeben sein. Dies bedeutet, dass sowohl die äquivalente Kausalität (conditio sine qua non) als auch die Adäquanz erfüllt sein müssen. Die Prüfung der Kausalität stellt darauf ab, ob der Schaden bei einem pflichtgemäßen Verhalten des Prüfers hätte vermieden werden können. Der Prüfer haftet dabei nur für Schäden, die er bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt hätte aufdecken müssen – allgemeine Fehler im Jahresabschluss allein reichen nicht aus. Bei der Redepflicht gemäß § 273 Abs 2 UGB ist die Kausalität dann gegeben, wenn die rechtzeitige Meldung durch den Prüfer dem Aufsichtsrat die Möglichkeit gegeben hätte, Maßnahmen zur Schadensvermeidung zu ergreifen. Ist der Schaden dagegen nur aufgrund einer außergewöhnlichen Verkettung von Umständen eingetreten oder wäre ein angemessenes Alternativverhalten des Prüfers ohne Wirkung geblieben, entfällt die Haftung.

Rechtswidrigkeit

Der Prüfer steht in einem vertraglichen Verhältnis zur geprüften Gesellschaft, welches überwiegend durch gesetzliche Regelungen bestimmt ist. Die Rechtswidrigkeit ergibt sich dabei aus der Verletzung des Prüfungsvertrages und insbesondere der in § 275 Abs 1 und 2 UGB festgelegten Pflichten. 

Die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (OGH) bejaht den Rechtswidrigkeitszusammenhang auch dann, wenn sich ein Risiko verwirklicht, das an sich nicht vom Prüfer hätte aufgedeckt werden müssen. Dies ist dann der Fall, wenn fehlerhafte Prüfungsmaßnahmen die Wahrscheinlichkeit des Eintritts des Risikos nicht bloß unerheblich erhöht haben. Damit wird sichergestellt, dass der Prüfer auch für Risiken haftet, deren Eintritt er durch eine ordnungsgemäße Prüfung hätte verhindern können.

Verschulden

Die Frage des Verschuldens ist ein weiterer wesentlicher Bestandteil der Haftung des Abschlussprüfers. Als Sachverständiger unterliegt der Prüfer dem objektiven Sorgfaltsmaßstab gemäß § 1299 ABGB. Dies bedeutet, dass er die für seine Tätigkeit erforderlichen Kenntnisse und die notwendige Sorgfalt besitzen muss. Er haftet für alle Mängel, die darauf zurückzuführen sind, dass er diesen Maßstäben nicht gerecht wurde. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Unterscheidung zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit. Bei vorsätzlichem Handeln des Prüfers gibt es keine Haftungsbegrenzung. Dies schließt auch den sogenannten Eventualvorsatz ein, bei dem der Prüfer den schädlichen Erfolg für möglich hält und ihn akzeptiert. Fahrlässigkeit dagegen bedeutet, dass der Prüfer die erforderliche Sorgfalt vernachlässigt hat, ohne den Schaden bewusst in Kauf zu nehmen. Dabei gibt es die bewusste Fahrlässigkeit, bei der der Prüfer zwar den Schaden für möglich hält, aber darauf vertraut, dass dieser nicht eintritt. Diese Unterscheidungen sind zentral für die Haftung und die Beurteilung der Verantwortlichkeit des Prüfers im Schadenfall.

Beweislast

Gemäß § 1298 ABGB gilt im Allgemeinen eine Beweislastumkehr, da es sich bei der Prüfpflicht um eine vertragsmäßige Verbindlichkeit handelt. Die Anwendbarkeit der Beweislastumkehr auf die Abschlussprüferhaftung ist jedoch in der Rechtswissenschaft umstritten, insbesondere im Hinblick auf die Frage, ob sie sich nur auf Schaden und Kausalität oder auch auf Rechtswidrigkeit und Verschulden erstreckt. Grundsätzlich muss der Geschädigte Schaden und Kausalität nachweisen. Bezüglich der objektiven Sorgfaltspflichtverletzung wird jedoch meist angenommen, dass der Prüfer nachweisen muss, dass er die Prüfung sorgfältig und ordnungsgemäß durchgeführt hat, sofern ein Schaden nachgewiesen wurde. Damit obliegt es dem Prüfer, darzulegen, dass er keine Sorgfaltspflichtverletzung begangen hat, was zu einer stärkeren Belastung des Prüfers im Haftungsfall führt. Für eine erhöhte Haftungsgrenze bei grober Fahrlässigkeit gemäß § 275 Abs 2 UGB ist es jedoch erforderlich, dass die Gesellschaft die grobe Fahrlässigkeit des Prüfers nachweisen kann. Hierbei bleibt die Beweislast klar bei der Gesellschaft, die den Nachweis einer schwerwiegenden Sorgfaltspflichtverletzung erbringen muss, um die Haftung auf das Fünffache der normalen Grenze auszuweiten. Zusätzlich kommt dem Prüfer der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens zugute. Dieser besagt, dass der Prüfer nicht haftet, wenn der Schaden auch bei einer sorgfältigen Prüfung unvermeidbar gewesen wäre. Das Prinzip schützt den Prüfer vor einer Haftung für Schäden, die unter den gegebenen Umständen selbst bei ordnungsgemäßem Verhalten eingetreten wären.

Praxisbeispiel: Entscheidung 6 Ob 207/20i vom 18.02.2021

Ein anschauliches Beispiel für die Haftung des Abschlussprüfers ist die Entscheidung 6 Ob 207/20i, die am 18. Februar 2021 vom Obersten Gerichtshof gefällt wurde. In diesem Fall wurde der Abschlussprüfer für eine Nachlässigkeit in der Kapitalerhaltung zur Verantwortung gezogen, die zu erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen führte. Die Entscheidung betont die Verantwortung des Prüfers, besonders bei Maßnahmen wie der Einlagenrückgewähr, eine ordnungsgemäße Prüfung und Dokumentation durchzuführen.

Im vorliegenden Fall wurde eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft von der Treuhänderin im Sanierungsverfahren einer Kommanditgesellschaft auf Schadenersatz verklagt. Die Beklagte hatte den Jahresabschluss der Kommanditgesellschaft geprüft und dabei ein uneingeschränktes Prüfungsurteil im Bestätigungsvermerk erteilt. Die Klägerin warf der Beklagten jedoch vor, ihre Redepflicht verletzt zu haben, indem sie nicht auf einen Verstoß gegen Kapitalerhaltungsvorschriften hingewiesen habe, der im Zusammenhang mit der Einbringung von Vermögen in eine andere Gesellschaft ohne Gegenleistung vorlag.

Der Oberste Gerichtshof (OGH) bestätigte in diesem Zusammenhang, dass eine solche Einbringung von Vermögen aus einer Kapitalgesellschaft & Co KG ohne Gegenleistung an den Kommanditisten einen offenen Verstoß gegen das Kapitalerhaltungsgebot (§ 82 GmbHG) darstellt. Diese Einlagenrückgewähr führt zur unzulässigen Verminderung des Eigenkapitals der Gesellschaft. Darüber hinaus stellte der OGH klar, dass ein Aufwertungsgewinn, der aus einem nichtigen Rechtsgeschäft resultiert, nicht zur Aufrechnung gegen die unzulässige Vorabentnahme verwendet werden kann, da dieser Gewinn den Kapitalabfluss nicht ausgleichen kann.

Der OGH betonte zudem die Redepflicht des Abschlussprüfers gemäß § 273 UGB. Der Prüfer hätte erkennen müssen, dass die Transaktion eine unzulässige Einlagenrückgewähr darstellte und darauf entsprechend hinweisen müssen. Das Versäumnis dieser Berichterstattungspflicht stellte eine wesentliche Pflichtverletzung dar. Bezüglich der Kausalität stellte der OGH fest, dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit ausreicht, um anzunehmen, dass der Schaden bei pflichtgemäßem Handeln des Prüfers hätte verhindert werden können.

Dieses Urteil unterstreicht die Bedeutung der Einhaltung der Kapitalerhaltungsvorschriften und der sorgfältigen Prüfungspflicht durch Abschlussprüfer. Ein Verstoß gegen diese Vorschriften sowie das Unterlassen der Berichterstattungspflicht können erhebliche Haftungsrisiken nach sich ziehen. Weitere Informationen zum Thema verdeckte Gewinnausschüttungen finden Sie in unserem NL-Beitrag “KAPITALGESELLSCHAFTEN | Verdeckte Ausschüttung trotz Gewinnlosigkeit!” vom 29.9.2022.

Vermeidung von Haftungsrisiken

Die Haftung des Abschlussprüfers stellt hohe Anforderungen an die Sorgfalt und Professionalität in der Prüfungsdurchführung. Um Haftungsrisiken wirksam zu vermeiden, müssen Abschlussprüfer nicht nur gesetzliche und vertragliche Pflichten erfüllen, sondern auch auf potenzielle Gefahrenstellen in ihrer Prüfungsarbeit achten, die zu erheblichen rechtlichen Konsequenzen führen könnten.

Ein zentraler Aspekt der Haftungsvermeidung ist die konsequente Wahrnehmung der Redepflicht gemäß § 273 UGB. Der Prüfer muss sicherstellen, dass er frühzeitig auf Risiken für den Fortbestand des Unternehmens sowie auf wesentliche Gesetzesverstöße hinweist. 

Darüber hinaus ist es entscheidend, dass Abschlussprüfer die objektiven Anforderungen an die Sorgfalt gemäß § 1299 ABGB strikt einhalten. Dies bedeutet, dass alle Prüfungsverfahren so durchgeführt werden müssen, dass sie den hohen Anforderungen der Berufsethik und des Berufsrechts gerecht werden. Eine sorgfältige Dokumentation und risikobasierte Prüfung sind hier unerlässlich. Der Prüfer sollte alle potenziellen Risiken im Unternehmen identifizieren und seinen Prüfungsansatz entsprechend anpassen, um eine lückenlose Dokumentation und damit eine effektive Haftungsabwehr sicherzustellen.

Ein weiterer Haftungsbereich liegt in der Wahrung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit. Der Prüfer darf sich nicht durch persönliche oder wirtschaftliche Beziehungen beeinflussen lassen, die seine Objektivität beeinträchtigen könnten. Hierfür sind präventive Maßnahmen zu treffen. Das kann durch die konsequente Anwendung eines internen Qualitätskontrollsystems sichergestellt werden, dass überprüft, ob die Prüfungen frei von Interessenkonflikten durchgeführt werden können.

Abschlussprüfer sollten auch die in den Allgemeinen Auftragsbedingungen (AABs) enthaltenen Regelungen zu Haftungsbeschränkungen nutzen und, soweit dies im rechtlichen Rahmen möglich ist, individuell vereinbaren. Durch eine klare Kommunikation mit dem Auftraggeber kann die Haftung für bestimmte Fälle beschränkt werden, was ein wichtiges Mittel zur Haftungsvermeidung darstellt.

Schließlich muss der Prüfer in seiner Tätigkeit stets sicherstellen, dass er durch ständige Weiterbildung und die Anwendung aktueller Prüfungsstandards allen Anforderungen gerecht wird. So kann er potenzielle Haftungsfallen erkennen und vermeiden, die sich aus einer veralteten oder unzureichend sorgfältigen Prüfungsdurchführung ergeben könnten.

FAZIT

Die Haftung des Abschlussprüfers ist ein kritisches Thema im Berufsrecht und erfordert umfassende Kenntnisse in rechtlichen und fachlichen Bereichen. Die Sorgfaltspflichten und die genaue Dokumentation aller Prüfprozesse sind unerlässlich, um Haftungsrisiken zu vermeiden und die Qualität der Prüfung zu gewährleisten.

Der Abschlussprüfer muss sich stets dessen bewusst sein, dass eine Verletzung der Sorgfaltspflicht weitreichende finanzielle und berufsrechtliche Konsequenzen haben kann. Die Bedeutung der Abschlussprüferhaftung wird in Zukunft weiter zunehmen, da sowohl rechtliche Anforderungen als auch die Erwartungen der Öffentlichkeit an die Prüfungsqualität steigen.

Durch die sorgfältige Beachtung gesetzlicher Vorgaben, die kontinuierliche Weiterbildung und die Einhaltung der höchsten Standards der Berufsethik können Abschlussprüfer sicherstellen, dass ihre Tätigkeit rechtskonform und haftungsminimierend ausgeführt wird. Die Zusammenarbeit mit erfahrenen Beratern und die Sicherstellung einer transparenten und umfassenden Prüfungsdokumentation sind entscheidend für die Minimierung von Risiken und die Förderung der Glaubwürdigkeit der Finanzberichterstattung.


1) Abschlussprüfer sind alle berufsberechtigten Wirtschaftsprüfer und eingetragenen Revisoren, die über eine aufrechte Bescheinigung gemäß § 35 f APAG verfügen.