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KÖST | Abzinsung von Pauschalrückstellungen - das gilt es zu beachten!

Die Bildung pauschaler Rückstellungen war steuerlich bislang unzulässig. Deren unternehmensrechtliche Bildung führte also regelmäßig zu einer Abweichung zwischen Unternehmens- und Steuerbilanz (MWR) in Höhe des gesamten Rückstellungsbetrages. Über eine allfällig steuerliche Abzinsung brauchte man sich folglich also keine Gedanken machen. Seit Verabschiedung des COVID-19-Steuermaßnahmengesetzes hat sich der Gesetzgeber von diesem Verbot jedoch teilweise verabschiedet. Gem. § 9 Abs 3 EStG idF COVID-19-StMG werden derartige Pauschalrückstellungen im Bereich der „sonstigen ungewissen Verbindlichkeiten“ steuerlich nunmehr grundsätzlich anerkannt. Damit einhergehend stellte sich erstmals auch die Frage, wie sich der pauschal ermittelte Ansatz zum steuerlichen Abzinsungsgebot des § 9 Abs 5 EStG verhält. Erfahren Sie daher nachfolgend, was Sie bei der Bildung steuerlicher Pauschalrückstellungen beachten müssen!

 

Bilanzansatz langfristiger Rückstellungen im historischen Rückblick


​​​​​​​Nach alter Rechtslage (vor dem Abgabenänderungsgesetz 2014) wurden langfristige Rückstellungen (mit einer angenommenen Laufzeit von über einem Jahr) für sonstige ungewisse Verbindlichkeiten und drohende Verluste aus schwebenden Geschäften letztmalig zum Bilanzstichtag vor dem 01.07.2014 steuerlich mit 80% des unternehmensrechtlich bilanzierten Wertes angesetzt. Von Übergangsvorschriften abgesehen, sind derartige Rückstellungen gem. § 9 Abs 5 EStG idF AbgÄG 2014 steuerlich seither ausgehend vom Erfüllungsbetrag mit 3,5% p.a. vom angenommenen Erfüllungszeitpunkt auf den Bilanzstichtag hin abzuzinsen (vgl. im Detail NL-Beitrag BILANZSTEUERRECHT | Langfristige Rückstellungen ab 1.7.2014).

Unternehmensrechtlich brachte das Rechnungslegungsänderungsgesetz 2014 für Wirtschaftsjahre mit Beginn ab 01.01.2016 eine ähnliche Regelung, wonach gem. § 211 UGB idF RÄG 2014 für langfristige Rückstellungen nun nicht mehr der Rückzahlungsbetrag anzusetzen ist, sondern der mit einem „marktüblichen Zinssatz“ abgezinste Erfüllungsbetrag (vgl. im Detail NL-Beitrag BILANZIERUNG | Rückstellungen nach dem RÄG 2014). Nach den erläuternden Bemerkungen zum RÄG 2014 kann hinsichtlich des marktüblichen Zinssatzes entweder eine Orientierung an den deutschen Kundmachungen der Rechtsverordnungen nach § 253 Abs 2 vierter Satz dHGB erfolgen oder aber der steuerliche Pauschalzinssatz gem. 9 Abs 5 EStG iHv 3,5% herangezogen werden.(1) Aufgrund des gesetzlich normierten „marktüblichen Zinssatzes“ wurde eine pauschale Abzinsung mit 3,5% bis vor kurzem angesichts des historisch niedrigen Zinsniveaus aber als problematisch erachtet. Gleichwohl das Zinsniveau im Zuge der Inflationsbekämpfung in letzter Zeit mehrmals angehoben wurde und die Verwendung des steuerlichen Pauschalzinssatzes auch für unternehmensrechtliche Zwecke wohl nicht mehr völlig abwegig scheint, erachtet die herrschende Meinung für unternehmensrechtliche Zwecke nach wie vor nur die Verwendung eines „marktüblichen Zinssatzes“ als sachgerecht.
 

Pauschal gebildete Rückstellungen im Steuerrecht
 

  • Rückstellungsbildung dem Grunde nach

Da pauschal gebildete Rückstellungen im Steuerrecht bis zum COVID-19-Steuermaßnahmengesetz ohnedies unzulässig waren, war deren steuerlicher Ansatz unabhängig vom unternehmensrechtlich bilanzierten Wert gleich Null. Die Frage nach einer allfällig steuerlichen Abzinsung war bis dahin also nicht von Belang. 

Gem. § 9 Abs 3 ESt dürfen Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten steuerlich unter den Voraussetzungen des § 201 Abs 2 Z 7 UGB nunmehr auch pauschal gebildet werden. Demnach muss ein Wert, dessen Bestimmung nur auf Basis von Schätzungen möglich ist, auf einer umsichtigen Beurteilung beruhen. Liegen statistisch ermittelbare Erfahrungswerte aus gleich gelagerten Sachverhalten vor, sind diese zwingend zu berücksichtigen. Pauschal ermittelte Prozentsätze sind kaufmännisch auf zwei Nachkommastellen zu runden (Rz 3315 EStR). Diese Regelung gilt gem. § 124b Z 372 EStG erstmals für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2020 beginnen. 

Steuerpflichtige die ihren Gewinn nach § 4 Abs 1 EStG ermitteln, haben also nun ein Wahlrecht derartige Pauschalrückstellungen (nach abstrakter Maßgabe der unternehmensrechtlichen Vorgaben) anzusetzen. Steuerpflichtige, die nach UGB der Rechnungslegungspflicht unterliegen und ihren Gewinn daher gem. § 5 Abs 1 EStG ermitteln, haben unternehmensrechtlich pauschal gebildete Rückstellungen hingegen auch steuerlich zwingend anzusetzen (Maßgeblichkeit des Unternehmensrechts). 
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  • Übergangsregelung für Altfälle

Zu beachten gilt es, dass auch „Altrückstellungen“ (solche Rückstellungen, bei denen der Anlass für deren erstmalige Bildung in früheren Wirtschaftsjahren liegt) einer steuerlich pauschalen Rückstellungsbildung zugänglich sind. Deren steuerwirksame Nachholung hat jedoch über fünf Jahre verteilt zu erfolgen.
 

  • Rückstellungsbildung der Höhe nach

Das Prinzip der Maßgeblichkeit des Unternehmensrechts vermag Steuerpflichtige, die ihren Gewinn nach § 5 Abs 1 EStG ermitteln, zwar verpflichten unternehmensrechtlich gebildete Pauschalrückstellungen auch steuerlich anzusetzen, bindet diese – aufgrund steuerlich zwingend anzuwendender Abzinsungsregeln – jedoch nicht hinsichtlich deren Höhe.

§ 9 Abs 5 EStG unterscheidet hinsichtlich Bewertungsmaßstab (Erfüllungsbetrag) und Abzinsung (3,5% p.a.) nicht zwischen Einzelrückstellungen und gem. Abs 3 leg cit pauschal gebildeter Rückstellungen. So ist bei Pauschalrückstellungen zunächst die wahrscheinlichste Höhe des künftigen Gesamterfüllungsbetrages (bezogen auf sämtliche Einzelverpflichtungen) zu bestimmen. Diese sind in weiterer Folge abzuzinsen, wobei im Unterschied zu Einzelrückstellungen eine durchschnittliche Laufzeit der zu Grunde liegenden Einzelverpflichtungen zu bestimmen ist. Bei typischerweise kurzläufige Verpflichtungen kann aus Vereinfachungsgründen von einer Abzinsung abgesehen werden (vgl. Rz 3309k EStR).

So werden beispielsweise Gewährleistungsrückstellungen oftmals pauschal als Prozentsatz der Umsatzerlöse gebildet. Da die gesetzliche Gewährleistungsfrist in der Regel zwei Jahre beträgt, läge es auf den ersten Blick nahe von einer langläufigen Rückstellung auszugehen, welche abgezinst werden müsste. Da hier jedoch eine Vielzahl unterschiedlicher Fristigkeiten zusammengefasst werden, von denen manche eher zu Beginn der zweijährigen Gewährleistungsfrist schlagend werden und andere eher zum Ende hin, wird man zum Bilanzstichtag durchschnittlich von einer Laufzeit von sogar unter einem Jahr ausgehen können, da die Gewährleistungsfristen der im Wirtschaftsjahr abgewickelten Geschäftsfälle ja bereits unterjährig zu laufen beginnen und nicht erst am Bilanzstichtag. In Summe liegt also eine typischerweise kurzläufige Rückstellung vor, bei der laut Richtlinienmeinung des BMF aus Vereinfachungsgründen auf eine Abzinsung somit zur Gänze verzichtet werden kann. Gleichwohl davon auszugehen ist, dass die Mehrzahl der Steuerpflichtigen sich aus praktischen Erwägungen der Vereinfachungsregel bedienen wird, muss eine Abzinsung derartiger (formal langfristiger) Rückstellungen im Umkehrschluss erlaubt sein. Dann jedoch ist steuerlich zwingend der Abzinsungssatz von 3,5% und die zugrunde gelegte durchschnittliche Laufzeit heranzuziehen.
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  • Offene Zweifelsfragen

Wie bereits dargelegt, gibt es hinsichtlich der Bildung von Pauschalrückstellungen (aufgrund zwingender steuerlicher Gestaltungsvorschriften) lediglich eine Maßgeblichkeit des Unternehmensrechts dem Grunde nach, nicht jedoch der Höhe nach.

Dabei ergeben sich (für den Fall, dass auch unternehmensrechtlich abgezinst wird) jedoch folgende Zweifelsfragen:

  • Kann von der steuerrechtlichen Vereinfachungsregel für typischerweise kurzläufige Rückstellungen, (wonach auf eine Abzinsung verzichtet werden kann) auch dann Gebrauch gemacht werden, wenn unternehmensrechtlich eine Abzinsung vorgenommen wird? Gleichwohl der im Unternehmensrecht anzuwendende „marktübliche Zinssatz“ für steuerliche Zwecke nicht zu übernehmen ist, scheint es doch fragewürdig, ob die Maßgeblichkeit nicht zumindest dem Grunde nach zu einer steuerlichen Abzinsung verpflichtet.
  • Sofern die steuerliche Vereinfachungsregel trotz unternehmensrechtlich vorgenommener Abzinsung angewendet werden darf, stellt sich darüber hinaus die Frage, ob diesfalls steuerlich aufzuzinsen ist? Da der unternehmensrechtliche Rückstellungsbetrag einen bereits abgezinsten Wertansatz darstellt, müsste steuerlich eigentlich auf den nicht abgezinsten Erfüllungsbetrag retour gerechnet werden. Eine weitere Vereinfachungsregel, wonach in diesem Fall der unternehmensrechtliche Bilanzansatz für steuerliche Zwecke übernommen werden kann, enthalten Richtlinien und Gesetz nämlich nicht!

Selbstverständlich halten wir Sie auf dem Laufenden und informieren Sie, falls und sobald es dazu Klarstellungen gibt. Darüber hinaus stehen wir Ihnen bei Fragen zum Thema Bildung und Abzinsung von Rückstellungen jederzeit gerne zur Verfügung!
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FAZIT


​​​​​​​In Wirtschaftsjahren mit Beginn ab 01.01.2021 dürfen Pauschalrückstellungen für sonstige ungewisse Verbindlichkeiten erstmals auch steuerlich gebildet werden. Sofern diese als langfristig zu qualifizieren sind, müssen sie gemäß den steuerlichen Vorgaben mit 3,5% p.a. abgezinst werden. Mit dem EStR-Wartungserlass 2023 hat das BMF nunmehr klargestellt, dass der Abzinsung von Pauschalrückstellungen im Unterschied zu Einzelrückstellungen eine durchschnittliche Laufzeit zu Grunde zu legen ist. Bei typischerweise kurzläufigen Verpflichtungen kann dabei aus Vereinfachungsgründen auf eine Abzinsung verzichtet werden.

Ungeklärt blieben unseres Erachtens Fragen im Zusammenspiel der steuerlichen Vereinfachungsregel mit unternehmensrechtlich bereits abgezinsten Wertansätzen. Ist die Vereinfachungsregel in solchen Fällen überhaut anwendbar oder muss steuerlich gar aufgezinst werden? Wir informieren Sie, falls und sobald es dazu Klarstellungen gibt!

Bei Fragen zum Thema Rückstellungen stehen Ihnen die Verfasser gerne zur Verfügung!


1) ErlRV 367 BlgNR XXV. GP, 8.